Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften. Ulrich Wackerbarth
Gesellschafter A an, ob er zur Leistung eines solchen Nachschusses verpflichtet ist. Rn. 99
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Fall 8:
G ist geschäftsführender Gesellschafter einer aus A, B, C und G bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ein nicht unerhebliches aus Grundstücken bestehendes Vermögen verwaltet. G ist außerdem Geschäftsführer der aus 5 Personen bestehenden X-GmbH. Bei Letzterer hat er sich finanzielle Unregelmäßigkeiten zu seinem Vorteil und zu Lasten des Gesellschaftsvermögens zu Schulden kommen lassen. A, B und C erwägen, G die Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen. Ist dies möglich? Rn. 100
Literatur:
Armbrüster, Nachschusspflicht im Personengesellschaftsrecht, ZGR 2008, 1 ff.; Flume, Gesellschaft und Gesamthand, ZHR 136 (1972) 177 ff.; Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990; Kießling, Das Gesamthandsprinzip bei Personengesellschaften. FS Hadding, S. 477 ff.; Raiser, Das Recht der Gesellschafterklagen, ZHR 153 (1989) 1 ff.; C. Schäfer, Vom Einstimmigkeitsprinzip zum treupflichtgetragenen Mehrheitsentscheid im Personengesellschaftsrecht, ZGR 2013, 237 ff.; derselbe, Der Bestimmtheitsgrundsatz ist (wirklich) Rechtsgeschichte, ZGR 2014, 1401; Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft 1975; Schulze/Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972.
Teil II Die BGB-Gesellschaft › § 5 Die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander (Innenverhältnis) › I. Überblick
I. Überblick
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Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag und den gesetzlichen Vorschriften der §§ 705 ff. BGB. Die meisten dieser Vorschriften sind dispositiver Natur. Sie können also von den Gesellschaftern, die den Vertrag abschließen, gestützt auf das Prinzip der Vertragsfreiheit durch entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag abgeändert bzw. ergänzt werden. Je nach den für die beteiligten Personen vorgesehenen Funktionen, dem Gesellschaftszweck und der Höhe der Beteiligung sind vom Gesetz abweichende, zweckentsprechendere Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag notwendig. Die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung geht im Zweifel der gesetzlichen Regelung vor.
Beispiel:
Gem. § 709 BGB steht die Geschäftsführung allen Gesellschaftern in der Weise gemeinschaftlich zu, dass die Zustimmung aller Gesellschafter zu den einzelnen Maßnahmen erforderlich ist. In der Regel dürfte es zweckmäßig sein, das gesetzlich vorgesehene schwerfällige Einstimmigkeitsprinzip durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag zu ersetzen, indem etwa die Geschäftsführung nur einem Gesellschafter oder einer begrenzten Zahl von Gesellschaftern eingeräumt wird.
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Die Willensbildung in der Gesellschaft erfolgt durch Beschluss. Das gilt vor allem für die Änderung des Gesellschaftsvertrages. Die Grundlage für das Beschlussrecht in der BGB-Gesellschaft bildet der § 709 BGB, dessen Wirkung über bloße Geschäftsführungsmaßnahmen hinausreicht. Nach § 709 Abs. 1 BGB ist für die Wirksamkeit eines Beschlusses Einstimmigkeit vorgesehen. Der Gesellschaftsvertrag kann eine davon abweichende Regelung vorsehen (siehe dazu unten Rn. 90 ff.).
Das BGB verzichtet ebenso wie das HGB für die OHG und die KG auf Vorschriften über die Gesellschafterversammlung. Der Gesellschaftsvertrag kann gestützt auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit Bestimmungen darüber treffen. Jedem Gesellschafter stehen eine Reihe von Verwaltungsrechten zu. Dazu gehören u. a. das Recht zur Geschäftsführung einschließlich das Widerspruchsrecht, die Informations- und Kontrollrechte, das Recht, an der Liquidation mitzuwirken und das Kündigungsrecht. § 717 BGB stellt für alle aus der Mitgliedschaft herrührenden Rechte (Mitgliedschaftsrechte) den Grundsatz der Unübertragbarkeit auf (Abspaltungsverbot). Nicht übertragbar sind gem. § 717 S. 1 BGB alle Verwaltungsrechte, die oben genannt sind. Umstritten ist, ob sog. Stimmbindungsverträge gegen das Abspaltungsverbot verstoßen. Während Stimmbindungsverträge mit Mitgesellschaftern zulässig sind, ist die Zulässigkeit solcher Verträge mit außen stehenden Dritten umstritten[1].
Teil II Die BGB-Gesellschaft › § 5 Die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander (Innenverhältnis) › II. Das Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen
II. Das Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen
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Mit der Gründung einer Personengesellschaft wird ein Sondervermögen gebildet, das vom Privatvermögen der Gesellschafter streng zu trennen ist. Zu diesem Sondervermögen (= Gesellschaftsvermögen) gehört das, was die Gesellschafter als Beiträge geleistet haben, und die Gegenstände, die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworben worden sind (§ 718 BGB). Dazu können zählen: bewegliche Sachen, Grundstücke, Forderungen und sonstige Rechte aller Art. Die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Sachen und Rechte unterliegen einigen Sonderregelungen, die sich daraus ergeben, dass das Gesellschaftsvermögen nicht mehr dem unabhängigen und freien Willen des einzelnen Gesellschafters zur Verfügung stehen kann, sondern dem Gesellschaftszweck dienen soll und daher dem nach den gesetzlichen Vorschriften oder dem Gesellschaftsvertrag gebildeten Willen der Gesellschafter unterliegt.
Das Gesellschaftsvermögen ist Gesamthandsvermögen. Das heißt: Das Vermögen steht den Gesellschaftern in ihrer personenrechtlichen Verbundenheit in der Art zu, dass ein einzelner Gesellschafter über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und auch an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen nicht frei verfügen kann. Über das Gesellschaftsvermögen als Ganzes sowie auch über Teile des Gesellschaftsvermögens können nur alle Gesellschafter gemeinsam verfügen (§ 719 BGB). Da alle Gesellschafter als Gesamthänder – jeder vollständig und alle zugleich – die Gegenstände des gemeinschaftlichen Vermögens innehaben, gibt es keinen Bruchteil, der dem einzelnen Gesellschafter an einzelnen Gegenständen oder am Vermögen der Gesellschaft als Ganzem zusteht[2].
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Ob es Anteile an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen überhaupt gibt, ist bestritten[3]. Der Text des § 859 Abs. 1 S. 2 ZPO („der Anteil eines Gesellschafters an den einzelnen, zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen ist der Pfändung nicht unterworfen“) und des § 719 BGB spricht für die Existenz eines Anteils an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen. Der Streit über diese Frage ist in der Regel aber kaum mehr als akademisch, da weder die Gesellschafter über einen solchen Anteil – sollte es ihn geben – verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB), noch ein solcher Anteil der Pfändung unterliegt (§ 859 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Die Gesamthandsberechtigung des Gesellschafters, also die Mitinhaberschaft an den der Gesamthand zugeordneten Vermögensgegenständen setzt die Zugehörigkeit zur Gesellschaft voraus; sie kann ohne diese nicht fortbestehen. Wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) nach § 738 Abs. 1 BGB den in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern zu.
Beispiel:
Scheidet von drei gleich berechtigten Gesellschaftern einer aus der Gesellschaft aus,