Handbuch des Strafrechts. Jan C. Joerden

Handbuch des Strafrechts - Jan C. Joerden


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muss sich allerdings immer der Tatsache bewusst sein, dass auch ein Untätigbleiben eine Persönlichkeitsäußerung und damit eine Handlung ist, wenn es sich als Pflichtverletzung oder auch nur als Enttäuschung einer Handlungserwartung darstellt. Auch hier ist zweifelhaft, ob mit dem Abstellen auf Willensmomente eine klare Abgrenzung gelingen kann.

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      Das deutsche Recht kennt keine Verbandsstrafbarkeit, weil Verbände (auch „juristische Personen“) dem auf Menschen zugeschnittenen Begriff der „Persönlichkeit“ nicht unterfallen. Insofern hat der hier befürwortete Handlungsbegriff strafrechtlich weittragende Folgen.

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      Freilich ist es Gegenstand einer lebhaften Reformdiskussion, ob in Deutschland nach dem Vorbild vieler anderer Länder eine Verbandsstrafbarkeit eingeführt werden sollte. Möglich ist das nur, wenn man dem Verband ggf. das Handeln seiner Organe als eigene Handlung zurechnet. Da auf diese Weise keine eigene Verbands„handlung“ entsteht und ein Verband auch nicht nach Art menschlicher Personen schuldig und bestraft werden kann, würde man besser von Verbandssanktionen sprechen, wie sie das geltende Recht im Bereich der Ordnungswidrigkeiten bereits kennt (§ 30 OWiG).

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      Dagegen beeinträchtigt eine vis compulsiva, also eine erzwungene, aber durch den Willen des unmittelbar Handelnden vermittelte Verursachung, die Handlungsqualität nicht. Wenn A den B mit vorgehaltener Pistole zu einer Urkundenfälschung nötigt (§ 267 StGB), so ist das eine durch die Todesdrohung motivierte Persönlichkeitsäußerung des B. Er handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, auch wenn er strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht wird (§ 35 StGB).

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      Das gilt mutadis mutandis auch für Unterlassungen. Hier schließt schon die physische Aktionsunmöglichkeit eine sonst ggf. in der Untätigkeit liegende Persönlichkeitsäußerung aus, auch wenn das seelisch-geistige Aktionszentrum als solches intakt ist. Der gelähmte oder gefesselte Vater, der einer Tötung seines Sohnes hilflos zusehen muss, hat keine Unterlassungshandlung vorgenommen.

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      Eine Persönlichkeitsäußerung und damit eine Handlung scheidet auch dort aus, wo jemand im Zustand der Bewusstlosigkeit Rechtsgüterbeeinträchtigungen verursacht oder entgegen einem gesetzlichen Gebot nicht abwendet. Das gilt für den vielzitierten Krampfanfall des Epileptikers, für Bewegungen im Schlaf (auch das Schlafwandeln), für Wirkungen, die vom Körper eines Ohnmächtigen ausgehen sowie von den Folgen eines hochgradigen Deliriums oder einer bewusstseinsausschließenden Narkose.

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      Das AG hat den Mann „mangels Handlung“ freigesprochen, da er nur eine „Marionette“ in der Hand seiner Frau gewesen sei. Hier war jedoch eine Handlung anzunehmen, da der betrunkene Mann immerhin noch bewusst zielgerichtete und koordinierte Bewegungsabläufe vornehmen konnte. Ob er sich später noch daran erinnern konnte, hat auf das Vorliegen einer Handlung keinen Einfluss. Ein Handlungsausschluss in Trunkenheitsfällen ist eine Ausnahme.

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      Die bisher behandelten Fälle von Nichthandlungen haben die Rechtsprechung kaum beschäftigt. Der Grund liegt nicht in ihrer Seltenheit, sondern darin, dass beim evidenten Fehlen einer Persönlichkeitsäußerung strafrechtliche Ermittlungen eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen werden. Grenzfälle, die Entscheidungen herausfordern, ergeben sich jedoch bei den hier thematisierten körperlichen Spontanreaktionen.

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