Ius Publicum Europaeum. Paul Craig
(§§ 71–71e)“.[254] Die einheitliche Stelle fungiert als Verfahrensmittlerin zwischen Antragsteller und zuständigen Behörden sowie als Koordinierungsstelle für die durchzuführenden Verwaltungsverfahren, besitzt aber keine eigene Sach- oder Entscheidungskompetenz. Für das Verhältnis von einheitlicher Stelle zu den zuständigen Fachbehörden sieht § 71d VwVfG in Ergänzung der allgemeinen Amtshilfepflicht nach § 4 VwVfG eine gegenseitige Unterstützungspflicht vor, die nicht abschließend ist; weitere Einzelheiten können insbesondere im Rahmen von Verwaltungsvorschriften geregelt werden.[255] Die Regelung, wer die Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners wahrnimmt, überlässt die DLRL den Mitgliedstaaten. In Deutschland werden hierfür auf der Ebene der zuständigen Länder (vgl. Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG) verschiedene Modelle präferiert (Ansiedlung auf kommunaler Ebene; Kammermodell; Übertragung auf Landesministerium bzw. Landesmittelbehörde; Modell der Kooperation zwischen Kammern und Kommunen).[256]
a) Grundlagen
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Das Recht des öffentlichen Dienstes ist nach Art. 33 Abs. 5 GG unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.[257] Hergebrachte Grundsätze sind ein vorkonstitutioneller Kernbestand von tragenden Strukturprinzipien des Beamtentums.[258] Hierzu zählen etwa die Regelung des Beamtenstatus durch Gesetz,[259] der Grundsatz der Hauptberuflichkeit,[260] die Pflicht zur unparteiischen Amtsführung,[261] die politische Treuepflicht,[262] die Gehorsamspflicht[263] und die Alimentationspflicht des Dienstherrn[264].[265]
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Die Beamtengesetze des Bundes und der Länder tragen dem Rechnung und haben den dienstrechtlichen Status der Beamten in der Regelform als Lebenszeitverhältnis mit im Einzelnen detailliert geregelten Rechten und Pflichten ausgestaltet. Richter des Bundes und der Länder stehen in einem funktional gesondert geregelten Dienstverhältnis, das den Besonderheiten richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 GG) Rechnung trägt, ungeachtet dessen im Übrigen aber einem Lebenszeitbeamtenverhältnis entspricht.[266] Dienstherrenfähig, das heißt befugt, Beamte zu ernennen, sind Bund, Länder, Gemeinden sowie aufgrund sondergesetzlicher Zuweisung sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 BeamtStG, § 121 BRRG).
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Das Grundgesetz misst dem Beamtentum eine besondere Rolle bei der Gewährleistung eines funktionierenden Gemeinwesens zu. Der Beamte soll sich ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen, wofür der Staat ihm und seiner Familie einen angemessenen Lebensunterhalt durch Alimentation sichert.[267] Die hierdurch im Berufsbeamtentum angelegte persönliche Unabhängigkeit soll es ermöglichen, dass die Beamten ihre verfassungsrechtliche Aufgabe erfüllen, eine stabile und gesetzestreue Verwaltung zu sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften zu bilden.[268] Aus diesem Grund sieht Art. 33 Abs. 4 GG vor, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuverhältnis (also in der Regel einem Beamtenverhältnis) stehen.[269] Außerhalb dieser Kernaufgaben besteht der Personalkörper des öffentlichen Dienstes in Deutschland zu einem erheblichen Teil aus Angestellten, deren Status auf einem tarifvertraglich näher ausgestalteten privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis beruht.[270]
b) Reformbestrebungen
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Das Beamtenrecht befindet sich – nicht zuletzt in Reaktion auf eine Reihe von Strukturproblemen des öffentlichen Dienstes in der Praxis[271] – gegenwärtig in einer Phase grundlegender Modernisierung, die gekennzeichnet ist durch Flexibilisierung, Föderalisierung und Privatisierung.[272] Die vor allem arbeitsmarktpolitisch motivierte Politik, sektoral nur noch Teilzeitbeamte einzustellen, kompensatorisch aber die Möglichkeiten zu erweitern, durch Nebentätigkeiten Einnahmen zu erzielen, wurde vom BVerfG aufgrund der hierdurch zu besorgenden Interessenkonflikte für verfassungswidrig erachtet, da die Gefahr bestehe, dass der Beamte zum „Diener zweier Herren“ werde.[273]
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Mit der Föderalismusreform wurde die ursprüngliche Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht des öffentlichen Dienstes auch der Länder (Art. 74a GG a.F.) abgeschafft und in eine eingeschränkte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Statuspflichten der Beamten der Länder und der Gemeinden (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) übergeleitet.[274] Hierdurch erhalten die Länder ungeachtet der Bindung an hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums eine weitgehende Autonomie, ihr Dienstrecht neu zu ordnen, wovon sie auch zunehmend Gebrauch machen.[275] Schließlich steht das Berufsbeamtentum aufgrund ansteigender Versorgungslasten fortwährend unter einem Rechtfertigungsdruck gegenüber privaten Dienstverhältnissen. Eine Abschaffung des beamtenrechtlichen Sonderstatus durch Verfassungsänderung und die Überleitung in ein allgemeines Dienstrecht auf privatrechtlicher Grundlage[276] wird politisch diskutiert. Wo dies gemessen an Art. 33 Abs. 4 GG möglich ist, wird vermehrt auf eine Verbeamtung verzichtet.[277]
c) Anpassungsstrategien und -probleme mit Blick auf die Europäisierung
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Das Beamtenrecht sah sich bislang vergleichsweise geringen europäischen Anpassungszwängen ausgesetzt.[278] Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedstaaten können in ein deutsches Beamtenverhältnis berufen werden, soweit nicht in Einklang mit Art. 51 AEUV die Besonderheiten der übertragenen Hoheitsaufgaben entgegenstehen.[279] Die laufbahnrechtliche Anerkennung von berufsqualifizierenden Abschlüssen anderer Mitgliedstaaten ist auf der Grundlage des geltenden Unionssekundärrechts[280] möglich.[281]
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Noch nicht abschließend bewältigte Probleme zeichnen sich im Bereich möglicher Altersdiskriminierung ab. Während das Unionsrecht Unterscheidungen nach dem Alter nur bei objektiven Erfordernissen und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zulässt,[282] knüpft das deutsche Beamtenrecht in zentralen Bereichen[283] weiterhin an das Alter an. Eine notwendig regelungszweckspezifische Rechtfertigung wird zwangsläufig dem Beamtenrecht punktuelle Modifikationen zur Anpassung an unionsrechtliche Vorgaben abverlangen.[284] Gleiches gilt für die Hinterbliebenenversorgung, die nach deutschem Beamtenrecht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern unionsrechtswidrig vorenthalten wird.[285]
a) Grundlagen
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Es entspricht der deutschen Verwaltungsrechtstradition, die Verwirklichung des materiellen Rechts zum Dreh- und Angelpunkt des Verwaltungsrechts zu machen, während dem Verfahren ein vergleichsweise geringer Stellenwert zukommt.[286] Dem Verfahren wird gegenüber dem materiellen Recht eine hauptsächlich „dienende Funktion“ zugemessen;[287] es ist der „Weg zur Entscheidung als Endprodukt“[288]. Dabei dominiert vor allem in der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Überzeugung, dass diese dienende Funktion grundsätzlich auch ohne Sanktionierung von Verfahrensfehlern erfüllt werden kann.[289] Der Charakter des Verwaltungsverfahrens auch als Teil des Rechtskonkretisierungsprozesses[290] wird vom deutschen Recht zwar im Prinzip anerkannt, jedoch letztlich nur unzureichend in operable Regelungsstrukturen übersetzt, die diesen prozeduralen Eigenleistungen auch konkret Rechnung tragen würden.[291]
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Diese Grundhaltung gegenüber dem Verfahren spiegelt sich in der verwaltungsrechtlichen Fehlerfolgenlehre wider:[292] Verfahrensfehler lassen die Wirksamkeit eines ergangenen Verwaltungsakts grundsätzlich unberührt (vgl. § 44 VwVfG). Darüber hinaus sind sie im Rechtsbehelfsverfahren im Regelfall unbeachtlich. Zum einen können sie bis zum Abschluss der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz im Grundsatz dadurch geheilt werden, dass