Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
abrupte Abschaltung der analogen zu Gunsten einer digitalen Übertragung, so dass die Nutzer selber entscheiden können, ob sie weiterhin die analoge Technik nutzen wollen oder bereits auf die digitale Verbreitung umstellen möchten. Aufgrund der zusätzlichen digitalen Verbreitungskosten werden derzeit noch weniger Programmveranstalter digital über DAB verbreitet, als über die analogen UKW-Frequenzen empfangen werden können. Überdies sind die DAB-Empfänger noch erheblich teurer als konventionelle Radios, so dass bislang nur wenige Zuhörer überhaupt diesen Verbreitungsweg nutzen.
1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
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Die Regulierung der terrestrischen Verbreitung hat sowohl telekommunikationsrechtliche als auch rundfunkrechtliche Anknüpfungspunkte, die in erster Linie die Vergabe der Übertragungsfrequenzen an Netzbetreiber (Netzbetrieb) und Programmveranstalter (Programmverbreitung) betreffen. Die telekommunikationsrechtliche Frequenzvergabe erfolgt in einem abgestuften System der planerischen Frequenzverwaltung, die in drei aufeinander aufbauenden Schritten umgesetzt wird. In einem ersten Schritt wird von der Bundesregierung nach Maßgabe des § 53 TKG ein nationaler Frequenzbereichszuweisungsplan erstellt. Hierbei werden unter Berücksichtigung der durch die International Telecommunications Union (ITU) international koordinierten Frequenzzuweisungen[44] bestimmte Frequenzbereiche dem Rundfunk zugewiesen. Im Rahmen der sog. „Digitalen Dividende“ erfolgte jedoch eine frequenzplanerische Umwidmung von einzelnen vormals dem Rundfunk zugewiesenen DVB-T Frequenzen, die nunmehr der mobilen Internetnutzung gewidmet wurden. Die Bundesnetzagentur versteigerte diese Frequenzen an Mobilfunkbetreiber, die diese Frequenzen für terrestrische Internetdienste – insbesondere zur Versorgung der ländlichen Gebiete – mittels LTE-Technologie verwenden müssen. Die konkrete Nutzung der Frequenzen soll nach Maßgabe der allgemeinen Zielsetzungen des TKG effizient und störungsfrei erfolgen.
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Derartige terrestrische Rundfunkfrequenzen (DVB-T) werden durch die BNetzA im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens nach § 61 Abs. 5 TKG und nach Maßgabe des von den Bundesländern definierten Versorgungsbedarfs vergeben, §§ 55 Abs 1, 57 TKG i.V.m. §§ 50, 51 RStV.[45] Wurden einem Betreiber eines terrestrischen Sendenetzes Frequenzen zur Rundfunkübertragung durch die BNetzA zugewiesen, ist dieser jedoch nicht frei bei der anschließenden Nutzung oder Vergabe dieser Übertragungskapazitäten. Denn zum einen ist die Art der Frequenznutzung zum Zweck der Rundfunkübertragung im Rahmen der telekommunikationsrechtlichen Frequenzvergabe für ihn bindend und zum anderen wird ihm auch die konkrete Belegung der terrestrischen Übertragungskapazitäten mit entsprechenden Rundfunkprogrammen bzw. Telemedienangeboten im Rahmen des medienrechtlichen Zuordnungsverfahrens vorgeschrieben, § 51 RStV.[46]
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Die Art und Weise der Vergabe von drahtlosen (terrestrischen) Übertragungskapazitäten an Programmanbieter wurde im Rahmen des RÄStV-10 durch die Bestimmungen der §§ 51, 51a RStV geregelt. Danach entscheiden die Ministerpräsidenten der Länder in einem ersten Schritt über die Zuordnung von Übertragungskapazitäten an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und – in Vertretung für die privaten Programmveranstalter – an die Landesmedienanstalten (Zuordnungsverfahren nach § 51 RStV). In einem zweiten Schritt schreiben die Landesmedienanstalten (durch die ZAK) die für die privaten Rundfunkveranstalter zugeordneten Übertragungskapazitäten aus (Ausschreibungsverfahren gem. § 51a Abs. 2) und weisen diese Kapazitäten einzelnen Programmveranstaltern oder Plattformbetreibern zu, welche einen entsprechenden Zuweisungsantrag gestellt haben (Zuweisungsverfahren). Sofern im Rahmen des Zuweisungsverfahrens aufgrund eines Frequenzengpasses unter mehreren Antragstellern eine Auswahlentscheidung zu treffen ist, trifft die GVK diese Entscheidung unter Berücksichtigung von Vielfaltkriterien gem. § 51a Abs. 4. Im Ergebnis werden durch dieses verzahnte rundfunkrechtliche Zuordnungsverfahren von den in der Regel sechs vorhandenen DVB-T-Frequenzen den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten drei Frequenzen zugeteilt (ARD zwei, ZDF eine Frequenz). Die restlichen Übertragungskapazitäten werden von den Landesmedienanstalten ausgeschrieben. Sofern sich die großen Senderfamilien RTL-Mediengruppe und ProSiebenSat1 an diesen Ausschreibungen beteiligen, erhalten sie in dem nach § 51a RStV durchgeführten Vergabeverfahren bislang in der Regel jeweils eine volle Übertragungskapazität (vier Programmplätze).[47] Aufgrund der vollständigen Belegung der terrestrischen Verbreitungsfrequenzen mit einem Gesamtangebot, das ausschließlich durch die Ministerpräsidenten und Landesmedienanstalten zusammengestellt wird, wird der terrestrische Sendenetzbetreiber Media Broadcast als Betreiber einer Programmplattformbetreiber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 13 RStV i.V.m. § 52b Abs. 3 Nr. 2 RStV qualifiziert und unterliegt dadurch nicht der weitergehenden spezifischen Plattformregulierung nach §§ 52b RStV (must-carry-Regulierung).
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Im November 2003 wurde in Berlin erstmals mit der Ausstrahlung von DVB-T begonnen, wobei die privaten Programmanbieter seitens der Landesmedienanstalt finanzielle Zuwendungen erhielten, was zum einen wegen der eingeschränkten Möglichkeiten der Verwendung von Rundfunkgebühren nach § 40 RStV problematisch ist[48] und zum anderen ein beihilferechtliches Missbrauchsverfahren der EU-Kommission nach Art. 107 AEUV (ex 87 EGV) auslöste.[49] Die EU-Kommission fördert den Digitalumstieg als wichtiges Ziel der Gemeinschaft, verlangt jedoch, dass die Mitgliedstaaten die Art und Weise der finanziellen Unterstützungsleistungen im Einklang mit den subventionsrechtlichen Bestimmungen gem. Art. 107, 108 AEUV (Art. ex 86, 87 EGV) infrastrukturneutral ausgestalten, um Diskriminierungen zu Lasten einzelner Infrastrukturbetreiber zu verhindern.[50]
2.1 Übertragungstechnik
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Begünstigt durch den signifikanten Rückgang der Kosten der Empfangstechnik und aufgrund des großen über Satellit empfangbaren Programmangebots hat dieser Verbreitungsweg in den letzten Jahren die größten Zuwachsraten bei den deutschen Fernsehhaushalten erfahren. Über 46 % der ca. 38 Mio. Fernsehhaushalte in Deutschland nutzen die Satellitentechnik zum Rundfunkempfang,[51] weshalb dieser Verbreitungsweg gemessen an seiner Reichweite zur wichtigsten Verbreitungsinfrastruktur für Rundfunkdienste geworden ist. Für viele Fernsehveranstalter ist die Nutzung dieses Verbreitungswegs jedoch unabhängig von der Zuschauerreichweite unerlässlich, da sie die Satellitenübertragung in vielen Fällen allein schon zur Heranführung der Programmsignale an die terrestrischen Sendenetze sowie an die Kabelkopfstationen zwecks paralleler Verbreitung über diese Infrastrukturen nutzen.
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Bislang haben sich von den 10 Satellitenbetreibern mit insgesamt mehr als 20 Satelliten im westeuropäischen Markt vor allem zwei Anbieter von Satellitenplattformen etablieren können. Zum einen SES Astra S. A. (Luxemburg) mit den Astra-Satelliten auf den gängigen Orbitpositionen 19,2° Ost und 28,2° Ost und zum anderen Eutelsat S. A. (Frankreich) mit den Hotbird-Satelliten vor allem auf den Orbitpositionen 13° Ost und 8° West. Diese Nachrichten- und Kommunikationssatelliten umkreisen die Erde auf sog. geostationären Positionen in ca. 36 000 km Höhe, so dass sie von der Erde aus betrachtet immer an demselben Ort stehen.[52] Von einer sog. Uplink-Satellitenschüssel (ca. 9 m Durchmesser) werden die Programminhalte zu dem entsprechenden Satelliten gesendet. Letzterer empfängt das Signal der Bodenstation auf dem Satelliten-Transponder (Signalweg mit einer Kapazität von 36 MHz), verstärkt es und sendet es zurück auf die Erde. In der großflächigen Empfangszone des Satelliten (footprint) kann – sofern eine Sichtverbindung gegeben ist – das Programmsignal mit einer Parabolantenne empfangen werden (ca. 60–90 cm Durchmesser). Bei der Satellitenverbreitung wird das Modulationsverfahren QPSK[53] verwendet, weshalb das Satellitensignal in eine für Fernsehgeräte taugliche Signalaufbereitung (QAM-Standard[54]) moduliert werden muss. Beim Direktempfang der Satellitensignale mit sog. Sat-ZF-Anlagen muss deshalb das Signal vom Zuschauer durch einen eigenen Satellitenreceiver zuvor aufbereitet werden, um auf dem Fernsehgerät dargestellt werden zu können. Diese Form der Signalmodulation mittels eines zusätzlichen Empfangsgeräts wird beim Aufbau von sog. SMATV-Anlagen[55] vermieden, da diese die Satellitensignale zentral für alle versorgten Haushalte im QAM-Standard aufbereiten und in der Regel über ein Hausverteilnetz