Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
der KEK zugerechnet oder von ihm exklusiv vermarktet werden, § 52b Abs. 4 RStV. Gem. § 52b Abs. 1 Nr. 3 darf der Kabelnetzbetreiber schließlich unter Beachtung der allgemeinen Gesetze die restlichen Kabelkapazitäten nach eigenen Auswahlkriterien belegen (non-must-carry).[72] Seit dem 10. RÄStV haben nach § 52b Abs. 1 Nr. 1 RStV nunmehr grundsätzlich alle öffentlich-rechtlichen Programme einen must-carry status. Dieser must-carry-Sstatus gilt derzeit jedoch nach weit verbreiteter Meinung nur für die in SD-Qualität verbreiteten Programme, so dass ein Plattformanbieter nicht verpflichtet ist, neben der Verbreitung von öffentlich-rechtlichen SD-Programmen zusätzlich auch noch die kapazitätsintensiven HD-Varianten dieser Programme zu verbreiten. Gesetzlich nicht geregelt ist jedoch die Frage, ob der must-carry status dann automatisch für HD-Programme gilt, wenn die vom must-carry-Status begünstigten Sender die SD-Verbreitung ihrer Programme auch über Satellit eingestellt haben, so dass sich ein Plattformbetreiber entweder veranlasst sieht, das ihm über Satellit zur Verbreitung zur Verfügung stehende Programm zu verbreiten oder das HD-Programm in eine SD-Qualität zu konvertieren.[73] Ferner hat der Plattformbetreiber in technischer Hinsicht Freiheiten bei der Verbreitung von Programmen, da er nicht verpflichtet ist, vorgefertigte Multiplexe/Programmpakete der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu verbreiten, sondern nur deren einzelne Programme bei der Verbreitung berücksichtigen muss. In gleicher Weise ist ein Plattformbetrieber nicht verpflichtet, die von Programmveranstaltern zusammen mit den Programmsignalen versendeten HbbTV-Signale zu verbreiten, da die HbbTV-Signale keinen integralen Bestandteil des Programmsignals darstellen noch einen Teletext oder eletronischen Programmführer darstellen, deren Verbreitung nach der Gesetzesbegründung zum 10. RÄStV auch von der must-carry-Regulierung des § 52b RStV erfasst sein soll. Vielmehr handelt es sich bei HbbTV Signalen um nicht-lineare vergleichbare Telemediendienste gem. § 52a Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 2 Nr. 13 RStV zu deren Verbreitung ein Plattformbetreiber nicht verpflichtet ist.[74]
Für eine Verbreitung von digitalen Hörfunkangeboten sieht § 52b Abs. 2 RStV eine entsprechende Regelung vor, die ergänzt wird in S. 3 durch Hinweise zum Verfahren bei Mischplattformen (mit Rundfunk- und Hörfunkprogrammen), die der Regelfall sind. Ob und inwieweit die landesrechtlichen Belegungsvorgaben für analoge Programme sowie die Regelung des § 52b RStV für den Plattformbetreiber unbedingte Übertragungsverpflichtungen begründet, ist derzeit Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Die öffentlich-rechtlichen Sendeunternehmen gehen nach der Kündigung ihrer Einspeiseverträge mit Vodafone und Unitymedia davon aus, dass die must-carry-Regelungen eine Verbreitungspflicht des Netzbetreibers begründen.[75] Die genannten Kabelnetzbetreiber sehen in den must-carry-Regelungen Belegungsvorgaben, bei deren Umsetzung zwischen den Sendeunternehmen und den Netzbetreibern ein entgeltlicher Einspeisevertrag abgeschlossen werden muss, der die Kompensation für die Nutzung der Übertragungskapazitäten regelt.[76]
37
Der Bundesgerichtshof wurde in der Folge mit den Urteilen verschiedener Instanzgerichte befasst und machte grundlegende Ausführungen zum Verständnis der must-carry-Regulierung. Danach hat das durch einen must-carry-Status begünstigte Sendeunternehmen eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 GWB, die dieser nicht missbräuchlich ausnutzen dürfe. Ferner seien die must-carry-Bestimmungen, die den Plattformbetreiber zu einer Einspeisung und Übertragung bestimmter gebührenfinanzierter Programme verpflichten, im öffentlichen Interesse geschaffen worden. Sie sollen danach sicherstellen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem Grundversorgungsauftrag nachkommen können, dienen jedoch nicht dazu, diese wirtschaftlich zu begünstigen. Die Einspeisung und Verbreitung hat daher zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen, deren Festlegung den Beteiligten obliegt.[77] Die Konditionen der Programverbreitung müssen zudem gem. § 52d RStV angemessen und diskriminierungsfrei ausgestaltet sein.[78]
38
Neben der zentralen Vorschrift der Kabelbelegung treffen den Kabelnetzbetreiber noch weitere Vorschriften der Plattformregulierung. Der Kabelnetzbetreiber ist als Plattformbetreiber jedoch nur für eigene Programme und Dienste, nicht aber für die Inhalte Dritter verantwortlich (§ 51a Abs. 2). Ob die in den Kabelnetzen verbreiteten Programme den medienrechtlichen Anforderungen genügen, wird von den Landesmedienanstalten insbesondere im Hinblick auf die Weiterverbreitung von ausländischen Programmen überprüft. Um den Landesmedienanstalten eine derartige Überprüfung zu ermöglichen, sind die Programmveranstalter bereits einen Monat vor Beginn der Programmeinspeisung verpflichtet, im Rahmen einer Weiterverbreitungsanzeige den Landesmedienanstalten mitzuteilen, welche Programme in Zukunft in ihren Netzen digital verbreitet werden (§ 51a Abs. 2).[79] Hierbei müssen die Programmveranstalter ihre rundfunkrechtliche Lizenz vorweisen und die Einhaltung medienrechtlicher Anforderungen versichern (z.B. Jugendschutz, Abgeltung von Urheberrechten etc.). Diese Einhaltung medienrechtlicher Standards durch ausländische Programmveranstalter wird einerseits durch das im Europarecht zur Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes eingeführte Anerkennungsprinzip sowie durch den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen[80] ermöglicht.
39
Als Plattformanbieter haben die Kabelnetzbetreiber ferner das Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot nach §§ 52c, 52d RStV zu beachten. Im Rahmen der Satzungsermächtigung des § 53 RStV haben die Landesmedienanstalten weitergehende konkretisierende Bestimmungen zur Plattformregulierung erlassen.[81]
3.2.2 Wettbewerbsrechtliche Regulierung
40
Die Kabelnetzbetreiber der Netzebene 3 schließen mit den Programmanbietern (Free-TV) sog. Einspeiseverträge, bei denen sich die Kabelnetzbetreiber zum Empfang, Einspeisung und Transport der Programmsignale und die Programmanbieter zur Entrichtung eines Einspeiseentgeltes verpflichten (Einspeisemarkt). Bei Verbreitung von Free-TV Programmen erbringen die Kabelnetzbetreiber gegenüber den Programmanbietern eine von diesen nachgefragte Transportdienstleistung (sog. Transportmodell). Die mit der Kabelverbreitung erzielte technische Reichweite des Programms ist ein entscheidender Faktor für die Bemessung der Werbeentgelte gegenüber der werbetreibenden Wirtschaft. Hiervon abzugrenzen ist die Verbreitung von Pay-TV-Programmen, bei denen der Kabelnetzbetreiber als Nachfrager von bestimmten Programmen auftritt. Der Kabelnetzbetreiber entrichtet an die jeweiligen Programmanbieter entsprechende Lizenzentgelte und wird im Gegenzug berechtigt, die Programme in eigenen Programmpaketen gegen ein entsprechendes Abonnemententgelt an Endkunden zu vermarkten. In diesem sog. Vermarktungsmodell steht nicht die Transportdienstleistung, sondern die Vermarktung eines eigenen Programmproduktes, welches aus ausgewählten Programmangeboten besteht, im Vordergrund. Für die Installation eines Kabelanschlusses und die Lieferung von Rundfunksignalen an die angeschlossenen Kabelnetzbetreiber der Netzebene 4, die Wohnungswirtschaft oder Privathaushalte, erhalten die Kabelnetzbetreiber ebenfalls ein entsprechendes Entgelt. Die Einspeiseentgelte vergüten Leistungen für den Programmempfang, die technische Aufbereitung der Signale sowie deren Verbreitung in den tieferen Netzebenen. Die Endkundenentgelte werden für die Verbreitung der Programme in den Verteil- und Anschlussnetzen entrichtet, so dass es hinsichtlich der Programmverbreitung in Kabelnetzen zu einer anteiligen Kostentragung durch Sender und Endkunden kommt. Sowohl die Einspeiseentgelte als auch die Endkundenentgelte unterlagen in der Vergangenheit der Preisregulierung durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP).[82] Nach Inkrafttreten des TK-Rechtsrahmens und nach Durchführung der Marktanalyse in dem von der Europäischen Kommission definierten Marktsegment, dem sog. Markt 18 (Markt für Rundfunkübertragungsdienste) und den Festlegungen der Präsidentenkammer zur Marktanalyse wurde diese Regulierung im Wesentlichen fortgeschrieben, so dass die drei großen Kabelnetzbetreiber der Netzebene 3 weiterhin einer nachträglichen Preisregulierung nach § 38 TKG im Einspeisemarkt unterlagen. Ferner unterlagen die Kabelnetzbetreiber der Netzebene 3 im sog. Signallieferungsmarkt hinsichtlich ihres Vorleistungsproduktes, dem Rundfunksignal, gegenüber Netzebene 4-Betreibern einer gesonderten nachträglichen Preisregulierung. Entgelte, die gegenüber den Kunden der Wohnungswirtschaft oder Einzelendkunden erhoben werden unterlagen keiner speziellen telekommunikationsrechtlichen Regulierung. Ferner mussten die regulierten Kabelnetzbetreiber ein Diskriminierungsverbot nach § 19 TKG und § 42 TKG beachten und zudem waren weitere Auflagen wie beispielsweise die Veröffentlichung eines Standardangebots nach § 23 TKG zu befolgen.[83] Aufgrund der seitens der EU-Kommission durchgeführten