Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
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Da auf einem digitalen Transponder im Gegensatz zu einem analogen Transponder, der nur 1 Programm verbreiten kann, 8-10 Fernsehprogramme in SD-Qualität verbreitet werden können, ist die Programmvielfalt beim digitalen Satellitenempfang um ein Vielfaches höher als beim analogen Empfang, und die Kosten der digitalen Verbreitung sind entsprechend niedriger. Dies führte letztlich dazu, dass sich die Rundfunkveranstalter in Zusammenarbeit mit SES Astra entschieden haben, die analoge Programmverbreitung über Satellit in Deutschland im Mai 2012 zu beenden.
Die Zahl der empfangbaren Programme kann seitens des Zuschauers bzw. Empfängers durch den Einsatz von sog. Twin-LNBs[56] vergrößert werden. Ein LNB empfängt die von der Satellitenschüssel eingefangenen und zurückgespiegelten Programmsignale und setzt diese für die kabelgestützte Weiterverbreitung zum Endgerät um. Sofern zwei LNB parallel eingesetzt werden (Twin-LNB) können die Satellitensignale von Transpondern zweier unterschiedlicher Satellitenpositionen empfangen werden (z.B. Astra und Hotbird), was zu einer erheblichen Ausweitung des empfangbaren Programmangebots führt.
2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
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Auch im Hinblick auf die Nutzung von satellitären Übertragungskapazitäten stellen sich allein schon wegen der großen Bedeutung dieses Übertragungsweges für die Rundfunkveranstalter medienrechtliche Zugangsfragen. Im Fokus stehen dabei die Bedingungen, unter denen Satellitenbetreiber ihre Übertragungskapazitäten (Transponder) an die Rundfunkveranstalter vermieten. Doch da die Satellitenbetreiber nicht in Deutschland ansässig sind, unterliegen die Betreiber der Satellitenplattformen bei der Vergabe der Transponderkapazitäten faktisch nicht dem rundfunkrechtlichen Regulierungsregime der Plattformregulierung nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 i.V.m. § 52 RStV ff.[57] Sowohl Eutelsat als auch SES Astra betreiben auch eigene digitale Verbreitungsplattformen für die Pay-TV Vermarktung und die Verschlüsselung von Free-TV-Programmen. Darüber hinaus hat SES Astra bereits im Jahr 2009 eine Programmplattform zur Verschlüsselung und Verbreitung von HDTV-Inhalten der RTL-Gruppe und ProSiebenSat.1-Gruppe entwickelt (sog. HD+-Plattform), die den Zuschauern Zugang zu diesen HD-Programmen nur gegen Bezahlung einer zusätzlichen Freischaltungsgebühr ermöglicht. Durch diese Programmplattform, die eine Programmplattform gem. § 2 Abs. 2 Nr. 13 i.V.m. § 52b Abs. 3 RStV darstellt, können die Programmveranstalter ihre Programmsignale mittels der eingesetzten Verschlüsselung schützen und zudem eine weitere Einnahmequelle erschließen, die sie somit weniger abhängig von Werbeeinnahmen machen. Zur Erbringung der hierzu benötigten technischen Dienstleitungen hat SES Astra seinerzeit den digitalen Play-Out Center (APS) von Premiere erworben,[58] um mit Hilfe dieser technischen Infrastruktur eine eigene Verbreitungsplattform aufzubauen, die in erster Linie Verschlüsselung, Multiplexing und den Satelliten-up-link ermöglicht. Diese Verbreitungsplattform von SES Astra mit Sitz in Unterföhring (Deutschland) unterliegt sowohl der Plattformregulierung nach §§ 52 ff. RStV als auch, im Hinblick auf den Betrieb des Verschlüsselungssystems, der Regulierung des § 50 TKG und des § 52c RStV. Einer Belegungsverpflichtung nach § 52b unterliegt die Programmplattform von SES Astra (HD Plus GmbH) jedoch wegen des Ausnahmetatbestandes des § 52b Abs. 3 RStV nicht, da sowohl die must-carry-Programme nach § 52b Abs. 1 Nr. 1 als auch ein vielfältiges Gesamtangebot nach § 52b Abs. 1 Nr. 2 (can-carry-Programme) mit einer Satellitenschüssel über die gleiche Orbitalposition in SD-Qualität empfangbar sind, die auch für die satellitäre Verbreitung der verschlüsselten HD-Programme der HD+-Plattform verwendet wird. Für die Frage des Betriebs von Satellitenverbreitungs- und -vermarktungsplattformen ist in Deutschland überdies die wettbewerbsrechtliche Regulierung durch das Bundeskartellamt von entscheidender Bedeutung.[59]
3.1 Übertragungstechnik
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Unter den klassischen Rundfunkverbreitungswegen wird das Breitbandkabelnetz in Deutschland meist als der Königsweg bezeichnet, da zumindest bis zum Jahr 2014 die meisten Fernsehhaushalte über diese Infrastruktur ihre Rundfunksignale bezogen. Trotz etwas rückläufiger Anschlusszahlen sind noch immer ca. 46 % der deutschen Fernsehhaushalte an diese Infrastruktur angeschlossen. Das überregionale Kabelverteilnetz wurde vormals von der Deutschen Bundespost zu Beginn der 80er Jahre aufgebaut und besteht teilweise noch immer aus einer Vielzahl einzelner Teilnetze, in die über sog. Kabelkopfstationen die in der Regel satellitär oder teilweise auch terrestrisch herangeführten Programmsignale eingespeist werden. In der Vergangenheit wurden die kleineren Teilnetze meist über AMTV-Richtfunkstrecken mit Programmsignalen versorgt, damit nicht an jeder einzelnen Kabelkopfstation der kostenintensive Empfang und die Programmaufbereitung aller Programme separat erfolgen muss.[60] Im Zuge der Modernisierung der Kabelnetzinfrastruktur, die durch eine Frequenzerweiterung und Einrichtung eines Rückkanals gekennzeichnet ist, wurden sowohl die Netzelemente im Verteilnetz als auch die Hausverteilanlagen weitgehend durch moderne Netzkomponenten ersetzt, so dass die Netze überregionaler Kabelnetzbetreiber ganz überwiegend aus Glasfaser bestehen. Insbesondere wurden aber die Teilnetze bzw. „Kabelinseln“ mittels großer Glasfaserringe miteinander verbunden, so dass die ehemaligen AMTV-Richtfunkstrecken oder auch der lokale Satellitenempfang durch eine leitungsgebundene Versorgung abgelöst wurden. Hierdurch entstehen teilweise große Netzcluster, die zumindest bei den drei großen Netzbetreibern Vodafone, Unitymedia und Telecolumbus mehrere Bundesländer umfassen.
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Bei der Verbreitung von Rundfunkinhalten von der Signalquelle bis zum Zuschauer werden verschiedene Verbreitungsetappen, sog. Netzebenen, unterschieden. Die Netzebene 1 verbindet die Studiotechnik des Programmveranstalters mit einer terrestrischen Sendestation, einem Satelliten-Uplink oder direkt mit einem Kabelnetz. Auf der Netzebene 2 wird das Programmsignal vom Satelliten-Uplink zu dem Satelliten-Transponder im All und von dort auf die Erde zurück zu einer Satelliten-Empfangsanlage (z.B. Kabelkopfstation oder einer Direktempfangsanlage) gesendet. Auf der Netzebene 3 werden die empfangenen Rundfunksignale durch die Kabelnetze großflächig in die Stadtgebiete bis in die Straßenzüge zu den einzelnen Häusern verteilt. In den Wohnhäusern befinden sich die sog. Hausverteilnetze (Netzebene 4), welche über die meist im Keller gelegenen Übergabepunkte mit dem Kabelnetz der Netzebene 3 verbunden sind und von dort aus die einzelnen Wohneinheiten versorgen. In den Wohnungen selbst wird das Fernsehgerät mit einem Antennenkabel (Netzebene 5) an das Hausverteilnetz angeschlossen. Anders als international üblich, existiert in Deutschland die strukturelle Besonderheit, dass die Eigentumsverhältnisse an der Netzebene 3 und 4 überwiegend getrennt sind. So wird die Netzebene 3 in der Regel von den Kabelgesellschaften Vodafone, die die Kabel Deutschland erworben hat, und Unitymedia betrieben. Die Netzebene 4 wird nur teilweise von den vorgenannten Gesellschaften der Netzebene 3 betrieben. Vielmehr steht die Netzebene 4 entweder im Eigentum von professionellen Netzebene 4-Betreibern, der Wohnungswirtschaft oder von Endkunden. Die sog. Netzebene 4-Betreiber (wie beispielsweise teilweise die Telecolumbus) schließen sich entweder an die Netze der Netzebene 3-Betreiber an, um die Rundfunksignale aus deren Netzen zu empfangen und an die Endkunden weiterzuverkaufen, oder aber sie bauen eigene Kabelkopfstationen auf (eigene Netzebene 3-Technik) mit denen sie kleinere Netzinseln bestehend aus Netzebene 3 und Netzebene 4 mit Rundfunksignalen versorgen. Der Bereich der Endkunden besteht zum einen aus großen Wohnungsbaugesellschaften, die die Rundfunksignale für ihre Mieter beziehen und diesen im Rahmen der Nebenkostenabrechnung[61] in Rechnung stellen und zum anderen aus Privatleuten, die beispielsweise in Einfamilienhäusern das Hausverteilnetz selbst errichtet haben und dieses selbständig betreiben.
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Das herkömmliche Kabelnetz wird in einem Frequenzbereich von ca. 40–862 MHz genutzt. In diesem Frequenzspektrum werden die vorhandenen Kabelkanäle überwiegend für digitale Dienste wie Digital-TV, Video-On-Demand, Internet und Telefonie verwendet. In den meisten Kabelnetzen werden jedoch in der Regel noch über 30 Kanäle in analoger Form für Fernseh- und Radioangebote verwendet. Im Gegensatz zu einem analogen Kabelkanal können auf einem digital genutzten Kabelkanal statt nur einem in der Regel