Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
und LTE-Netze (LTE kann unter Laborbedingungen Übertragungsgeschwindigkeiten bis zu 300 Mbit/s erzielen) ist zwar bereits seit längerer Zeit möglich, jedoch ist die Struktur des für die Individualkommunikation entwickelten Mobilfunk-Netzes, das die Verbreitung der Inhalte an kleinere Funkzellen vorsieht, nicht für eine große Anzahl zeitgleicher Abrufe aus der gleichen Funkzelle ausgelegt. Aufgrund der auftretenden Frequenzengpässe beim zeitgleichen Abruf von Fernsehprogrammen in Mobilfunk-Netzen (insbesondere bei der Übertragung von HD- oder UHD-Programmen) und den meist verbrauchsabhängigen Mobilfunktarifen sind diese Netze für die datenintensive TV-Nutzung bislang nur eingeschränkt massentauglich. In den Focus der öffentlichen Diskussion traten vormals zwei spezielle Übertragungsverfahren, die auf vorhandene digital terrestrische Rundfunknetze aufbauen und speziell für die Übertragung audio-visueller Inhalte auf mobile Endgeräte entwickelt wurden und parallel verwendet werden können. So nutzt der Übertragungsstandard DMB (Digital Multimedia Broadcast) schmalbandige Datenkanäle des DAB-Netzes, welches ursprünglich nur auf die digitale Radioverbreitung ausgerichtet war und bereits bundesweit ausgebaut ist.[100] Hingegen greift der DVB-H Standard auf die breitbandigen Frequenzen des DVB-T „Fernsehnetzes“ zurück.[101] Diese unterschiedlichen Netztopologien bewirken, dass für die Übertragung audio-visueller Inhalte unterschiedlich hohe Datenraten zur Verfügung stehen. Bei DVB-H stehen den Programmen zwischen 3–4 Mbit/s zur Verfügung. Hingegen können beim DMB-Standard nur Datenraten von 0,2–0,4 Mbit/s durch ein Programm genutzt werden. Nachdem die Versuche zur Einführung von DMB und DVB-H in Deutschland als gescheitert angesehen werden müssen, ruhen nun die Hoffnungen auf der LTE-Technologie (Long Term Evolution bzw. 4G), die im Jahr 2011 zunächst mit dem Fokus auf der Versorgung der ländlichen Regionen mit breitbandigen Internetanschlüssen eingeführt wurde, sowie auf der zukünftigen 5G-Technologie. Die für LTE verwendeten ehemaligen terrestrischen Rundfunkfrequenzen, die in den Jahren 2010 und 2014 im Rahmen der sog. „Digitalen Dividende I“ (zwischen 790 MHz und 862 MHz) und „Digitale Dividende II“ (zwischen 690 MHz und 790 MHz) für terrestrische Internetdienste verfügbar gemacht wurden, haben aufgrund ihrer relativ niedrigen Frequenzen gute Ausbreitungseigenschaften. Deshalb können die LTE-Netzbetreiber über diese Funkfrequenzen Internet-Übertragungsgeschwindigkeiten von mindestens 5 Mbit/s je Nutzer gewährleisten – je nach verwendeter Version von LTE sind theoretisch sogar bis zu 300 Mbit/s im download möglich (LTE Advanced). Bei der zukünftigen LTE-Version 5G sind theoretisch sogar bis zu 10 Gbit/s download-Geschwindigkeit realisierbar. Auf der Basis großer LTE-Bandbreiten sowie der zunehmenden Verfügbarkeit von WLAN-Hotspots sowie der Einführung von verbrauchsunabhängigen Mobilfunktarifen werden folglich verstärkt audiovisuelle Inhalte über mobile Endgeräte genutzt werden, weshalb Mobile-TV mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Verbreitungsstrategien von Sendeunternehmen und Plattformanbietern wurde.
5.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
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UMTS und LTE sind derzeit die einzigen terrestrischen Sendenetze für Mobile-TV.[102] Die LTE-Technologie nutzt neben dem Frequenzbereich oberhalb von 1 800 MHz vor allem das Frequenzspektrum von 690–862 MHz. Die Bundesnetzagentur hat diese Funkfrequenzen im Jahr 2010 und 2014 an die etablierten Mobilfunkunternehmen versteigert und hierbei zur Auflage gemacht, den Netzbetrieb zuerst in den ländlichen Gegenden aufzubauen, um in den sog. „weißen Flecken“ eine breitbandige Internetversorgung zu gewährleisten. Die Nutzung dieser ehemaligen Rundfunkfrequenzen für Internetdienste ist sowohl ein Element der Digitalen Agenda der EU-Kommission[103] als auch ein wichtiger Aspekt der Breitbandstrategie der Bundesregierung.[104]
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Die über Mobilfunknetze verbreiteten linearen Programmangebote unterfallen dogmatisch auch einer Plattformregulierung nach § 52 RStV. Bisher nutzen jedoch vor allem bereits etablierte Plattformbetreiber wie Deutsche Telekom oder Vodafone die mobile TV-Verbreitung als Ergänzung zur vorrangig vorgenommenen Programmverbreitung über deren Festnetzinfrastrukturen. Aber auch sog. OTT-Anbieter wie zattoo nutzen ebenfalls die Verbreitung über Mobilfunknetze für ihren Plattformbetrieb.
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Aus urheberrechtlicher Sicht kann Mobile-TV zwar nicht als eigenständige Nutzungsart gegenüber den herkömmlichen Verbreitungsformen von TV und Radio angesehen werden, da alle linearen Sendevorgänge unabhängig von der verwendeten Infrastruktur zunächst dem Senderecht nach § 20 UrhG unterfallen. Jedoch werden im Hinblick auf die Verbreitung von Programmen über diese terrestrischen Sendenetze Parallelen zu der speziellen Regelung der Kabelweitersendung nach § 20b UrhG gezogen.[105] Hierbei offenbaren sich jedoch erneut die bei der Kabelverbreitung bekannten und aus einer fehlenden Technologieneutralität des Urheberrechts resultierenden Probleme und Streitstände bei der urheberrechtlichen Bewertung von Verbreitungsvorgängen. Im Gegensatz hierzu ist eine wettbewerbsfördernde technologieneutrale Regulierung bereits in § 1 TKG zum Zweck des Telekommunikationsgesetzes erhoben worden. Im Hinblick auf die stetig wachsende Bedeutung der mobilen Rundfunkverbreitung hat die EU-Kommission nunmehr das Bedürfnis der Marktteilnehmer erkannt, Rechtssicherheit für die drahtlose Verbreitung von Rundfunkinhalten zu schaffen und präferiert eine Übertragung der erfolgreichen Lizenzierungsprinzipien der SatCab-Richtlinie – Ursprungslandprinzip und Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit – auf mobile-TV.[106]
1.1 Zugangsberechtigungssysteme: Nutzen und Technik
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Die Verwendung von Zugangsberechtigungssystemen hat aus mehreren Gründen eine große und stetig wachsende wirtschaftliche Bedeutung. Hierbei spielen die Verwertung urheberrechtlich geschützter Nutzungsrechte und die kommerzielle Entwicklung neuer Angebotsformen und Inhalte sowie Aspekte der Netzsicherheit eine entscheidende Rolle. Im Vordergrund des wirtschaftlichen Interesses steht hierbei die Möglichkeit, mit Hilfe von Zugangsberechtigungssystemen den Zugriff auf Programminhalte für jeden einzelnen Nutzer zu steuern. Dadurch wurde die technische Voraussetzung geschaffen, um eine inhaltlich differenzierte und individualisierte Abrechnung von Rundfunkdiensten zu ermöglichen. Rechtlich und ökonomisch höchst bedeutungsvoll ist dabei vor allem, dass Senderechte gegenständlich aufspaltbare Nutzungsrechte sind, die sowohl zeitliche als auch räumliche sowie quantitative Beschränkungen ermöglichen,[107] so dass aus urheberrechtlicher Sicht die Verwertungskaskade[108] von Programminhalten um neue Lizenzstufen bereichert wird.[109] Erst durch die Verschlüsselung der Programminhalte und die damit ermöglichte Zugangskontrolle kann der Rechteinhaber seine Programmrechte etappenweise auswerten und sein durch das Urheberrecht vermittelte Ausschließlichkeitsrecht in einer Weise ausüben, dass er durch den Einsatz dieser Zugangstechniken praktisch in die Lage versetzt wird, über die Art, den Umfang und die Bedingungen der Nutzung seiner Rechte zu bestimmen.[110] In Ausübung dieses Herrschaftsrechts über die Nutzung des eigenen Programms kann der Veranstalter bzw. Rechteinhaber beispielsweise der Pay-TV-Auswertung einen zeitlichen Vorsprung vor der Free-TV-Auswertung einräumen, Senderreichweiten bestimmen und eine territoriale Abgrenzung des Lizenzgebietes vornehmen.[111] Um insbesondere bei der satellitären Programmverbreitung die exklusive Lizenzauswertung im Nachbarland nicht zu beeinträchtigen (z.B. bei wertvollen Sportrechten wie Champions League), was wegen der weitreichenden Ausleuchtzone der Satellitensignale jedoch regelmäßig der Fall ist, verlangen die Lizenzgeber im Fall der digitalen Programmverbreitung eine Verschlüsselung, um der territorialen Beschränkung des Nutzungsrechts gerecht zu werden.[112]
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Zugangsberechtigungssysteme gestatten den Zugriff auf Programminhalte nur den berechtigten Nutzern, die ihre Nutzungsberechtigung bzw. Autorisierung mittels der auf einer Smart Card gespeicherten Daten nachweisen können. Das Kernstück eines Zugangsberechtigungssystems ist eine Codierungs-Software. Sie dient einerseits der Verschlüsselung von Programmsignalen beim Sendevorgang und andererseits ermöglicht sie empfängerseitig die Entschlüsselung dieser Signale. Bei funktionaler Betrachtung besteht ein Zugangsberechtigungssystem aus einer Vielzahl unterschiedlicher Komponenten. Hierzu zählen senderseitig das Subscriber Authorisation System (SAS), eine Software, deren zentraler Bestandteil