Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
ihrer Medienangebote unterliegt die freie unternehmerische Betätigung Schranken, die zu Verboten im Hinblick auf den Erwerb anderer Medienunternehmen führen können. Dieses Ergebnis ist aus unternehmerischer Sicht oft unverständlich und schwer hinnehmbar. Es liegt aber im Ansatz rundfunkrechtlich nahe, zumal die konzentrationsrechtliche Sicherung das wirtschaftliche Fortkommen eines Unternehmens nicht im Auge hat.[23] Es geht vielmehr allein um die Sicherung von Meinungsvielfalt in einem funktionsfähigen Wettbewerb der Rundfunkveranstalter, damit die Möglichkeit einer unabhängigen Meinungsbildung erhalten bleibt. Durch die 9. Novelle des GWB[24] haben die digitalen Märkte nun mehr Berücksichtigung gefunden. Dies ist insofern von besonderer Relevanz als die Konvergenz der Medien und der zunehmende Fokus auf der Digitalisierung den Wettbewerb beeinflusst und verändert. Die Novelle sieht durch die Einfügung des § 30 Abs. 2b GWB als bereichsspezifische Sonderregelung vor, dass Kooperationen von Presseverlagen im verlagswirtschaftlichen Bereich erleichtert werden, um diese zu stärken.[25] Ein weiteres Ziel ist eine Verbesserung der verfahrensrechtlichen Zusammenarbeit der Kartellbehörden mit den Landesmedienanstalten, der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) und den Datenschutzbehörden.[26]
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Da sich das Medienkonzentrationsrecht auf Bundesebene[27] allein an bundesweiten Zuschaueranteilen orientiert, wird es insbesondere im Landesrecht zunehmend als unzureichend begriffen. Neben den Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag etablieren sich daher neue Ansätze. Etwa Nordrhein-Westfalen verabschiedete Ende 2009 ein neues Landesmediengesetz, in dessen Fokus konzentrationsrechtliche Regelungen im Hinblick auf mediengattungsübergreifende Beteiligungen von Verlegern an Rundfunkunternehmen stehen.[28]
2. Rundfunkbegriff
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Neue Angebotsformen via Internet gewinnen im modernen Rundfunkrecht an Bedeutung und sind als Informations- und Unterhaltungsmedien aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie erreichen den Nutzer per Fernseher, Desktop und insbesondere auch auf mobilen Endgeräten. Dennoch nimmt der Rundfunk und namentlich das Leitmedium Fernsehen[29] aufgrund seiner „Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft“[30] nach wie vor eine Sonderstellung in der Medienrechtsordnung ein.[31] Dem durchschnittlichen Rezipienten sind auch in Zeiten immer weiter Platz greifender multimedialer Techniken keine Informations- und Unterhaltungsmedien so nah wie Fernsehen und Radio. Allerdings ermöglicht die fortschreitende mediale Konvergenz[32] den Nutzern, die klassischen Medieninhalte in gleicher Weise über das Internet abzurufen. Dieses wird damit zunehmend als Transportweg wahrgenommen. So kann der Nutzer das laufende Rundfunkprogramm über den OTT-Dienst Zattoo mittels App oder im Browser fast zeitgleich über das Internet abrufen. Schließt er sein Gerät an den Bildschirm seines TV-Gerätes an oder nutzt er Angebote wie Apple-TV oder Amazon Fire TV kann er den OTT-Dienst direkt am TV ansteuern und mit einer Fernbedienung zwischen den Sendern wählen. Insoweit ist es für den Nutzer im Ergebnis kaum noch relevant und unterscheidbar auf welchem Verbreitungsweg er Rundfunk konsumiert. Zudem hat das Internet aber auch durch die Übermittlung eigener Inhalte an Bedeutung gewonnen und tritt insoweit zunehmend in Konkurrenz zu Rundfunk und Printmedien, wobei im Rahmen der jüngeren Zielgruppe zwischen 14 und 29 Jahren schon seit geraumer Zeit Verschiebungen zu Lasten dieser Medien erkennbar sind.[33]
2.1 Der klassische Rundfunkbegriff
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Der Begriff des Rundfunks wird in der Verfassung nicht definiert, sondern vorausgesetzt,[34] wobei auch das BVerfG nicht mit einer Bestimmung des sich aus seiner Sicht wandelnden[35] Begriffs aufwartet.[36] Dieser ist unter Berücksichtigung der Bedeutung des Rundfunks für die Demokratie entwicklungsoffen, also weit und dynamisch auszulegen, damit er neue technische Möglichkeiten und Verbreitungsformen erfassen kann, die seiner Funktion dienen.[37]
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Nach der engeren[38] einfachgesetzlichen[39], Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG konkretisierenden Definition des § 2 Abs. 1 S. 1 RStV ist „Rundfunk ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Der Begriff schließt Angebote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind.“ Der Rundfunkbegriff setzt also den Empfang eines an die Allgemeinheit gerichteten Angebots voraus, das mittels Funktechnik verbreitet wird („unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen“). Seit dem 12. RÄStV verzichtet die einfachgesetzliche Definition auf den Begriff der Darbietung und setzt stattdessen auf das Merkmal des zeitgleichen Empfangs. Daraus folgt, dass Rundfunk ausschließlich lineare Angebote erfasst, also solche, deren Start- und Endzeitpunkt nicht aktiv durch den Zuschauer beeinflusst werden kann.[40]
2.2 Rundfunkbegriff und Neue Medien
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Die Neuen Medien und neuen Dienste stellen den Rundfunkbegriff vor besondere Probleme.[41] Sie hängen mit der Vermehrung der Verbreitungswege und den neuen Erscheinungsformen von Medieninhalten zusammen. Rundfunk wird heute hauptsächlich über Breitbandkabel (45,9 %) und Satellit (46,5 %) verbreitet. Die Terrestrik spielt mit 9,0 % eine wachsende Rolle[42] (seit Frühjahr 2017 nach knapp einjähriger Testphase mit DVB-T2[43]). Immer größere Relevanz kommt zudem der Verbreitung per IP-Protokoll (IP-TV) über DSL-Leitungen im Internet zu (6,2%, 2015 waren es noch 4,8 %).[44] Durch den fortschreitenden Ausbau der VDSL2-Netze und der damit verbundenen Möglichkeit, wesentlich höhere Datenmengen zu übertragen, erlangt diese Verbreitungsform immer mehr praktische Relevanz.[45] Das Internet ermöglicht ferner über die klassischen Mediengattungen hinweg individuelle Zugriffe auf mannigfaltige Angebote. Dadurch entwickeln sich die Nutzergewohnheiten immer mehr weg von linearen sog. laid-back Angeboten – also ohne Einflussnahme des Rezipienten – hin zu nicht linearen, sog. lean-forward Diensten. Durch das mittlerweile verbreitete sog. „Timeshift-TV“ ist es dem Nutzer möglich, in einer nicht linearen Angebotsstruktur über virtuelle, auf einem Server installierte sog. network-based Personal Video Recorders („nPVR“), die Reihenfolge des Empfangs selbst zu bestimmen.
2.2.1 Strukturprobleme des Rundfunkbegriffs
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Unbestritten erfasst der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff Hörfunk und Fernsehen.[46] Es drängt sich aber die Frage auf, ob auch neue Erscheinungsformen unter diesen Begriff zu subsumieren sind. Praktisch wird hierdurch der Programmbereich des klassischen Rundfunks erweitert. Es entstehen Spartenprogramme, unterschiedliche Formen von Pay-TV und neue Angebotsformen, vor allem in Gestalt von Online-Diensten zum Abruf. Der Rundfunkstaatsvertrag unterscheidet einfachgesetzlich zwischen Rundfunk und Telemedien. Die bis zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag umstrittene Frage der einfachgesetzlichen Abgrenzung zwischen diesen beiden Begriffen hat sich durch die Anpassung des Rundfunkbegriffs an die Definition der linearen audiovisuellen Mediendienste (Fernsehprogramme) weitgehend geklärt.[47] Diese Definition entstammt ursprünglich der Richtlinie 2007/65/EG (sog. Fernsehrichtlinie)[48], die 2010 ersetzt worden ist.[49] Gleichwohl ist die Einordnung neuer Angebotsformen weiterhin mit Schwierigkeiten verbunden.
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Den Schutz der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abgeleiteten Rundfunkfreiheit genießt auch die elektronische Presse.[50] Sie kann entweder als andere Form des Printblattes mit demselben Inhalt digital verfügbar sein oder aber als eigenständiger Auftritt mit selbstständiger Redaktion als mediale Mischform auftreten. Sämtliche Printerzeugnisse sind mittlerweile entweder kostenfrei oder gegen Entgelt als Applikation für mobile Endgeräte verfügbar, in denen neben den im Magazin zu findenden Artikeln regelmäßig auch Hintergrundinformationen (z.B. in Form von Bewegtbildern) abrufbar sind. Derartige Erscheinungsformen, die Elemente unterschiedlicher Mediengattungen in sich vereinen, werfen besondere Einordnungsprobleme auf. Es bereitet zwar keine Probleme eine Tageszeitung, deren Inhalt