Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
zum persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind nur im Bundesgebiet eingeräumt wurde (§ 3 Abs. 5 Nr. 4 FreizügG/EU).
Wird das abgeleitete Aufenthaltsrecht rechtsmissbräuchlich begründet, z.B. im Falle der Scheinehe[8], besteht kein Recht auf Freizügigkeit.
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Freizügigkeit genießen schließlich auch die einem Mitgliedstaat angehörenden Studenten, sofern diesen nicht aufgrund anderer Bestimmungen ein Aufenthaltsrecht zusteht.[9]
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Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist als Einschränkung des Rechts der Freizügigkeit eng auszulegen.[10] Hiervon ausgehend sind bei strafrechtlichen Verurteilungen folgende Gesichtspunkte zu beachten:
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Eine strafrechtliche Verurteilung führt – auch bei schweren Straftaten – nicht automatisch zum Rechtsverlust;[11] die Aberkennung erfordert stets eine Abwägung des Einzelfalls sowie eine Zukunftsprognose, d.h. die Feststellung einer Wiederholungsgefahr. Auch insoweit gilt, dass „einschlägige strafrechtliche Entscheidungen“ bei Prüfung der Gefahrenprognose zu berücksichtigten sind;[12] der Wortlaut der Anwendungshinweise sieht insoweit keine Beschränkung vor, so dass auch Entscheidungen nach §§ 57, 57a StGB Beachtung finden müssen. Eine Bindung der Behörde vermag die strafrechtliche Entscheidung jedoch auch hier nicht zu bewirken[13] (vgl. oben Rn. 84).
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Aus der Schwere der Tat allein kann nicht auf das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr geschlossen werden;[14] umgekehrt ist es der Behörde allerdings nicht verwehrt die Gefahrenprognose auf die Begehung lediglich einer einzigen schwerwiegenden Tat zu stützen.[15]
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Sind Vorstrafen aus dem Bundeszentralregister getilgt, bleiben diese bei der Entscheidung unberücksichtigt.[16]
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Generalpräventive Erwägungen stellen somit keine Einzelfall bezogene Prüfung dar und sind somit ausnahmslos unzulässig.[17]
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Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten „leichter Kriminalität“ sind selbst im Falle wiederholter Begehung nicht geeignet die Aberkennung des Aufenthaltsrechts zu begründen.[18]
Hinweis
Geht das Verhalten des Ausländers auf eine Krankheit zurück, normiert Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG ein Ausweisungsverbot. Dieses gilt jedoch nicht absolut; gefährdet der Ausländer durch sein persönliches Verhalten die öffentliche Ordnung konkret und hinreichend schwer, kann auch krankheitsbedingtes Handeln die Aberkennung des Aufenthaltsrechts rechtfertigen.[19]
bb) EU-Ausländer mit Daueraufenthaltserlaubnis
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Nach Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts (§ 4a FreizügG/EU) kann das Aufenthaltsrecht nur bei Vorliegen „schwerwiegender Gründe“ aberkannt werden.
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Obwohl § 6 Abs. 4 FreizügG/EU, anders als die Vorgängerregelung (§ 6 Abs. 3 FreizügG/EU a.F.) auf das Wort „besonders“ verzichtet, besteht Einigkeit dahingehend, dass das Schutzniveau durch die Neufassung nicht abgesenkt worden ist.[20]
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Gefordert wird eine gegenüber der ersten Stufe gesteigerte Intensität der Gefährdung, die in der Regel die Verurteilung wegen eines Verbrechens oder besonders schwerwiegender Vergehen voraussetzt;[21] notwendig und ausreichend ist auch insoweit eine konkrete Wiederholungsgefahr.[22]
cc) EU-Ausländer mit langjährigem Aufenthalt
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EU-Ausländer, die sich mehr als 10 Jahre im Bundesgebiet aufhalten, genießen den größten Schutz; diesen kann das Aufenthaltsrecht nur aus „zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit“ aberkannt werden.[23] Gleiches gilt für Minderjährige, vorausgesetzt der Verlust des Aufenthaltsrechts ist nicht zum Wohle des Kindes erforderlich. Im Einzelnen gilt Folgendes:
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Soweit das Gesetz auf eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mind. 5 Jahren abstellt, wird dadurch lediglich eine „Untätigkeitsschwelle“ normiert.[24] Wird das Strafmaß überschritten, ist gleichwohl eine umfassende Prüfung des Einzelfalls erforderlich. Die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland werden in der Regel nur bei schwersten Straftaten in Verbindung mit einer Wiederholungsgefahr betroffen sein, was – außer bei terroristischen Gefahren – regelmäßig nur dann der Fall sein wird, wenn die Bevölkerung allgemein gefährdet ist, z.B. im Bereich der Drogen[25]– oder Organisierten Kriminalität oder bei Anordnung der Sicherungsverwahrung.[26]
Hinweis
Der Aufenthalt über einen Zeitraum von zehn Jahren muss rechtmäßig gewesen sein.[27]
b) Rechtsfolge
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Vor Änderung der Rechtslage war u.a. zu prüfen, ob der EU-Ausländer erhöhten Ausweisungsschutz gemäß Art. 3 ENA bzw. aus bilateralen Abkommen genießt.[28] Da weder Art. 3 ENA noch entsprechende Abkommen – vgl. Art. 3 Abs. 1 des Niederlassungs- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik, Art. 2 Abs. 1 des Niederlassungs- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland und Art. 2 Abs. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik – einen über § 6 FreizügG/EU hinausgehenden Schutz gewähren, ist dieser indes bedeutungslos geworden.[29]
Anmerkungen
6.0 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 9/10.
Bergmann/Dienelt-Bauer vor §§ 53–56 AufenthG Rn. 54.
Norwegen, Liechtenstein und Island.
Vgl. Bergmann/Dienelt-Bauer vor §§ 53–56 AufenthG Rn. 61.
Vgl. Kloesel/Christ/Häußer § 1 AufenthG/EWG Rn. 7–9 m.w.N.
Zum Freizügigkeitsrecht bei ausgeübter Prostitution vgl. BVerwG DVBl. 2003, 478.
Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53 AufenthG Rn. 45.
Vgl.