Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
Anmerkungen
Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53–56 AufenthG Rn. 69 ff.
Vgl. Rn. 522.
Vgl. Rn. 264.
Vgl. Rn. 697.
Vgl. Rn. 252.
Vgl. Rn. 457.
Vgl. Rn. 249.
Vgl. Rn. 539.
Vgl. Rn. 75 ff., 90, 118.
Vgl. Rn. 120.
Vgl. Rn. 120.
Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht
Inhaltsverzeichnis
I. Besonderheiten im sog. Kernstrafrecht
II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz
III. Ordnungswidrigkeiten nach dem Aufenthalts-, Asyl- und FreizügG/EU
123
Effektive Strafverteidigung setzt die Kenntnis des materiellen (Straf-)Rechts voraus; obwohl dies eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint, werden die insoweit gegebenen Verteidigungschancen vielfach vernachlässigt. Fehlerhafte Anklageschriften und/oder Urteile stellen keine Seltenheit dar, so dass im Bereich des materiellen Rechts oftmals beachtliche Erfolge erzielt werden können. Dies gilt in besonderem Maße für die Verteidigung von Ausländern, da hier zahlreiche materiell-rechtliche Besonderheiten zu beachten sind.
Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › I. Besonderheiten im sog. Kernstrafrecht
I. Besonderheiten im sog. Kernstrafrecht
124
Die Gründe normabweichenden Verhaltens sind vielfältig; im Bereich der Ausländerkriminalität beruhen diese nicht selten auf abweichenden Wertvorstellungen. Inkriminiertes Verhalten wird von Ausländern oft als weniger strafwürdig oder gar straflos eingestuft, so dass entsprechende Anschauungen bei der Auslegung einzelner Straftatbestände – z.B. den Mordmerkmalen – von erheblicher Bedeutung sein können. Neben herkunftsgeprägten Vorstellungen gilt es auch weitere Besonderheiten zu beachten, die ihre (un-)mittelbare Ursache in der Ausländereigenschaft des Täters finden können.
Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › I. Besonderheiten im sog. Kernstrafrecht › 1. Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuchs
aa) Art. 4 GG
125
Heftig umstritten ist, ob und inwieweit aus der in Art. 4 GG garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund hergeleitet werden kann; zuletzt wurde dies im Zusammenhang mit der religiös motivierten Beschneidung von Jungen erörtert[1].
In der dazu ergangenen Grundsatzentscheidung des BVerfG[2] heißt es u.a. wörtlich:
„Wer sich in einer konkreten Situation durch seine Glaubensüberzeugung zu einem Tun oder Unterlassen bestimmen lässt, kann mit den in der Gesellschaft herrschenden sittlichen Anschauungen in Konflikt geraten. Verwirklicht er durch dieses Verhalten nach herkömmlicher Auslegung einen Straftatbestand, so ist im Lichte des Art. 4 Abs. 1 GG zu fragen, ob unter den besonderen Umständen des Falles eine Bestrafung den Sinn staatlichen Strafens überhaupt noch erfüllen würde. Ein solcher Täter lehnt sich nicht aus mangelnder Rechtsgesinnung gegen die staatliche Rechtsordnung auf; das durch die Strafdrohung geschützte Rechtsgut will er auch wahren. Er sieht sich aber in eine Grenzsituation gestellt, in der die allgemeine Rechtsordnung mit dem persönlichen Glaubensgebot in Widerstreit tritt und fühlt die Verpflichtung, hier dem höheren Gebot des Glauben zu folgen. Ist diese Entscheidung auch objektiv nach den in der Gesellschaft allgemein herrschenden Wertvorstellungen zu missbilligen, so ist sie doch nicht mehr in dem Maße vorwerfbar, dass es gerechtfertigt wäre, mit der schärfsten der Gesellschaft zu Gebote stehenden Waffe, dem Strafrecht, gegen den Täter vorzugehen. Kriminalstrafe ist – unabhängig von ihrer Höhe – bei solchen Fallgestaltungen unter keinem Aspekt (…) eine adäquate Sanktion.“
Wenn auch die Reichweite der Entscheidung im Einzelnen umstritten ist,[3] belegt sie doch, dass normabweichendes Verhalten vom Grundrecht der Glaubensfreiheit gedeckt sein kann.
Hinweis