Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
zu (§§ 243, 245 Nr. 1–3 AktG). Die Anfechtungsbefugnis ist auf eine allgemeine Beschlusskontrolle gerichtet.[32] Anfechtungsgründe sind die Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 243 Abs. 1 AktG) sowie die unzulässige Verfolgung von Sondervorteilen (§ 243 Abs. 2 AktG).[33] Klageberechtigt sind nach § 245 Nr. 1–3 AktG: (1) die Aktionäre, die an der Hauptversammlung teilgenommen, Aktien bereits vor Bekanntmachung der Tagesordnung erworben und gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben; (2) die Aktionäre, die an der Hauptversammlung nicht teilgenommen haben, weil sie zu Unrecht nicht zugelassen wurden, die HV nicht ordnungsgemäß einberufen wurde oder der Gegenstand der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde; (3) die Aktionäre, die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben haben und den Anfechtungsgrund des § 243 Abs. 2 AktG geltend machen. Die persönlichen und materiellen Beschränkungen des Anfechtungsrechts dienen – ebenso wie die Anfechtungsfrist von einem Monat (§ 246 Abs. 1 AktG) – der Rechtssicherheit.[34]
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Neben den Anfechtungsrechten hat der BGH das Recht jedes einzelnen Aktionärs anerkannt, die Kompetenzeinhaltung der Verwaltung gerichtlich überprüfen zu lassen.[35] Damit soll die Effektivität der Wächterrolle der Aktionäre im Hinblick auf HV-Beschlüsse geschützt und die Schutzlücke geschlossen werden, die entsteht, wenn die Verwaltung unter Verstoß gegen die Kompetenzordnung die Zuständigkeit der HV umgeht.[36]
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Das Stimmrecht[37] ist in §§ 12, 133 ff. AktG geregelt. Es stellt den Kern der Verwaltungsrechte dar und ist – mit Ausnahme von Höchststimmrechten,[38] und stimmrechtslosen Vorzugsaktien – dem Aktionär grundsätzlich im Umfang seiner Beteiligungsquote zugewiesen (proportionales Stimmrecht). Das Stimmrecht entsteht mit vollständiger Leistung der Einlage (§ 134 Abs. 2 S. 1 AktG). Es ist grds. unentziehbar, kann allerdings im Einzelfall ausgeschlossen sein. Dies gilt namentlich für das Stimmrecht eines Aktionärs, der aufgrund des betreffenden Beschlusses entlastet, von einer Verbindlichkeit befreit oder durch die Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll (§ 136 AktG), um in diesen Fällen die individuelle Interessenkollision zu vermeiden.[39] Das Stimmverbot des § 136 AktG wird erweitert durch das des § 142 Abs. 1 S. 2, 3 AktG, dem zufolge ein Verwaltungsmitglied bei der Bestellung von Sonderprüfern nicht mitstimmen darf, wenn sich die Sonderprüfung auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Verwaltungsmitglieds oder der Einleitung eines Rechtsstreits gegen ein Verwaltungsmitglied zusammenhängen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang schließlich das Stimmverbot des § 328 Abs. 3 AktG für die Aufsichtsratswahl bei einer börsennotierten AG, sofern eine wechselseitige Beteiligung vorliegt.
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Neben den vorgenannten Individualrechten sieht das AktG bestimmte Minderheitenrechte vor, die – abhängig von einer Mindestbeteiligung – einzelnen Aktionären oder Aktionärsgruppen zugewiesen sind. Zu nennen sind hier vor allem
– | das Vetorecht gegen den Verzicht auf oder den Vergleich über Ersatzansprüche gegen Vorstand (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG)[40] oder Aufsichtsrat (§§ 116 i.V.m. 93 Abs. 4 S. 3 AktG); |
– | das Recht, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlangen (§ 122 Abs. 1 S. 1 AktG);[41] |
– | das Recht, die Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen (§ 122 Abs. 2 AktG);[42] |
– | das Recht auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern (§ 142 Abs. 2 AktG);[43] |
– | das Recht auf gerichtliche Bestellung eines besonderen Vertreters (§ 147 Abs. 2 S. 2 AktG)[44] |
– | die Antragsberechtigung im Klagezulassungsverfahren (§ 148 Abs. 1 AktG);[45] |
– | das Vetorecht gegen den Verzicht auf oder den Vergleich über konzernrechtliche Ersatzansprüche gegen gesetzliche Vertreter eines herrschenden Unternehmens oder Vorstand oder Aufsichtsrat einer abhängigen Gesellschaft im Vertragskonzern oder gegen herrschende Unternehmen oder Vorstand der abhängigen Gesellschaft im faktischen Konzern (§§ 309 Abs. 3 S. 1, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG).[46] |
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Einen Sonderfall der Verwaltungsrechte stellt § 327a AktG dar. Danach hat der Mehrheitsaktionär, wenn ihm Aktien in Höhe von mindestens 95 % des Grundkapitals gehören, das Recht, auf der HV die Übertragung der übrigen Aktien auf sich gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung zu beschließen (Squeeze out).[47]
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Verwaltungsrechte sind die zwingende Folge der Mitgliedschaft und können daher nicht generell eingeschränkt werden.[48] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das AktG lediglich für das Stimmrecht durch die Schaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vor (§§ 139 ff. AktG).[49]
2.3 Vermögensrechte
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Anders als bei den (meisten) Verwaltungsrechten richtet sich der Umfang der Vermögensrechte grundsätzlich nach der Kapitalbeteiligung der jeweiligen Aktionäre.
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Das Gewinnbezugsrecht (§ 58 Abs. 4 AktG) stellt den Kern der Vermögensrechte dar. Von dem abstrakten Gewinnbezugsrecht ist der konkrete Dividendenauszahlungsanspruch zu unterscheiden, der erst mit dem wirksamen Gewinnverwendungsbeschluss entsteht.[50] Während ersterer von der Mitgliedschaft nicht abgetrennt werden kann (Abspaltungsverbot), kann letzterer als schuldrechtlicher Anspruch ohne die Aktie an Dritte abgetreten werden.[51] Der Dividendenanspruch ist grundsätzlich auf Zahlung in bar gerichtet. Soweit in der Satzung vorgesehen, kann die HV allerdings auch eine Sachdividende beschließen.[52] Maßstab der Gewinnverteilung ist nach § 60 Abs. 1 AktG grundsätzlich die jeweilige Beteiligungsquote am Grundkapital. Eine Sonderregelung gilt für ungleichmäßige Einlageleistung (§ 60 Abs. 2 AktG).[53] § 60 Abs. 3 AktG stellt klar, dass das Gewinnbezugsrecht durch die Satzung modifiziert werden kann. Unter den Voraussetzungen des § 59 AktG kann der Vorstand, soweit er dazu in der Satzung ermächtigt wurde, mit Zustimmung des Aufsichtsrats eine Abschlagszahlung auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn an die Aktionäre leisten.[54]
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Neben dem Gewinnbezugsrecht kann einem Aktionär ein Anspruch auf Vergütung von Nebenleistungen nach § 61 AktG zustehen, wenn er nach der Satzung zu wiederkehrenden, nicht in Geld zu erbringenden, entgeltlichen Nebenleistungen (§ 55 AktG)[55] verpflichtet ist. Die Vergütung darf dabei den Wert der Nebenleistung nicht übersteigen. Enthält die Satzung keine Bestimmung über die Entgeltlichkeit, ist ein Anspruch auf Vergütung ausgeschlossen.[56] Die Höhe des Entgelts muss freilich nicht bereits in der Satzung, sondern kann vom Vorstand oder – kraft Ermächtigung in der Satzung – einem anderen Organ oder Dritten (§ 317 BGB) nach billigem Ermessen festgelegt werden.[57]
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Das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen (§ 186 AktG)[58] steht den Aktionären im Umfang ihrer jeweiligen Kapitalbeteiligung zu. Um ihre mitgliedschaftliche Stellung im Verhältnis zum Gesamtgrundkapital halten zu können und zum Schutz vor Schwächung ihrer Stimmkraft haben sie Anspruch auf Zuteilung junger Aktien im Umfang ihrer Kapitalbeteiligung;