Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
lassen sich – wie generell im Gesellschaftsrecht – in Verwaltungs- und Vermögensrechte unterteilen. Während die Verwaltungsrechte dem Aktionär die Möglichkeit einräumen, auf die Willensbildungsprozesse in der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, sind die Vermögensrechte monetärer Natur. Daneben lassen sich Mitgliedschaftsrechte auch nach weiteren Kriterien systematisieren.[4] Die wohl gängigste Unterteilung ist diejenige in eigennützige und uneigennützige Mitgliedschaftsrechte.[5] In der Sache zielt diese Unterscheidung allerdings lediglich darauf ab, inwieweit sich ein Aktionär bei der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte allein von egoistischen Motiven leiten lassen darf oder ob er dabei mitgliedschaftlichen Bindungen unterliegt. Da aber ohnehin kein Mitgliedschaftsrecht schrankenlos besteht, hilft diese Differenzierung letztlich nicht weiter. Die herrschende Ansicht behilft sich insoweit mit der weiteren Differenzierung, dass eigennützige Mitgliedschaftsrechte (nur) nach § 242 BGB beschränkt seien, während uneigennützige Mitgliedschaftsrechte einer Kontrolle durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht unterworfen seien.[6] Da allerdings weder die Treuepflicht noch die Grundsätze von Treu und Glauben trennscharfe Konturen aufweisen und jedenfalls nach teilweise vertretener Ansicht die Treuepflicht ohnehin Ausfluss von Treu und Glauben ist,[7] wird damit letztlich das Problem – Reichweite der Bindung des Aktionärs bei der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte – lediglich verlagert, denn die eigentliche Kernfrage nach den Ausübungsschranken bleibt unbeantwortet.[8]
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Mitgliedschaftsrechte hängen untrennbar mit dem Stammrecht zusammen, können also nicht ohne das Stammrecht übertragen werden.[9] Dieser Grundsatz durchzieht das gesamte Verbandsrecht und hat beispielsweise in § 38 S. 2 BGB seinen Niederschlag gefunden. Besondere Bedeutung hat das Abspaltungsverbot beim Stimmrecht erlangt.[10] Bei anderen Mitgliedschaftsrechten, bei denen eine isolierte Übertragung wirtschaftlich sinnvoll sein könnte, ist demgegenüber eine weniger restriktive Handhabung zu beobachten. Diese können durch nahe liegende Gestaltungen – rein wirtschaftlich betrachtet – durchaus isoliert übertragen werden. So kann im Falle des Gewinnbezugsrechts eine Abtretung des künftigen Gläubigerrechts erklärt werden, was nach Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses zu einer unmittelbaren Entstehung des Anspruchs beim Zessionar führt, soweit der Zedent nach wie vor Aktionär ist. Auch Bezugsrechte können dem wirtschaftlichen Ergebnis nach ohne Verstoß gegen das Abspaltungsverbot übertragen werden, indem der (künftige) konkrete Bezugsanspruch[11] im Vorhinein abgetreten wird.[12] Über den konkreten Bezugsanspruch kann ohnehin isoliert verfügt werden, was bei börsennotierten Gesellschaften sogar durch den Bezugsrechtshandel institutionalisiert wurde. Zurückhaltung ist aber bei solchen Konstruktionen geboten, durch die nicht nur einzelne Bestandteile, sondern das wirtschaftliche Eigentum insgesamt letztlich schon auf einen Dritten übertragen wird, wie dies beispielsweise bei vinkulierten Namensaktien, bei denen eine Übertragung des Vollrechts an der Zustimmung der Gesellschaft scheitert, immer wieder versucht wird.[13]
2.2 Verwaltungsrechte
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Bei den Verwaltungsrechten sind zu unterscheiden die Individualrechte, die jedem Aktionär unabhängig von seiner Beteiligungsquote gleichmäßig zustehen (unten Rn. 173–178), die Individualrechte, die einem Aktionär im Umfang seiner Beteiligungsquote zustehen (unten Rn. 179), und die Minderheitenrechte, die eine bestimmte Mindestbeteiligung eines Aktionärs oder einer Aktionärsgruppe voraussetzen (unten Rn. 180).
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Das Teilnahmerecht[14] des Aktionärs an der HV ist im Aktienrecht nicht ausdrücklich geregelt. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass es als Ausfluss der Mitgliedschaft existiert.[15] Es steht jedem Aktionär unabhängig von dessen Beteiligungsquote zu. Dem Teilnahmerecht steht keine Teilnahmepflicht gegenüber. Der Aktionär kann sich auf der HV auch durch einen bevollmächtigten Dritten vertreten lassen. Teilnahme des Aktionärs bzw. wirksame Vertretung sind aber Voraussetzung dafür, die weiteren Verwaltungsrechte auf der HV ausüben zu können.[16] Soweit die Satzung es zulässt, kann ein Aktionär die HV auch online verfolgen und dem von ihm bevollmächtigten, in der HV anwesenden Vertreter auf elektronischem Wege Anweisungen für die Ausübung des Rede-, Frage- und Stimmrechts übermitteln.[17] Eine virtuelle HV gänzlich ohne persönliche Präsenz der Aktionäre ist jedoch in Deutschland nach geltender Rechtslage nicht zulässig.[18] Das Teilnahmerecht kann dem Aktionär grds. nicht entzogen werden. Ausnahmen hierzu sind die rechtmäßigen Ordnungsmaßnahmen des Versammlungsleiters wie bspw. die Zutrittsverweigerung oder der Saalverweis.
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Das Rederecht[19] in der HV ist Teil des Teilnahmerechts und ebenfalls im AktG nicht ausdrücklich geregelt, in § 131 Abs. 2 S. 2 AktG aber vorausgesetzt. Wie das Teilnahmerecht ist es unabhängig von der Beteiligungsquote des Aktionärs. Das Rederecht ist darüber hinaus unabhängig vom Stimmrecht und steht demzufolge auch stimmrechtslosen Vorzugsaktionären zu. Auch das Rederecht ist grds. unentziehbar und wird nur durch rechtmäßige Ordnungsmaßnahmen des Versammlungsleiters eingeschränkt; in Betracht kommen insoweit bspw. Redezeitbegrenzung, Schluss der Rednerliste, Schluss der Debatte und Wortentzug. Seit der Änderung des AktG durch das UMAG kann der Versammlungsleiter durch die Satzung oder die Geschäftsordnung der HV ermächtigt werden, das Rederecht zeitlich angemessen zu beschränken (§ 131 Abs. 2 S. 2 AktG).[20]
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Das Auskunftsrecht[21] des Aktionärs ist in § 131 AktG geregelt. Es besteht ebenfalls unabhängig von der jeweiligen Beteiligungsquote. Nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG muss der Vorstand in der HV jedem Aktionär auf Verlangen Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft geben, soweit die Information zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungsgegenstands erforderlich ist. Zweck der Norm ist also nicht die individuelle Information des einzelnen Aktionärs, sondern die auf die Beschlussgegenstände fokussierte Willensbildung der Aktionäre in ihrer Gesamtheit. Damit ist gleichzeitig klargestellt, dass nur tagesordnungsrelevante Fragen beantwortet werden müssen. Wie das Rederecht kann der Versammlungsleiter auch das Fragerecht zeitlich angemessen beschränken, wenn er dazu in der Satzung oder der Geschäftsordnung der HV ermächtigt wurde (§ 131 Abs. 2 S. 2 AktG).[22] Die Frage nach dem Umfang des Auskunftsrechts hat in der Praxis – auch in der gerichtlichen Praxis – in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen und ist heute regelmäßig Gegenstand von Auskunftserzwingungsverfahren (§ 132 AktG)[23] und – vor allem – Anfechtungsklagen (§ 246 AktG).[24]
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Unabhängig von seiner Beteiligungsquote hat jeder Aktionär das Recht, zu einzelnen Tagesordnungspunkten Gegenanträge zu stellen und für Wahlen Gegenvorschläge zu machen.[25] Gegenanträge sind solche Anträge, die von den Vorschlägen der Verwaltung abweichen oder der Beschlussfassung als solcher entgegentreten (Vertagung, Absetzen von der Tagesordnung).[26] Soweit begründete[27] Gegenanträge oder Gegenvorschläge spätestens zwei Wochen vor dem HV-Termin bei der Gesellschaft eingereicht werden, sind sie sämtlichen Aktionären zugänglich zu machen (§§ 126 f. AktG). Dabei kann der Vorstand mehrere Gegenanträge und ihre Begründungen zu demselben Beschlussgegenstand zusammenfassen (§ 126 Abs. 3 AktG). Die Norm bezweckt die Unterrichtung der Aktionäre über eine beabsichtigte Opposition.[28] Die Zugänglichmachung hat unverzüglich nach Einreichung der Gegenanträge zu erfolgen.[29] Werden Gegenanträge oder Gegenvorschläge nicht rechtzeitig eingereicht, besteht keine Veröffentlichungspflicht der Gesellschaft. Da sie sich aber auf bereits in die Tagesordnung aufgenommene Gegenstände beziehen und zu den bekannt gemachten Beschlussgegenständen Gegenanträge sogar noch in der HV gestellt werden können, hat die verspätete Einreichung keine Auswirkung darauf, inwieweit die HV über sie abzustimmen hat.[30]
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Unabhängig