Unternehmenskauf bei der GmbH. Stephan Ulrich
oder die Liste ist seit drei Jahren unrichtig.
21
Die Gesellschafterliste muss den Anforderungen des § 40 Abs. 1 GmbHG genügen; andernfalls sperrt sie den gutgläubigen Erwerb eines Geschäftsanteils.[4] Neuerdings sind gem. § 40 Abs. 1 S. 2 GmbHG weitergehende Angaben bei einer Gesellschafterstellung einer juristischen Person, einer eingetragenen Personenhandelsgesellschaft oder einer GbR erforderlich.[5] Die neuen Anforderungen gelten für alle Gesellschafterlisten, die nach dem 26.6.2017 erstmals erstellt wurden (§ 8 EGGmbHG); während sog. Alt-Listen keiner Änderung bedürfen.[6] Entscheidend ist, dass der Inhaber zweifelsfrei zu identifizieren ist. Fraglich ist, ob die Überprüfung der Gesellschafterliste für den gutgläubigen Erwerb ausreichend ist.
22
Ist der Verkäufer seit drei Jahren ununterbrochen in der Gesellschafterliste eingetragen, ist diese nicht zwingend i.S.d. Frist seit drei Jahren unrichtig. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Liste in dieser Zeit durchgehend unrichtig war, also während dieser Zeit nicht den materiell Berechtigten genannt hat.[7] Der Fristbeginn datiert auf den Zeitpunkt der Aufnahme einer unrichtigen Liste in das Handelsregister.[8] Vor Ablauf der 3-Jahres-Frist ist ein gutgläubiger Erwerb dann möglich, wenn dem materiell Berechtigten die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste zuzurechnen ist. Dies soll u.a. dann der Fall sein, wenn der Berechtigte die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste mit veranlasst oder mit verursacht hat.[9] Folglich verschafft die Gesellschafterliste allein keine ausreichende Sicherheit.
23
Widmet man sich auf Grund dessen detailliert der Aufklärung der Abtretungshistorie, können Unstimmigkeiten entdeckt werden. Allerdings fehlt es dann an der Gutgläubigkeit des Erwerbers, da er positive Kenntnis von der fehlenden Berechtigung des Verkäufers hat. Umgekehrt kann lediglich die Durchsicht der Gesellschafterliste zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis von der fehlenden Verfügungsbefugnis des Verkäufers führen, da die Überprüfung der Abtretungshistorie als üblich angesehen wird. Ein genauer Maßstab für den Fahrlässigkeitsvorwurf besteht noch nicht.[10]
24
Im Einzelfall sind die Übergangsvorschriften nach § 3 Abs. 3 EGGmbHG zu beachten. § 16 Abs. 3 GmbHG findet für den Fall, dass die Unrichtigkeit in der Gesellschafterliste bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG bestanden hat und dem Berechtigten zuzurechnen ist, frühestens auf Rechtsgeschäfte Anwendung, die nach dem 1.5.2009 abgeschlossen worden sind. Ist die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen, war der 1.11.2011 maßgebend.
25
Die Gesellschafterliste, die als Rechtsscheinträger fungiert, wird vom Registergericht grundsätzlich nicht überprüft[11], obwohl ihm ein umfassendes Prüfungsrecht zukäme.[12] Der kluge Erwerber wird sich deshalb nicht allein auf die Gesellschafterliste verlassen und auf die Überprüfung der Rechtsinhaberschaft seines Verkäufers nicht verzichten. Denn das Risiko, auf den Nachweis eines gutgläubigen Erwerbs gem. § 16 Abs. 3 GmbHG angewiesen zu sein, ist erheblich. Im Zweifel dürfte es rechtlich vorteilhafter sein, die fehlende Legitimation des Verkäufers aufzudecken und diesen notfalls zur Nachbesserung seiner Rechtsinhaberschaft zu bewegen als auf die mit einem gutgläubigen Erwerb verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Unwägbarkeiten zu vertrauen. Letztlich ist jedoch auch hier der Einzelfall entscheidend.
26
Des Weiteren fehlt es an einer den §§ 936 und 892 BGB entsprechenden Vorschrift, die einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb ermöglicht.[13] Schon in dieser Hinsicht obliegt es dem Käufer die Gesellschafterstellung kritisch zu überprüfen.[14] Für die Praxis bedeutet dies, dass neben der Aufklärung der Verfügungsbefugnis des Verkäufers auch die Lastenfreiheit des Geschäftsanteils überprüft werden muss. Diese Kontrolle erweist sich als ebenso zeitaufwendig, zumal eine Belastung durch Pfand- oder Nießbrauchrechte nicht in die Gesellschafterliste eingetragen werden muss (vgl. § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG). Hier muss wiederum auf das Rechtsinstitut eines Garantievertrages hinsichtlich der Lastenfreiheit und somit auf einen möglichen Schadenersatzanspruch zurückgegriffen werden. Eine analoge Anwendung des § 892 Abs. 1 S. 1 BGB kann mangels planwidriger Regelungslücke nicht angenommen werden.[15]
27
Der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen beeinflusst zudem die Rechtslage beim Kauf unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 161 Abs. 1 BGB. Der Erwerber kann nicht mehr auf die Unwirksamkeit von Zwischenverfügungen vertrauen. § 16 Abs. 3 GmbHG eröffnet einen gutgläubigen Zwischenerwerb gemäß § 161 Abs. 3 BGB. Folglich ist es dringend angebracht, in diesen Fällen unverzüglich einen Widerspruch gegen die Richtigkeit der Gesellschafterliste eintragen zu lassen.[16]
Anmerkungen
Rodewald GmHR 2009, 196; Vossius DB 2007, 2299; so auch die Überlegungen in der Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6140, 38; Rodewald GmbHR 1995, 718 ff.
HK-GmbH-Recht/H. Bartl § 16 Rn. 15 ff.; Vossius DB 2007, 2299, 2300; vgl. auch zum gutgläubigen Erwerb eines Geschäftsanteils die Ausführungen im 5. Kap. Rn. 32.
Kamlah GmbHR 2009, 841, 842; Götze/Bressler NZG 2007, 894, 897; BT-Drucks. 16/6140, 39.
Lutter/Hommelhoff/Bayer § 16 Rn. 67; Zessel GmbHR 2009, 303; Vossius DB 2007, 2299 f.
Schaub GmbHR 2017, 727, 728.
Schaub GmbHR 2017, 727, 731.
Lutter/Hommelhoff/Bayer § 16 Rn. 105.
HK-GmbH-Recht/H. Bartl § 16 Rn. 21 m.w.N.
Zessel GmbHR 2009, 303 f.
Rodewald GmbHR 2009, 196, 198; vgl. hierzu aber die ausführliche Darstellung zur Annahme einer „groben Fahrlässigkeit“ im Rahmen des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB bei Unterlassen der Due Diligence im 9. Kap. Rn. 100 ff.
BGH NZG 2011, 1268.
BGH NJW 2014, 2026; Schaub GmbHR 2017, 727, 728.