Unternehmenskauf bei der GmbH. Stephan Ulrich
Gewerbliche Schutzrechte
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Produkte und technische Verfahren des Zielunternehmens sollten durch gewerbliche Schutzrechte abgesichert sein. Dazu gehören Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster sowie Markenrechte. Urheberrechte und das nicht durch besondere Schutzrechte abgesicherte technische Wissen sowie vertraglich erworbene Nutzungsrechte (Lizenzen) können eine bevorzugte Wettbewerbsstellung des Zielunternehmens begründen.
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Die Bedeutung gewerblicher Schutzrechte und sonstigen Know-hows wird für erfolgreiche Unternehmenstransaktionen häufig unterschätzt, obwohl der Wert vieler Unternehmen wesentlich von ihrem geistigen Eigentum abhängt. Im Rahmen der Due Diligence sollte nicht nur Aufschluss über die bisherige Schutzrechtepolitik und die Qualität ihrer rechtlich/technischen Betreuung erlangt werden, sondern auch über die Werthaltigkeit des Konstruktions-, Fertigungs-, Produkt- oder Marketing-Know-hows des Zielunternehmens.[1]
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Bei der Prüfung angemeldeter und bestehender Schutzrechte, deren verbleibender Schutzdauer und der Möglichkeiten ihrer Erstreckung auf andere Länder sind Rechts- und Patentanwälte hilfreich. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen sind zusätzlich die Registrierungserfordernisse der betroffenen Länder zu berücksichtigen. Wichtig ist auch, ob Produkte und Verfahren des Zielunternehmens von Wettbewerbern als patentverletzend beanstandet wurden.
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Die Überprüfung gewerblicher Schutzrechte konzentriert sich auf folgende Fragestellungen, die im Due Diligence-Bericht zu beantworten sind:
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(1) Dokumentation: Welche Unterlagen wurden zur Verfügung gestellt und welcher Schutzrechtsbestand ergibt sich hieraus? Differenzierung zwischen Anmeldungen und erteilten Schutzrechten. Falls erteilt: Verifizierung anhand Patentschrift, Markenurkunde etc.; Feststellung von Geltungsdauer und Priorität, Jahres- bzw. Verlängerungsgebühren bezahlt? Falls Schutzrechtsanmeldung: Prüfung der Erteilungsfähigkeit.
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(2) Bestand der Schutzrechte: In welchen Ländern wurde angemeldet? Territoriale Reichweite: national, europaweit aufgrund des Gemeinschaftsrechts, in Vertragsstaaten internationaler Abkommen – z.B. PCT, MMA/PMMA? Welche Erstreckungsmöglichkeiten bestehen?
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(3) Rechtsinhaberschaft des Verkäufers: Wechsel der Rechtsinhaberschaft ist in einigen Ländern (insbesondere in Deutschland) außerhalb der Register möglich. Bei großen Unternehmen gibt es oft eine zentrale Verwaltung der Schutzrechte auf Holdingebene. Bei Diskrepanz zwischen dem in der Urkunde ausgewiesenen Inhaber und demjenigen, der die Inhaberschaft behauptet, muss eine lückenlose Kette von Abtretungsvereinbarungen (chain of title) nachgewiesen werden.
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(4) Reichweite der Schutzrechte: Welche Produkte und Verfahren werden tatsächlich von den Schutzrechten des Zielunternehmens abgesichert? Wie wirkt sich ein Schutzrechtsablauf – so beträgt die Laufzeit von Patenten maximal 20 Jahre – auf die Marktsituation des Unternehmens aus? Kann die Marktposition über Folgepatente, Schutzrechte auf besondere Produkt- oder Produktionsmerkmale oder andere erfolgreiche Innovationen abgesichert und verbessert werden?
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(5) Schutzrechtsverletzungslagen: Ergibt sich aus der Korrespondenz, dass das Zielunternehmen oder Dritte eine Verletzung ihres geistigen Eigentums geltend gemacht haben? Wurden durch oder gegen das Zielunternehmen Abmahnungen ausgesprochen oder Verletzungsklagen erhoben? Sind einstweilige Verfügungsverfahren anhängig? Bei anhängigen Patentverletzungsprozessen: Kann eine Bedrohung von Teilen der Produktion des Zielunternehmens durch Garantien des Verkäufers oder Versicherungen abgedeckt werden?
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(6) Lizenzverträge: Welche Lizenzen an Schutzrechten werden vom Zielunternehmen gewährt oder als Lizenznehmer in Anspruch genommen? Anwendbares Recht? Umfang der Berechtigung in sachlicher, territorialer und zeitlicher Hinsicht? Übertragbarkeit („Change of Control“-Klausel)? Wirksamkeit unter kartellrechtlichen Aspekten: insbesondere Nichtangriffsklausel im Patentlizenzvertrag (Verpflichtung des Lizenznehmers, den Bestand des Patents nicht anzugreifen).[2] Ist das Schriftformerfordernis bei (vor 1999 geschlossenen) Altverträgen gem. § 34 GWB a.F. gewahrt?
Anmerkungen
Berens/Brauner/Strauch/Fritzsche S. 284.
Nichtangriffsklauseln werden nach europäischem Recht von europäischen Instanzen als unzulässig angesehen.
VII. Kartellrechtliche Aspekte
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Das Kartellrecht zerfällt in drei große Bereiche: Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen (Kartellverbot), das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Missbrauchsverbot) und die Fusionskontrolle. Alle drei Bereiche sind im Rahmen der Due Diligence zu berücksichtigen.
1. Kartellverbot
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Das Kartellverbot des europäischen Rechts ist in Art. 101 AEUV[1] niedergelegt. Das Kartellverbot des deutschen Rechts ist in § 1 GWB geregelt. Im Zuge der 7. GWB-Novelle, die am 1.7.2005 in Kraft trat, wurde das deutsche Kartellrecht weitestgehend an das europäische Kartellrecht angeglichen. Unter das Kartellverbot fallen wettbewerbsbeschränkende Abreden zwischen Wettbewerbern auf horizontaler Ebene (z.B. Preis- oder Gebietsabsprachen) sowie vertikale Abreden zwischen Unternehmen verschiedener Wirtschaftsstufen, z.B. eine Preisbindung der zweiten Hand (d.h. eine Festsetzung des Verkaufpreises gegenüber dem Endkunden durch den Vorlieferanten). Ein Verstoß gegen das Kartellverbot kann einschneidende Folgen haben. Die zuständigen Kartellbehörden können Bußgelder in empfindlicher Höhe verhängen. Die wettbewerbsbeschränkenden Vertragsklauseln – und ggf. die betreffenden Verträge insgesamt – sind zivilrechtlich unwirksam und gerichtlich nicht durchsetzbar. Schließlich können Kunden oder andere Marktteilnehmer, die durch kartellrechtswidrige Verhaltensweisen geschädigt wurden, Schadensersatzansprüche geltend machen, wobei die Parteien an einer Kartellabsprache im Außenverhältnis als Gesamtschuldner haften.
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Ziel der kartellrechtlichen Due Diligence ist es, festzustellen, ob das Zielunternehmen an Verstößen gegen das Kartellverbot beteiligt sein könnte. Zwei Aufgabenbereiche können unterschieden werden. Zum Einen sind die im Rahmen der Due Diligence offengelegten Verträge kartellrechtlich zu prüfen. Potentiell kartellrechtlich bedeutsam sind dabei nicht nur Vereinbarungen mit Wettbewerbern (z.B. Kooperationsverträge), sondern auch Vereinbarungen mit Lieferanten und Abnehmern. Die Prüfung wird dadurch erschwert, dass sich ein Kartellverstoß häufig nicht unmittelbar aus dem Vertragswortlaut ablesen lässt. Denn für die kartellrechtliche Bewertung spielt meist nicht nur eine Rolle, welche vertraglichen Klauseln vereinbart wurden. Vielmehr sind diese Vereinbarungen typischerweise vor dem Hintergrund des wettbewerblichen Umfelds zu würdigen. Bestimmte Exklusivitätsabreden sind z.B. nur unzulässig, wenn die Parteien bestimmte Marktanteilsschwellen überschreiten. Deshalb sind zunächst die Marktanteile der Parteien zu ermitteln (was wiederum die Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Marktes voraussetzt). Aus praktischer Sicht wird es sich häufig empfehlen, eine vertiefte kartellrechtliche Prüfung, die auch Informationen zu den Marktverhältnissen