Unternehmenskauf bei der GmbH. Stephan Ulrich
href="#u18699f14-85dc-548b-8aa9-38e0634dfb07">2. Kapitel Due Diligence › D. Steuerliche Due Diligence
I. Funktion der steuerlichen Due Diligence
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Die Funktion der steuerlichen Due Diligence (auch als Tax Due Diligence bzw. Tax DD bezeichnet) vor dem Hintergrund eines Unternehmenskaufs liegt darin, ein Gesamtbild über die steuerliche Situation des Zielunternehmens zu erhalten.[1] Hierbei geht es nicht nur darum, steuerliche Risiken zu identifizieren und diese entsprechend im Kaufvertrag zu regeln, vielmehr sind auch Chancen zur steueroptimalen Strukturierung aus Sicht des Erwerbs zu analysieren.[2]
Anmerkungen
Berens/Brauner/Strauch/Trimborn Due Diligence bei Unternehmenstransakquisitionen, 7. Aufl. 2013, S. 411.
IDW (Hrsg.) WPH Edition, Kap. H, Rn. 184 f.
II. Vergangenheitsbezogene Analyse
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Die vergangenheitsbezogene Analyse soll steuerliche Strukturen sowie Steuerwirkungen aus Sachverhalten erkennen und bewerten. Der Erwerber muss die unternehmensindividuelle Steuerpolitik und die steuerlichen Gestaltungen der Vergangenheit hinnehmen. Diese muss er bewerten und daraus Konsequenzen für die Ausgestaltung des Kaufvertrages und die eigene Steuerstrategie ziehen. Zu beachten ist, dass der Käufer beim Share Deal die steuerliche Vergangenheit und somit auch die dort begründeten steuerlichen Risiken miterwirbt.[1] Dies ist beim Asset Deal nicht der Fall.
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Die steuerlichen Gegebenheiten des Zielunternehmens werden für die Zeiträume analysiert, die steuerverfahrensrechtlich noch nicht abgeschlossen sind.[2] Diese umfassen zumeist drei bis fünf Jahre. Dabei ist zu prüfen, ob die Ziel-Gesellschaft ihren steuerlichen Deklarationspflichten nachgekommen ist. Zudem sind steuerliche Risiken nach Möglichkeit zu qualifizieren und zu quantifizieren.[3] Zwingend geboten ist es, sich einen Überblick sowohl über abgeschlossene als auch über laufende Betriebsprüfungen zu verschaffen. Berichte abgeschlossener Betriebsprüfungen geben einen Einblick in die Steuerbilanzpolitik sowie die im Fokus der Betriebsprüfung stehenden Diskussionspunkte.[4]
1.1 Körperschaftsteuerliche Organschaft[5]
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Am Beginn der körperschaftsteuerlichen Analyse sollte eine Aufnahme der steuerlichen Organisationsstruktur stehen. Aus den im Rahmen der rechtlichen Due Diligence gewonnenen Erkenntnissen über Beteiligungsstrukturen und Unternehmensverträge können sich steuerliche Konsequenzen für den Erwerber ergeben. Im Fokus steht die Frage, ob die Voraussetzungen für eine körperschaftsteuerliche Organschaft gegeben sind und welche Funktion dabei die Ziel-Gesellschaft einnimmt; deren Stellung im Organkreis ist zu beurteilen.
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Unter der Organschaft[6] versteht man die wirtschaftliche Abhängigkeit einer rechtlich selbstständigen juristischen Person (Organgesellschaft) von einem herrschenden Unternehmen (Organträger).[7] Liegt eine ertragsteuerliche Organschaft vor, ist der Organträger alleiniges Steuersubjekt, und der Gewinn der Organgesellschaft wird dem Organträger zugeordnet.[8] Es erfolgt eine Gewinn- und Verlustverrechnung innerhalb des Organkreises.
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Grundsätzlich richtet sich die Tax Due Diligence nach der Investitionsstrategie des Erwerbers. Will dieser die Zielgesellschaft aus einem bestehenden Organkreis herauskaufen und damit die Organschaft beenden, so steht die Prüfung der Organschaftsvoraussetzungen im Vordergrund. Zudem ist das Haftungsrisiko für Steuerschulden des Organträgers von Bedeutung.
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Anhand der Beteiligungsstruktur ist festzustellen, ob die Zielgesellschaft finanziell in ein anderes Unternehmen eingegliedert oder ob sie selbst Organträger ist. Eine finanzielle Eingliederung liegt vor, wenn über die Mehrheit der Stimmrechte an der GmbH verfügt werden kann. Organgesellschaft kann nur eine Kapitalgesellschaft sein, also insbesondere die GmbH. Organträger kann hingegen auch eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person sein. Das Organschaftverhältnis muss steuerlich anhand der bestehenden Ergebnisabführungsverträge geprüft werden. An diese Verträge werden strenge formale Anforderungen gestellt,[9] insbesondere an die Ausgestaltung der notwendigen Verlustübernahmeerklärung in Gewinnabführungsverträgen mit der GmbH (§ 17 S. 2 Nr. 2 KStG).[10]
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Sofern die Finanzverwaltung der Auffassung ist, dass die Ergebnisabführungsverträge nicht den Anforderungen der §§ 301 und 302AktG entsprechen, liegt eine „verunglückte“ Organschaft vor. Denkbar ist auch, dass die Finanzverwaltung den tatsächlichen Vollzug eines Gewinnabführungsvertrags in Frage stellt, etwa weil die Gewinne der Organgesellschaft nicht oder nicht in vollem Umfang an den Organträger abgeführt worden sind oder die Organgesellschaft Gewinnrücklagen gebildet hat. Weitere, die steuerliche Anerkennung der Organschaft gefährdende Sachverhalte sind etwa der Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags über einen Zeitraum von weniger als fünf Kalenderjahren; die Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrags vor Ablauf der fünf-Jahresfrist; die unterjährige Aufhebung des EAV und die nicht erfolgte oder verspätete Eintragung des EAV ins Handelsregister (bspw. erst im zweiten Jahr nach Abschluss des EAV).[11]
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Durch die Aberkennung der steuerlichen Organschaft seitens der Finanzverwaltung bliebe die Organgesellschaft selbst Steuersubjekt und ihre Gewinne sind nicht dem Organträger zuzurechnen. Ist die Ziel-GmbH eine Organgesellschaft, kann sich für den Erwerber also das Risiko nachträglicher Steuerbelastungen ergeben, sofern die GmbH überwiegend Gewinne erzielt hat. Eine Steuermehrbelastung ist auch dann zu erwarten, wenn die Ziel-GmbH Organträger mit durchweg positiven Einkünften ist und die Organgesellschaft im Wesentlichen Verluste erzielt. Bei Nichtanerkennung der Organschaft würde das Verlustverrechnungspotential der Organgesellschaft entfallen und der zu versteuernde Gewinn der Ziel-GmbH als Organträger höher ausfallen und damit eine Nachversteuerung mit Körperschaftsteuer auslösen.
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Auch eine steuerlich wirksame Organschaft kann zu Risiken für den Erwerber führen. Diese können sich aus der Organhaftung nach § 73 AO ergeben. Hiernach haftet die Organgesellschaft, wenn der Organträger seinen steuerlichen Pflichten nicht nachkommt, und zwar für alle Steuern des Organkreises.[12]
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Die Analyse solcher Risiken gestaltet sich häufig schwierig, da die vorgelegten Informationen sich zumeist nur auf die Zielgesellschaft beziehen. Aus diesem Grunde sollte der Organträger dem Erwerber die Einhaltung der steuerlichen Pflichten während der Dauer des Organschaftverhältnisses garantieren.
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Zu berücksichtigen ist, dass das Einkommen der Organgesellschaft zunächst getrennt vom Einkommen des Organträgers zu ermitteln ist. Hieraus können sich Betriebsprüfungsrisiken ergeben, für die der Organträger in Anspruch genommen werden kann. Können solche Risiken nicht vollumfänglich ermittelt werden, sollte sich der Erwerber von Mehrsteuern aufgrund späterer Außenprüfungen durch den Verkäufer freistellen lassen.
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Sofern eine GmbH als Organträger bei Fortführung der Organschaft