Rechtsgeschichte. Susanne Hähnchen

Rechtsgeschichte - Susanne Hähnchen


Скачать книгу

      Idem [i.e. Paulus] libro trigesimo tertio ad edictum. Necessario sciendum est, quando perfecta sit emptio: tunc enim sciemus, cuius periculum sit: nam perfecta emptione periculum ad emptorem respiciet. et si id quod venierit appareat quid quale quantum sit, sit et pretium, et pure venit, perfecta est emptio.

       Übersetzung:

      Derselbe [d.h. Paulus] im 33. Buch zum Edikt. Nötig ist es zu wissen, wann ein Kauf perfekt ist. Dann nämlich wissen wir, wessen die Gefahr ist. Denn bei perfektem Kauf gehört die Gefahr zum Käufer. Und wenn offenbar ist, was, in welcher Beschaffenheit und Menge verkauft wird und wenn ohne Bedingung verkauft wird, ist der Kauf perfekt.

      Allgemein trägt der Eigentümer die sog. Sachgefahr, dass also eine Sache zufällig untergeht oder verschlechtert wird – ihn trifft der Schaden oder wie man später formulierte: casum sentit dominus (den Zufall spürt der Eigentümer). Perfektion meint das Zustandekommen eines wirksamen Kaufvertrages und dadurch soll nach der Aussage des Paulus die Gefahr übergehen. Gemeint ist damit das Risiko, dass der Käufer zahlen muss, ohne die Sache überhaupt zu erhalten (Preisgefahr). Ob der Satz periculum est emptoris aber allgemein galt, d.h. die Gefahr immer schon mit Abschluss des Kaufvertrages auf den Käufer überging, war lange umstritten.[24] Möglicherweise erklärt sich die römische Regel durch den alten Barkauf, bei dem der Käufer sofort Eigentum erwarb. Wenn der Verkäufer sie noch behielt, musste er zudem für custodia (Rn. 183) haften. Anders jedenfalls die §§ 446, 447 BGB, wonach die Gefahr erst mit der Übergabe der Kaufsache an den Käufer auf diesen übergeht, weil er sie dann erst beherrschen kann, bei Annahmeverzug des Käufers oder beim sog. Versendungskauf mit Übergabe an den Transporteur.

      186

      

      Erst wenn feststeht, dass ein gültiger Kauf zustandegekommen (perfekt) ist, kann auch das Problem der Gewährleistung wegen Sach- oder Rechtsmängeln auftreten. Hinsichtlich der Gewährleistung wegen Sachmängeln entwickelten die Römer ein System aus Wandlung (Rückgängigmachung des Kaufes), Minderung und – bei Zusagen (dicta et promissa) oder Arglist (dolus) – Schadensersatz. Diese waren noch ganz ähnlich in den §§ 459, 462, 463 der alten, bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des BGB zu finden. Auch die in Nr. 2 und 3 der seit 1.1.2002 geltenden Fassung des § 437 BGB aufgezählten Rechtsbehelfe erinnern noch an das römische Recht, obgleich die dogmatische Grundlage der Rechte des Käufers jetzt nicht mehr die Gewährleistung darstellt, sondern die Verletzung der Pflichten des Verkäufers. Neu ist hingegen die Nacherfüllung.

      Die römische Rechtsmängelhaftung gestaltete sich recht kompliziert. Sie zielte auf Wandlung oder Schadensersatz in einfacher oder doppelter Höhe des Kaufpreises und setzte grundsätzlich voraus, dass der berechtigte Dritte die Sache vom Käufer herausgeklagt hatte (Eviktionsprinzip).

      187

      

      Die römische Miete wurde (neben Pacht, Dienstvertrag und Werkvertrag) erfasst von der locatio conductio (Rn. 131). Sie bot dem Mieter keinen Besitzschutz gegenüber dem Hauswirt, von dem er gemietet hatte. Entzog der Vermieter (Eigentümer) dem Mieter die vermietete Sache, z. B. die Wohnung, so verletzte er zwar den Vertrag und machte sich für eventuelle Schäden ersatzpflichtig. Die Wohnung konnte der Mieter aber nicht zurück verlangen. Er wurde also juristisch schlechter behandelt als der Eigentümer.

      Veräußerte der Vermieter die insula (Mietskaserne) an einen anderen, so hatte der Mieter gegenüber diesem Nachfolger keinerlei Rechte. Der Nachfolger des Vermieters durfte die Mieter sogar gewaltsam aus der Mietsache vertreiben (verkürzt: „Kauf bricht Miete“; anders heute § 566 BGB). Der Mieter konnte nur Schadensersatz von seinem Vermieter verlangen, wegen Vertragsverletzung.

      188

      Die sog. Innominatrealkontrakte füllten eine von den bisher erwähnten Kontraktstypen offen gelassene Lücke. Die bisher genannten Verträge wie der Kauf hatten einen eigenen Namen. Die Innominatkontrakte waren hingegen „unbenannte“ Austauschverträge und setzten voraus, dass bereits eine Leistung erbracht wurde, was reale Bindung (durch Hingabe) bewirkte.

      Hatte z. B. jemand Geld gezahlt und mit dem Empfänger die Freilassung eines Sklavens vereinbart, so entsprach dies keinem der üblichen Verträge bzw. es gab keine Klage für so eine Vereinbarung (Freilassung). Der Leistende konnte aber bei Ausbleiben der Gegenleistung mittels einer actio in factum, also einer von dem Prätor auf den konkreten Sachverhalt formulierten Klage, entweder seine Leistung (das Geld) zurückverlangen oder die Gegenleistung (Freilassung) einklagen. Die Entwicklung erreichte also ein Zwischenstadium zwischen den Rechtsfolgen des § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Fall BGB (Rückforderung einer Leistung wegen Zweckverfehlung) und den gegenseitigen Verträgen gem. §§ 320 ff BGB, indem der zuerst Leistende zwischen beiden Rechtsfolgen wählen konnte. Damit war ein wichtiger Schritt in Richtung auf die Vertragsfreiheit (Rn. 132) bei gegenseitigen Verträgen getan.

      Auch der Austausch zweier Sachen – der nach Ansicht der Proculianer (Rn. 164), die sich letztlich durchsetzte, nicht mit der Kaufklage vollzogen werden konnte – gehört hierher.

      189

      Die Schenkung (donatio) war gültige causa für Zuwendungen, aber auch für die Stipulation. Daher konnte weder das durch sog. Handschenkung (sofort vollzogene Schenkung) Zugewendete noch die zum Zwecke eines Schenkungsversprechens erteilte Stipulation kondiziert werden, d.h. Handschenkung und Schenkungsversprechen in Stipulationsform waren „kondiktionsfest“, endgültig wirksam.

      Verboten blieben weiterhin donationes immodicae (unangemessene Schenkungen) nach der lex Cincia (Rn. 109) sowie Schenkungen unter Ehegatten. Justinian verlangte später für Schenkungen im Wert von 500 solidi (im gemeinen Recht 4666,67 Mark) nach älteren, aber nachklassischen Vorbildern die behördliche Beurkundung (insinuatio). Schenkungen von geringerem Wert waren formfrei. Diese Grenze galt gleichermaßen für Handschenkungen wie für Schenkungsversprechen. Die Schenkung war nun ein sog. pactum legitimum (Rn. 132) geworden.

      190

      

      Der Anwendungsbereich der abstrakten condictio (Rn. 127) wurde in hoch- und spätklassischer Zeit deutlich erweitert. Hierzu gab es besonders viele Interpolationsvermutungen (Rn. 220), weil die spätere Systematisierung in den Digesten viele Entwicklungen verdeckt hat. Entscheidend ist, dass die Römer noch zwischen Herausgabe des Erlangten bei der condictio und Herausgabe nur der noch vorhandenen Bereicherung aus Billigkeitsgründen bei anderen (prätorischen) Klagen unterschieden. Dies wurde in der späteren Entwicklung vermischt und heute zielen die §§ 812 ff BGB, insbesondere § 818 Abs. 3 BGB (Entreicherung), anders als das Kondiktionenrecht der Römer grundsätzlich nur auf die Herausgabe der noch vorhandenen Bereicherung.

      191

      

      Im Deliktsrecht arbeitete die klassische Jurisprudenz vor allem im Hinblick auf die lex Aquilia (Rn. 108) sowie die nach ihrem Vorbild gegebenen analogen Klagen die objektiven und subjektiven Elemente des Unrechts heraus, also Rechtfertigungsgründe und Verschulden. Allerdings unterschieden die Römer noch nicht zwischen (objektiver) Rechtswidrigkeit und (subjektivem) Verschulden, sondern bezogen beide Aspekte einheitlich in den Komplex der (aquilischen) iniuria ein. Den Rechtfertigungsgrund erkennen wir wieder in

       Dig.


Скачать книгу