Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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ZWE Zeitschrift für Wohnungseigentum

Einleitung Das Sachenrecht im System des Zivilrechts 1. Kapitel Das System des Zivilrechts

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      Das Zivilrecht besteht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und seinen Nebengesetzen, sowie aus dem Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht, dem Versicherungsrecht, dem Wettbewerbsrecht, dem gewerblichen Rechtschutz, dem Erfinder- und Urheberrecht.

      Rechtsstreitigkeiten aus all diesen Teilrechtsgebieten lenkt § 13 GVG auf den ordentlichen Rechtsweg vor die Zivilgerichte.

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2. Das bürgerliche Recht

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      Das bürgerliche Recht ist derjenige Teil des Zivilrechts, der für alle gilt. Man findet es im Bürgerlichen Gesetzbuch und seinen Nebengesetzen, als da sind: EGBGB, ProdHaftG, StVG, HaftpflG, LuftVG, ErbbauRG und WEG, um nur die wichtigsten zu nennen. Andere Nebengesetze wie AGBG, VerbrkG, HWiG, FernAbsG und TzWrG, also das Verbraucherschutzrecht, hat die Schuldrechtsreform 2002 in das BGB verpflanzt, wo es sich üppig ausbreitet.

      Der gewaltige Kodex des BGB, ein Meisterwerk der Gesetzgebungskunst, von dem der moderne Gesetzgeber viel lernen und dadurch manchen Pfusch vermeiden könnte, ist trotz seines Greisenalters von 100 Jahren nach wie vor das Zentrum des bürgerlichen Rechts.

      Seine fünf Bücher hören auf die Namen:

      „Allgemeiner Teil“ (§§ 1-240), „Recht der Schuldverhältnisse“ (§§ 241-853), „Sachenrecht“ (§§ 854-1296), „Familienrecht“ (§§ 1297-1921) und „Erbrecht (§§ 1922-2385).

      Während Familien- und Erbrecht scharf umrissene Lebensbereiche regeln, nämlich Ehe, Familie und Kindschaft, Vormundschaft, Pflegschaft und rechtliche Betreuung, sowie die Rechtsnachfolge nach dem Tode, bilden die ersten drei Bücher des BGB in enger, aber schwer durchschaubarer Verzahnung das private Vertrags- und Vermögensrecht der Lebenden. Sie regeln nicht einen Lebensbereich nach dem anderen, sondern das Allgemeine vor dem Besonderen. Am Anfang steht weder der Kauf noch das Eigentum, sondern ein „Allgemeiner Teil“, der ein ganzes Buch füllt mit allgemeinen Regeln für die folgenden Bücher. Damit nicht genug haben auch das Schuld- und das Sachenrecht ihre allgemeinen Teile.

      Dieser Gesetzesaufbau ist überaus verschachtelt, das BGB ein verwirrendes Labyrinth, in das der unbedarfte Leser leicht hineingerät, aber nur schwer wieder hinausfindet. Wer mit diesem Gesetzbuch vernünftig arbeiten will, muss seinen Bauplan kennen, muss wissen, wie die ersten drei Bücher ineinander greifen. Stein des Anstoßes ist der Allgemeine Teil. Wenn man heute noch sagt, der Allgemeine Teil ziehe die allgemeinen Regeln vor die Klammer, ist dies wortwörtlich zu verstehen, mathematisch nämlich, wie es dem Denken der Aufklärung entsprach.

      Einen Vorwurf verdient dieses Schachtelsystem nicht, sondern nötigt dem Juristen noch heute Bewunderung ab. Rationeller kann man ein Gesetz dieses Ausmaßes kaum organisieren, präziser die Rechtsbegriffe kaum fassen. Ein Lehrbuch ist das BGB freilich nicht. Auch muss das Lehrbuch den Aufbau des BGB nicht blind übernehmen, sondern soll das gesetzliche Labyrinth seiner Schrecken berauben und begehbar machen. Der praktische Jurist denkt nun einmal nicht vom Allgemeinen zum Besonderen, sondern in umgekehrter Richtung vom Besonderen seines Falles oder Problems zum Allgemeinen, und diesen Denkweg will auch dieses Buch gehen.

3. Der rechtliche Zusammenhang der ersten drei Bücher des BGB

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      Hauptthema des Allgemeinen Teils des BGB ist das Rechtsgeschäft (§§ 104-185), bestehend aus einer Willenserklärung (§§ 116-144) oder deren zwei, die sich zu einem Vertrag (§§ 145-157) zusammenfinden. Es sind dies Abstraktionen höchsten Grades, die im praktischen Rechtsleben nicht vorkommen und den naiven Leser verwirren müssen.

      Thema des Schuldrechts ist das – vertragliche oder gesetzliche – Schuldverhältnis zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner. Der Gläubiger hat einen Anspruch auf eine Leistung, genannt Forderungsrecht oder kurz Forderung, und was der Gläubiger fordern darf, soll der Schuldner leisten. Forderungsrecht und Leistungspflicht sind die beiden Seiten derselben Medaille, die Schuldverhältnis heißt. Auch dies sind noch hochgradige Abstraktionen, die nur der gelernte Jurist versteht. Von ihnen handelt der allgemeine Teil des Schuldrechts (§§ 241-432). Erst das besondere Schuldrecht (§§ 433-853) regelt Rechtsverhältnisse, mit denen auch der juristische Laie etwas anfangen kann, Kauf und Miete, Darlehen und Bürgschaft sagen jedermann etwas, wenn auch noch nichts Genaues.

      Die Themen des Sachenrechts sind Besitz, Eigentum und beschränkte dingliche Rechte. Wie aber hängt das Sachenrecht mit dem Schuldrecht und wie mit dem Allgemeinen Teil zusammen? Dieser Frage entgeht kein Ziviljurist. Erst die Antwort öffnet die Tür zum rechtlichen Verständnis des gesetzlichen Schachtelsystems im Allgemeinen und des Sachenrechts im Besonderen.

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      Den rechtlichen Zusammenhang zwischen Schuld- und Sachenrecht erschließen anschaulich die beiden Hauptdarsteller: der Kaufvertrag und die Übereignung.

      Der Kauf ist ein schuldrechtlicher Vertrag, der den Verkäufer nach § 433 I verpflichtet, dem Käufer die Kaufsache mangelfrei zu übergeben und zu übereignen. Und was dem Verkäufer die Verpflichtung, das ist dem Käufer auf der anderen Seite des Kaufs der schuldrechtliche Anspruch, das Forderungsrecht oder die Forderung auf Übergabe und Übereignung. Mehr gibt der Kaufvertrag nicht her, macht den Käufer weder zum Besitzer noch zum Eigentümer.

      Besitzer wird der Käufer erst durch Übergabe der Kaufsache nach § 854 I, und Eigentum erwirbt er erst durch Einigung und Übergabe nach § 929 S. 1 oder, wenn es sich um ein Grundstück handelt, durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch nach §§ 873, 925. Dies aber sind sachenrechtliche Vorgänge. Die Übereignung ist ein anderes Geschäft als der Kauf, weil ihre Rechtsfolge eine andere ist. Sie überträgt das Eigentum vom Verkäufer auf den Käufer, verpflichtet aber nicht. Der Kaufvertrag dagegen verpflichtet nur, überträgt aber noch kein Eigentum. Erst die sachenrechtliche Übereignung erfüllt die schuldrechtliche Verkäuferpflicht und löscht sie nach § 362 I aus. Dies ist die klare Sprache des BGB (RN 1457).


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