Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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der sachenrechtlichen Übereignung und hindert so den Verkäufer daran, sein Eigentum nach § 812 I 1 als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzufordern, denn was man mit Rechtsgrund erwirbt, darf man auch behalten (RN 1459 ff.).

      Fazit: Das geltende Recht trennt scharf zwischen Kauf und Übereignung, zwischen Verpflichtung und Erfüllung, zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und der sachenrechtlichen Verfügung (RN 1460). Schuld- und Sachenrecht sind zwei Welten, die man auch dann auseinander halten muss, wenn sie im praktischen Rechtsleben unentwirrbar ineinander greifen.

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      Kauf und Übereignung sind, ihren unterschiedlichen Rechtsfolgen zum Trotz, gleichermaßen Rechtsgeschäfte. Das ist ihr gemeinsamer Nenner, der die Brücke schlägt zum Allgemeinen Teil des BGB. Die §§ 104-185 über Rechtsgeschäfte, Willenserklärungen und Verträge gelten auch für Kauf und Übereignung, soweit das Schuld- und Sachenrecht nichts anderes sagt, denn das ist Sinn und Zweck allgemeiner, vor die Klammer gesetzter Regeln.

      Auch die Übereignung ist ein Rechtsgeschäft und besteht – unter anderem – aus Willenserklärungen. Auch die dingliche Einigung ist ein Vertrag, der durch Willenserklärungen zu Stande kommt, die auf dieselbe Rechtsfolge zielen. Auch die Übereignung kann wegen Geschäftsunfähigkeit, Gesetzesverstoßes oder Sittenwidrigkeit nichtig sein oder wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung durch Anfechtung vernichtet werden (RN 1470 ff.).

2. Kapitel Das objektive Sachenrecht

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      Das Sachenrecht steht, mehr als 400 Paragrafen stark, im 3. Buch des BGB, aber nicht nur dort. Zum Sachenrecht gehören auch die §§ 90-103 über Sachen und Tiere, Sachbestandteile und Zubehör, Sachfrüchte und Sachnutzungen; sie bilden eine Art allgemeiner Teil des Sachenrechts und liefern eine Reihe verbindlicher gesetzlicher Definitionen. Den Rechtsfolgen nach zählen auch ein paar schuld-, familien- und erbrechtliche Vorschriften zum Sachenrecht: die §§ 718, 719 über die Gesamthand der Gesellschafter, die §§ 1362, 1416, 1424 über Eigentumsvermutungen in der Ehe und die Gesamthand in der Gütergemeinschaft sowie die §§ 2032, 2033 über die Gesamthand der Miterben.

      Außerhalb des BGB sind geregelt: das Wohnungs- und Teileigentum im WEG und das Erbbaurecht im ErbbauRG.

      Die Art. 64-69, 106-133 EGBGB ermächtigen die Länder, ein paar sachenrechtliche Beziehungen zu regeln wie den Altenteil oder das Nachbarrecht; so ergänzen etliche Nachbarrechtsgesetze der Länder das bundesrechtliche Nachbarrecht der §§ 906 ff.

      Sogar in der ZPO verlieren sich ein paar sachenrechtliche Vorschriften: die §§ 867, 868 über Zwangshypothek und Eigentümerhypothek, § 894 über die fiktive Abgabe einer dinglichen Willenserklärung, § 895 über die Sicherung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils durch Vormerkung oder Widerspruch und § 898 über den Erwerb vom Nichtberechtigten.

      Auch im Sachenrecht gilt:

- Bundesrecht bricht Landesrecht (Art. 31 GG);
- jüngeres Recht bricht älteres Recht;
- spezielles Recht geht allgemeinem Recht vor.

      Über allem thront das Grundgesetz, dessen Art. 14 das Eigentum samt allen anderen dinglichen Rechten nicht nur als individuelle Grundrechte, sondern auch als Institutionen des Zivilrechts garantiert.

2. Das System des Sachenrechts

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      Das 3. Buch „Sachenrecht“ des BGB handelt vom Besitz, vom Eigentum und von den beschränkten dinglichen Rechten an einer Sache. Die 8 Abschnitte sind überschrieben mit:

- „Besitz“ (§§ 854-872);
- „Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken“ (§§ 873-902);
- „Eigentum“ (§§ 903-1011, ergänzt durch das WEG);
- „Dienstbarkeiten“ (§§ 1018-1093);
- „Vorkaufsrecht“ (§§ 1094-1104);
- „Reallasten“ (§§ 1105-1112);
- „Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld“ (§§ 1113-1203);
- „Pfandrecht an beweglichen Sachen und an Rechten“ (§§ 1204-1296).

      Das Erbbaurecht war früher in §§ 1012-1017 BGB und ist jetzt im ErbbauRG geregelt.

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      Gegen eine landläufige Meinung, die beides in einen Topf wirft, trennt das BGB klar und deutlich zwischen Besitz und Eigentum. Den Besitz definiert § 854 I als „tatsächliche Gewalt über die Sache“, die rechtliche Sachherrschaft reserviert § 903 dem Eigentum. Schärfer konnte der Gesetzgeber die Grenze nicht ziehen, denn die Trennung zwischen tatsächlicher und rechtlicher Sachherrschaft, zwischen Tatsache und Recht ist fundamental. Es gibt keinen vernünftigen Grund, schon den nackten Besitz als dingliches Recht zu behandeln. Erst das Recht zum Besitz nach § 986, sei es dinglich oder schuldrechtlich, verleiht der tatsächlichen Sachherrschaft rechtliche Qualität (RN 22).

      Warum aber schützen die §§ 858 ff. auch den unrechtmäßigen Besitz vor verbotener Eigenmacht des Berechtigten? Weil der Rechtsstaat in aller Regel keine Selbsthilfe dulden kann.

      Eine führende Rolle spielt der Besitz im Recht der beweglichen Sachen für den Erwerb des Eigentums sowohl vom Berechtigten (§§ 929 ff.) als auch vom Nichtberechtigten (§§ 932 ff.) und für die Beweislast (§ 1006).

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      Aus historischen und technischen Gründen musste schon der Gesetzgeber das Sachenrecht in zwei Blöcke aufspalten: in das Grundstücksrecht (Liegenschaftsrecht)


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