Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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unmittelbaren Besitz (und Eigentum) erwerbe. Man spricht von einem vorweggenommenen Besitzmittlungsverhältnis oder antizipierten Besitzkonstitut[108], das nach § 181 sogar durch Insichgeschäft einer einzigen Person zustandekommen kann[109]. Zwar erfordert der mittelbare Besitz ein Besitzmittlungsverhältnis zur Zeit des Besitzerwerbs; ist es aber schon vorher entstanden, wird sein Fortbestand vermutet. - Der mittelbare Besitzer überträgt seinen Besitz nach § 870 auf einen anderen (RN 82).

      80

      Der mittelbare Besitz geht auf die folgende Art und Weise verloren:

- Der Herausgabeanspruch aus dem Besitzmittlungsverhältnis erlischt durch Erfüllung oder Erlass, durch Zerstörung oder unwiderbringlichen Verlust der herauszugebenden Sache.
- Der Besitzmittler verliert – freiwillig oder unfreiwillig – den unmittelbaren Besitz.
- Der Besitzmittler ändert seinen Besitzwillen: Er will künftig nicht mehr für den mittelbaren Besitzer besitzen, sondern für einen anderen oder gar als Eigenbesitzer nur für sich selbst[110], kurzum: Er anerkennt nicht mehr den Oberbesitz und Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers. Der geheime Vorbehalt, nicht mehr für den anderen besitzen zu wollen, ist freilich auch hier belanglos. Der unmittelbare Besitzer muss seine Willensänderung kund tun durch Abschluss eines Besitzmittlungsvertrags mit einem anderen, durch Übereignung, durch Entfernung der Pfandsiegel oder einen ähnlichen Willensakt[111].

      Beispiel

      Der Käufer übereignet Ware, die er unter Eigentumsvorbehalt erworben hat, nach § 930 seiner Bank als Sicherheit und zerstört dadurch den mittelbaren Besitz des Verkäufers, denn er kann nicht gleichzeitig zwei verschiedenen Eigentümern den Besitz vermitteln (BGH 50, 45; NJW 78, 696).

      Dagegen bleibt der mittelbare Besitz des Vorbehaltsverkäufers bestehen, wenn der Käufer nicht die Sache selbst, sondern nur sein eigenes Anwartschaftsrecht auf Eigentum sicherungsübereignet, denn diese Sicherungsübereignung verträgt sich ohne weiteres mit dem bisherigen Besitzmittlungsverhältnis (BGH 28, 29; 50, 49).

      81

      Der unmittelbare Besitzer kann nicht gleichzeitig mehreren Oberbesitzern nebeneinander gleichstufigen mittelbaren Besitz vermitteln. § 871 erlaubt nur mehrstufigen mittelbaren Besitz (RN 83), für ein Nebeneinander mehrerer mittelbarer Besitzer auf gleicher Stufe ist kein Platz. Der Besitzmittler kann nicht gleichzeitig zwei Herrn dienen und mehrerer selbstständige Herausgabeansprüche verschiedener Oberbesitzer anerkennen[112].

      Damit darf man den Mitbesitz (§ 866) mehrerer mittelbarer Besitzer nicht verwechseln; vermieten mehrere Personen gemeinsam eine Sache, werden sie mittelbare Mitbesitzer (§§ 868, 866).

      82

      Der mittelbare Besitz wird nach § 870 durch Abtretung des Herausgabeanspruchs übertragen. Es ist dies in aller Regel nicht der Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985, sondern der vertragliche oder gesetzliche Herausgabeanspruch aus dem Besitzmittlungsverhältnis, also aus Nießbrauch, Pfandrecht, Miete, Pacht oder einem „ähnlichen Verhältnis“. Nicht erforderlich ist die Übertragung des ganzen Besitzmittlungsverhältnisses. Schon allein durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs überträgt der mittelbare Besitzer seinen Besitz und vermittelt der unmittelbare Besitzer den mittelbaren Besitz nunmehr dem Abtretungsempfänger[113]. Dagegen überträgt die Begründung eines weiteren mittelbaren Besitzes auf einer höheren Stufe nach § 871 nicht den vorhandenen mittelbaren Besitz.

      Statt durch Einigung und Übergabe nach § 929 S. 1 kann man eine bewegliche Sache nach § 931 auch durch Einigung und Übertragung des mittelbaren Besitzes übereignen[114].

      Im Handelsverkehr überträgt schon die Übergabe eines Traditionspapiers: eines Ladescheins, Orderlagerscheins oder Konossements mittelbaren Besitz an der Sache; für andere Papiere wie Frachtbrief, Anweisung oder Rechnung gilt dies nicht (RN 1120).

      Kraft Gesetzes gehen nach §§ 566 I, 578 I mit dem Mietverhältnis auch der Herausgabeanspruch und der mittelbare Besitz des Wohnungs- oder Grundstücksvermieters auf den neuen Eigentümer über.

      83

      Nach § 871 kann auch der mittelbare Besitzer einem anderen mittelbaren Besitz vermitteln. Auf diese Art und Weise lassen sich mehrere Besitzmittlungsverhältnisse aufeinander türmen.

      Beispiele

- Der Eigentümer vermietet seinen Hebekran einem Bauunternehmer und übereignet ihn sodann sicherungshalber nach § 931 an seine Bank. Der Mieter ist unmittelbarer Fremdbesitzer, der bisherige Eigentümer mittelbarer Fremdbesitzer auf der ersten Stufe und die Bank mittelbare Eigenbesitzerin auf der zweiten Stufe. Durch die Sicherungsübereignung hat der bisherige Eigentümer seinen mittelbaren Eigenbesitz in mittelbaren Fremdbesitz verwandelt und vermittelt nun seinerseits der Bank mittelbaren Eigenbesitz, der stets auf der obersten Stufe steht (BGH NJW 59, 1537; 64, 398). Der unmittelbare Besitzer muss den höherstufigen mittelbaren Besitz nicht kennen (BGH NJW 64, 398).
- Der Eigentümer vermietet eine Wohnung und mietet dann ein Zimmer dieser Wohnung. Dadurch wird er, obwohl Eigentümer, unmittelbarer Fremdbesitzer des Mietzimmers, der Wohnungsmieter ist unmittelbarer Fremdbesitzer der Mietwohnung mit Ausnahme des untervermieteten Zimmers; insoweit ist er mittelbarer Fremdbesitzer erster Stufe. Der Eigentümer ist schließlich auch noch mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe der vermieteten Wohnung.
- Der Deutsche Kassenverein (DKV) nimmt im Auftrag einer Bank Inhaberschuldverschreibungen eines Bankkunden in Girosammelverwahrung nach § 24 DepotG. Dadurch wird er unmittelbarer Fremdbesitzer, die Bank mittelbare Fremdbesitzerin der ersten Stufe und der Kunde mittelbarer Eigenbesitzer der zweiten Stufte (BGH NJW 97, 2111: Verpfändung des Depots deshalb nach § 1205 I 2).
- Leben die Ehegatten in einer Wohnung zusammen, die dem einen zu Alleineigentum gehört, oder ist die Wohnung (auch) mit Hausrat ausgestattet, der einem Ehegatten allein gehört, so haben beide wie selbstverständlich unmittelbaren Mitbesitz (§ 866) an Ehewohnung und Hausrat, wem immer sie gehören (BGH NJW 79, 976). Aber der Eigentümer ist Eigenbesitzer (§ 872), der Nichteigentümer Fremdbesitzer, der dem Eigentümer kraft der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353) zugleich mittelbaren Eigenbesitz vermittelt (BGH 73, 257; 67, 217).
- Pfändet der Gerichtsvollzieher
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