Handbuch Arzthaftungsrecht. Alexander Raleigh Walter
nicht als rechtliches i.S. von § 66 ZPO angesehen werden kann.[112] Das hat sich auch nicht durch den § 66 SGB V geändert, der die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, die „Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen.“ Damit ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht die forensische Unterstützung gemeint: „Die Unterstützung der Krankenkassen nach S. 1 kann insbesondere die Prüfung der von den Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität, mit Einwilligung der Versicherten die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern, die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 sowie eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen umfassen.“ Diese Aufgabe bereitet den gesetzlichen Krankenkassen noch immer große Schwierigkeiten.
2. Aktivlegitimation
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Zur Geltendmachung eines vertraglichen oder deliktischen Anspruchs ist grundsätzlich der Patient selbst berechtigt, soweit nicht seine Ansprüche gemäß § 116 SGB X auf die gesetzliche Krankenversicherung übergegangen sind.[113] Gemäß § 116 SGB X können allerdings nur die Behandlungskosten übergehen. Ansprüche z.B. auf Verdienstausfall und insbesondere auf Schmerzensgeld sind grundsätzlich vom Verletzten selbst zu verfolgen.
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Schadensersatzansprüche können darüber hinaus aber auch durch Dritte, welche dem primären Schadensereignis fern stehen und einen Schaden an einem eigenen Rechtsgut erlitten haben, geltend gemacht werden. Das Paradebeispiel einer solchen sekundären Betroffenheit sind die so genannten Schockschäden[114]. Ob diese Rechtsprechung durch § 844 Abs. 3 BGB abgelöst wird, wird sich zeigen.
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Da die Ansprüche des Patienten nach § 1922 BGB auf den Erben übergehen können, ist gegebenenfalls auch dieser aktivlegitimiert.[115]
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Aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder aus §§ 844, 845 BGB können auch Familienangehörige des Patienten zur Geltendmachung eigener Ansprüche berechtigt sein.[116] Diese Konstellationen sind deutlich von denjenigen der sekundären Betroffenheit zu unterscheiden.[117] Das Vertrags- und das Deliktsrecht schützen zudem die Integrität der Leibesfrucht während jedes ärztlichen Eingriffs sowohl pränatal als auch während der Geburt.[118]
3. Passivlegitimation
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Eine vertragliche Einstandspflicht trifft den Behandler, der die diagnostische oder therapeutische Aufgabe abredegemäß übernahm oder zu übernehmen hatte. In Frage kommen der niedergelassene Arzt, der Chefarzt für seine Privatpraxis und seine Krankenhausambulanz, der Krankenhausträger und der selbstliquidierende Krankenhausarzt für die stationäre sowie die vor- und nachstationäre Behandlung und der Krankenhausträger für das ambulante Operieren.[119]
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Vgl. sehr detailliert hierzu 3. Teil, 1. Kap.
VI. Fehler eines Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen
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Als Vertragspartner des Patienten haben Krankenhausträger und Arzt für die Fehler der von ihnen herangezogenen Gehilfen nach § 278 BGB einzustehen. Für die Gehilfen selbst kann eine deliktische Haftpflicht in Frage kommen. Der Garantiehaftung für Erfüllungsgehilfen liegt der Gedanke zugrunde, dass der Schuldner durch die Indienstnahme von Gehilfen im eigenen Interesse seinen Geschäftskreis erweitert und darum das mit der Arbeitsteilung verbundene Personalrisiko zu tragen hat. Nach ständiger Judikatur ist Erfüllungsgehilfe, wer rein tatsächlich mit dem Willen des Schuldners, also des Krankenhausträgers oder des Arztes, als dessen Hilfsperson bei der Erfüllung der geschuldeten Leistung tätig wird. Der Erfüllungsgehilfe kann in den Betrieb des Schuldners integriert sein, aber auch selbstständig tätig werden. Auf eine Weisungsbefugnis kommt es daher nicht an.[120]
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Nimmt der behandelnde Arzt einen Konsiliarius in Anspruch, kommt es für die Haftung auf die vertraglichen Beziehungen an. Zieht der behandelnde Arzt im ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis seines Patienten einen Konsiliarius hinzu, so kommt zwischen diesem und dem Kranken regelmäßig ein weiterer selbstständiger Arztvertrag zustande, mit der Folge, dass der Konsiliararzt selbst liquidiert und auch selbst gegenüber seinem Patienten haftet.[121] Fehlt es an diesem Vertrag, honoriert der beauftragende Arzt den Konsiliarius und haftet auch für den Konsiliarius nach § 278 BGB.[122] Entsprechendes gilt für den hinzuzuziehenden Laborarzt. Haftungsansprüche zwischen dem beauftragenden Arzt und den Konsiliarius bleiben davon unberührt.
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Auch der Urlaubsvertreter des niedergelassenen Arztes gilt grundsätzlich als dessen Erfüllungsgehilfe[123]. Der Vertreter selbst haftet dem Patienten, sofern keine Überweisung an ihn vorliegt, grundsätzlich nur deliktisch.[124]
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Ist der Arzt Teil einer ärztlichen Gemeinschaft, hängt die Frage des Haftungsschuldners von der Art der ärztlichen Kooperation ab.[125] Bei der Praxisgemeinschaft haften die Partner nur für die Rechtsgeschäfte und Handlungen, die sie in Verfolgung des Gesellschaftszwecks vornehmen, gesamtschuldnerisch. Deliktisch indessen bleibt jeder von ihnen mangels Weisungsunterworfenheit für die eigenen Fehler passiv legitimiert. Für das Praxisnetz gilt das gleichermaßen.[126]
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Wird eine Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben, ist nach neuerer Rechtsprechung[127] die Gesellschaft selbst Haftungssubjekt und haftet grundsätzlich selbst für Fehlbehandlungen ihrer als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) handelnden Ärzte und Gehilfen aus dem mit ihr geschlossenen Behandlungsvertrag.[128] Sie ist auch deliktsrechtlich verpflichtet. Die einzelnen Ärzte sind mangels Weisungsabhängigkeit zwar keine Verrichtungsgehilfen i.S.d. § 831 BGB, die Behandlung durch den Arzt ist aber der Geschäftsführung für die Gemeinschaftspraxis zuzurechnen und analog § 31 BGB ihr als eigenes Handeln zuzuordnen.[129] Die Ärzte der Gemeinschaftspraxis haften daneben akzessorisch mit ihrem Privatvermögen als Gesamtschuldner für vertragliche und deliktische Verbindlichkeiten analog §§ 128, 130 HGB. Im Innenverhältnis haftet nur der Arzt, der für den Schaden verantwortlich ist.[130]
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Haben sich Freiberufler in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammengeschlossen, so haften die Gesellschaft und die Partner für Verbindlichkeiten gesamtschuldnerisch (§ 8 Abs. 1 PartGG). Nach § 8 Abs. 2 PartGG haften im Schadensfall aber nur die an der Behandlung beteiligten Ärzte neben der Partnerschaft. Deliktisches Handeln wird der Partnerschaft gemäß § 31 BGB zugerechnet.[131]
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Die Ärzte-GmbH haftet als juristische Person für Behandlungsfehler der beteiligten Ärzte und Helfer vertraglich und deliktisch. Daneben haben angestellte Ärzte persönlich und gesamtschuldnerisch für eigene Fehler einzustehen, die zu einer Schädigung des Patienten geführt haben.[132]
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Da für das MVZ gemäß § 95 Abs. 1 S. 6 SGB V alle genannten zulässigen Gesellschaftsformen gewählt werden können,[133] folgt das Haftungsrecht der gewählten Rechtsform.[134]
VII. Krankenhausträger
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Den Krankenhausträger[135] kann eine Haftpflicht aufgrund eines totalen Krankenhausvertrages oder eines Krankenhausvertrages