Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook. Silvia Deuring
Ereignis ist folglich die Bekanntgabe, Art. 41 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG. Nach der Drei-Tages-Fiktion des Art. 41 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG gilt ein durch die Post übermittelter Verwaltungsakt am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Der Bescheid vom 7.7.2015 wurde also am 10.7.2015 bekanntgegeben. Gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB beginnt die Klagefrist danach am 11.7.2015 um 0 Uhr[3] und endet ausweislich §§ 74 Abs. 1 S. 2, 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB am 10.8.2015 um 24 Uhr.
Die Klageerhebung am 3.8.2015 ist also fristgerecht.
VI. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
1. Sachliche Zuständigkeit, § 45 VwGO
Die Verwaltungsgerichte sind erstinstanzlich sachlich zuständig, § 45 VwGO.
2. Örtliche Zuständigkeit, § 52 Nr. 3 VwGO
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus § 52 Nr. 3 VwGO. Für den in Oberbayern erlassenen Widerrufsbescheid ist das Verwaltungsgericht München gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayAGVwGO örtlich zuständig.
VII. Beteiligtenbezogene Voraussetzungen, §§ 61, 62 VwGO
A ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligten- und ausweislich § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 104 ff. BGB e contrario prozessfähig.
Der beklagte Freistaat Bayern ist als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligtenfähig und muss sich nach § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LABV von einem Vertreter der Ausgangsbehörde – der Regierung von Oberbayern – vertreten lassen.
VIII. Zwischenergebnis
Die Klage des A erfüllt damit die Sachurteilsvoraussetzungen.
B. Begründetheit
Die Anfechtungsklage des A ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
I. Passivlegitimation, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
Die Klage ist gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, zu richten, § 78 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 Alt. 1 VwGO (Rechtsträgerprinzip). Rechtsträger der handelnden Regierung von Oberbayern ist der Freistaat Bayern. Richtiger Beklagter ist also der Freistaat selbst.
II. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts
1. Rechtsgrundlage
Rechtsgrundlage des Widerrufs der Approbation ist § 5 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO. Diese Rechtsgrundlage müsste selbst mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz, in Einklang stehen. Ein auf einer nichtigen Rechtsgrundlage basierender Verwaltungsakt wäre per se rechtswidrig.
Anmerkung:
Die Bundesärzteordnung unterscheidet zwischen der Rücknahme, dem Widerruf und dem Ruhen der Approbation.
Gem. § 5 Abs. 1 BÄO ist (gebundene Entscheidung) die Approbation zurückzunehmen, wenn bei ihrer Erteilung eine der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 nicht vorgelegen hat oder bei einer vor Wirksamwerden des Beitritts erteilten Approbation das an einer Ausbildungsstätte in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet oder das in einem Fall des § 14 Abs. 1 S. 2 oder in einem Fall des § 14a Abs. 4 S. 1 erworbene Medizinstudium nicht abgeschlossen war oder die Ausbildung nach § 3 Abs. 1 S. 2 oder 6 oder § 3 Abs. 2 oder 3 oder die nach § 14b nachzuweisende Ausbildung nicht abgeschlossen war. Sie kann (Ermessensentscheidung) zurückgenommen werden, wenn bei ihrer Erteilung eine der Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 nicht vorgelegen hat. Eine nach § 3 Abs. 2 oder 3 erteilte Approbation kann (Ermessensentscheidung) zurückgenommen werden, wenn die festgestellte Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes tatsächlich nicht gegeben war oder der alternativ festgestellte gleichwertige Kenntnisstand tatsächlich nicht nachgewiesen worden ist. Eine nach § 3 Abs. 2 oder 3 oder nach § 14b Abs. 2 erteilte Approbation kann (Ermessensentscheidung) zurückgenommen werden, wenn die nachzuweisende Ausbildung tatsächlich doch wesentliche Unterschiede gegenüber der in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 geregelten Ausbildung aufgewiesen hat oder die zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Geltungsbereich dieses Gesetzes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Eignungsprüfung tatsächlich nicht nachgewiesen worden sind.
Gem. § 5 Abs. 2 BÄO ist (gebundene Entscheidung) die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 weggefallen ist. Sie kann (Ermessensentscheidung) widerrufen werden, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 weggefallen ist.
Die Rücknahme ist die Aufhebung des Verwaltungsakts (der Approbation), der gar nicht hätte ergehen dürfen, da die Voraussetzungen für seinen Erlass schon nicht gegeben waren. Die Approbation wird mit Wirkung ex tunc beseitigt, sodass der Betroffene von Anfang an nicht zum ärztlichen Beruf zugelassen war. Beim Widerruf hingegen wird die an sich rechtmäßig erteilte Approbation für die Zukunft ex nunc aufgehoben, da Gründe aufgetreten sind, die den Entzug ab jetzt notwendig machen.[4]
Beim Ruhen der Approbation nach § 6 BÄO handelt es sich um eine vorübergehende ordnungsrechtliche Maßnahme. Diese Maßnahme ist dazu bestimmt, die Ausübung der Heilkunde einem Arzt, dessen Eignung und Fähigkeit zur Ausübung des Arztberufs zweifelhaft geworden sind, für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen, etwa weil eine weitere Tätigkeit des Arztes bis zur Beendigung eines Strafverfahrens wegen einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO), eine konkrete Gefahr für die Allgemeinheit oder für den Einzelnen nach sich ziehen würde. Anders als der Widerruf oder die Rücknahme der Approbation erfasst § 6 also die Fälle, in denen eine Ungeeignetheit oder Unzuverlässigkeit bzw. Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht feststeht.[5]
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit
Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage bestehen keine.
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit
§ 5 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO könnte einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, darstellen.
aa) Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG
(1) Persönlicher Schutzbereich
Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG begrenzt den persönlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit auf Deutsche. Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist u.a., wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, Art. 116 Abs. 1 GG. A ist als Deutscher vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG erfasst.
(2) Sachlicher Schutzbereich
Als Beruf i.S.v. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ist jede auf Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung anzusehen, die nicht schlechthin gemeinschädlich ist.[6] Der Betrieb einer internistischen Praxis ist auf gewisse Dauer angelegt und dient der Erhaltung der Lebensgrundlage des A. Gemeinschädlich sind Tätigkeiten, die „schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können“[7]. Der Betrieb der Arztpraxis fällt nicht darunter.
Der einheitliche Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst die Gewährleistungsdimensionen