Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook. Silvia Deuring

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Tätigkeiten betrifft die Berufswahlentscheidung des A. Der sachliche Schutzbereich der Berufsfreiheit ist mithin eröffnet.

      bb) Eingriff

      In den Schutzbereich müsste eingriffen worden sein. Ein Eingriff ist jedes staatliche Tun, das die Ausübung einer grundrechtlich geschützten Tätigkeit unmöglich macht oder jedenfalls nicht unwesentlich erschwert. Der Entzug der Approbation, den § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ermöglicht, ist ein staatlicher Rechtsakt und wirkt ohne weitere Zwischenakte als Verbot der Ausübung ärztlicher Tätigkeiten, vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO. Damit liegt ein Eingriff vor.

      cc) Rechtfertigung

      Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein. Dies ist der Fall, wenn es sich bei § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO um eine taugliche Schrankenregelung handelt.

      (1) Schranke

      Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG sieht eine Einschränkungsmöglichkeit der Berufsfreiheit „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ vor und stellt einen einfachen Gesetzesvorbehalt für das gesamte, als einheitlich zu verstehende Grundrecht dar.[9] § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist als formelles Bundesgesetz eine taugliche Schrankenregelung in diesem Sinne.

      (2) Schranken-Schranke

      Allerdings müsste das Schrankengesetz selbst verfassungsgemäß, insbesondere verhältnismäßig, sein.

      (a) Legitimer Zweck

      Zunächst müsste das Gesetz einen legitimen Zweck verfolgen. Der Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist die Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Würdigkeit für die Ausübung des Arztberufs und der Schutz der körperlichen Integrität der Patienten.[10] Dies stellt zweifelsohne einen legitimen Zweck dar.

      (b) Geeignetheit

      Darüber hinaus müsste das Gesetz zur Erreichung des Ziels auch geeignet sein. Der Widerruf der Approbation des Arztes bei Wegfall der Voraussetzungen der Erteilung der Approbation gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO ist – im Falle eines Fehlverhaltens, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt – zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Würdigkeit der im Arztberuf tätigen Personen zum Schutz der körperlichen Integrität der Patienten geeignet.

      (c) Erforderlichkeit

      Um die Erforderlichkeit des Eingriffs bejahen zu können, dürfte kein anderes milderes, aber gleichermaßen geeignetes Mittel zur Erreichung des Zwecks in Betracht kommen.

      Grundsätzlich ist seit dem Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts nach der Drei-Stufen-Lehre insoweit zwischen einer Beeinträchtigung der Berufsausübung einerseits und der Berufswahl andererseits zu differenzieren.[11] Während eine Berufsausübungsbeeinträchtigung lediglich einzelne Aspekte eines Berufs verbietet, also das „Wie“ betrifft, richtet sich eine Maßnahme gegen die Berufswahl gegen den Zugang zu dem Beruf, mithin das „Ob“ der Ausübung. Bei den Berufswahlregelungen ist weiter zu differenzieren zwischen den subjektiven und den objektiven Berufswahlregelungen: Erstere knüpfen an von der Person beeinflussbare Bedingungen an,[12] letztere an solche, die dem Einfluss der Person entzogen sind[13]. Der Entzug der Approbation aufgrund einer schwerwiegenden persönlichen Verfehlung stellt eine subjektive Berufswahlbeschränkung dar, da es jeder Betroffene selbst in der Hand hat, sich so zu verhalten, dass ihm die Approbation nicht entzogen wird. Weniger einschneidend als Berufszulassungsregelungen wäre stets eine Berufsausübungsregelung. Im Fall einer Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs kann mit einer bloßen Beschränkung der Berufsausübung das Ziel der Sicherstellung des Schutzes der körperlichen Integrität der Patienten aber nicht erreicht werden.

      Zwar käme ein zeitweiser Widerruf der Approbation in Betracht. Kann aber der Arzt mit der sicheren Wiedererlangung der Approbation nach Zeitablauf rechnen, so erzielt der zeitweise Widerruf gewiss nicht denselben Effekt wie der hier fragliche gänzliche Widerruf.

      Der Approbationswiderruf, wie ihn § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO vorsieht, ist somit auch erforderlich.

      (d) Angemessenheit

      Schließlich muss der Eingriff im Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen.[14] Gegeneinander abzuwägen sind ein schwerwiegender Eingriff in die Berufsfreiheit des A, der mit einer Bedrohung der beruflichen und privaten Existenz einhergeht, auf der einen Seite und das Vertrauen in den Berufsstand und die Gewährleistung der Gesundheit und körperlichen Integrität der Patienten auf der anderen Seite.

      Die Drei-Stufen-Theorie verlangt für die vorliegende subjektive Berufswahlregelung die Erforderlichkeit des Eingriffs zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes.[15] Insbesondere der Schutz der Gesundheit und körperlichen Integrität stellt ein solches gewichtiges Gemeinschaftsgut dar.

      Problematisch erscheint aber, dass § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO eine gebundene Entscheidung vorsieht, der Behörde also kein Ermessensspielraum eingeräumt wird, im Rahmen dessen sie die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, des Betroffenen ausreichend berücksichtigen könnte. Diese Kritik greift indes zu kurz, denn § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO als „Eintrittstor“ in § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO enthält selbst verschiedene unbestimmte Rechtsbegriffe, zu deren Konkretisierung es der Auslegung bedarf. Im Rahmen dieser Auslegung können die Grundrechte des Betroffenen dann ausreichend gewürdigt werden. Überdies ist anerkannt, dass im Einzelfall zur Ermöglichung einer verfassungskonformen Auslegung eine an sich gebundene Entscheidung in eine Ermessensnorm umzudeuten ist.[16] Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass vorliegend ein Verfassungsverstoß nicht schon aus der als gebundene Entscheidung formulierten Norm folgt. Im Übrigen wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne durch die Möglichkeit einer Wiedererteilung der Approbation und der Erlaubnis zur erneuten Berufsausübung i.S.d. § 8 BÄO[17] ausreichend Rechnung getragen.[18]

      § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist verhältnismäßig im engeren Sinne.

      c) Zwischenergebnis

      § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist mithin rechtmäßige und daher taugliche Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation des A.

      2. Formelle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

      a) Zuständigkeit

      Gemäß § 12 Abs. 4 S. 1 BÄO ist die Behörde des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt wird oder zuletzt ausgeübt worden ist, für Entscheidungen nach § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO zuständig.

      Die sachliche Zuständigkeit des Vollzugs der BÄO obliegt für den Regierungsbezirk Oberbayern gemäß § 1 Abs. 1 HeilBZustV der Regierung von Oberbayern.

      b) Verfahren

      A wurde vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ordnungsgemäß angehört. Das weitere Verfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt.

      c) Form

      Der Verwaltungsakt erging formgültig und ist damit formell rechtmäßig.

      3. Materielle Rechtmäßigkeit

      Der Verwaltungsakt ist materiell rechtmäßig, wenn der Tatbestand der Rechtsgrundlage, § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO, erfüllt ist. Dieser fordert, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO nachträglich weggefallen sind.

      a) Kein Verhalten zum Zeitpunkt der Approbationserteilung, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO

      Bei Erteilung der Approbation im Jahr 1979 lagen die Voraussetzungen der Würdigkeit und Zuverlässigkeit


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