Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz

Polizeigesetz  für Baden-Württemberg - Reiner Belz


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164 StPO), vor allem unter dem Aspekt des Schutzes von Leben und Gesundheit der Unfallopfer und der beteiligten Helfer. Ein Vorgehen gegen derartige Behinderungen im Straßenverkehr kann auf die Bestimmungen des Straßenverkehrsrechts gestützt werden (§§ 44 Abs. 2, 36 StVO), denn zumindest liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vor. Umstritten ist dagegen, ob die Polizei gegen Personen vorgehen darf, die vor Geschwindigkeitsmessungen warnen. Das dürfte – sofern damit nicht tatsächliche Verkehrsverstöße, wie eine Verkehrsbeeinträchtigung (§ 1 Abs. 2 StVO) oder der unzulässige Gebrauch der Lichthupe (§ 16 Abs. 1 StVO) verbunden sind – aufgrund allgemeinen Polizeirechts zu verneinen sein (a. A. OVG Münster, NJW 1997, 1596). Zum einen hat die Warnung den gleichen Effekt wie die Kontrolle selbst, nämlich die Herabsetzung der Geschwindigkeit, zum anderen ist es weder strafbar noch ordnungswidrig, wenn die Verfolgung einer bereits begangenen Ordnungswidrigkeit vereitelt wird (zur Strafvereitelung, die auch die Verfolgungsvereitelung einschließt, vgl. § 258 StGB). Aus dem Recht des Staates, derartige Kontrollen vorzunehmen, fließt nicht automatisch die Befugnis, gegen derartige Warnungen einzuschreiten; das ergibt sich bereits aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Denkbar sind allerdings Maßnahmen bis hin zu einer Festnahme nach § 164 StPO als Ultima Ratio, der auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren entsprechend anwendbar ist (§ 46 Abs. 1, § 53 Abs. 1 OWiG).

      Für Warnungen vor anderen Kontrollstellen gelten die vorstehenden Ausführungen grundsätzlich entsprechend. Ebenso wenig ist die „Leistungsfähigkeit der Verkehrspolizei bzw. der Verkehrsüberwachungsbehörden“ Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Eine derartige Auslegung macht den Begriff „öffentliche Sicherheit“ völlig konturenlos.

      Ein Einschreiten (z. B. Beschlagnahme) gegen das Mitführen von Radarwarngeräten oder Laserstörgeräten ist möglich, weil ein derartiges Handeln nach § 23 Abs. 1 c StVO untersagt ist und nach § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann (vgl. BayVGH, DÖV 2008, 426).

      Weil es auch keine Rechtsnorm gibt und geben kann, welche die bewusste Wahrnehmung öffentlicher polizeilicher Tätigkeit verbietet, kann in einem Ausspähen des polizeilichen Einsatzverhaltens kein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit liegen (so aber OVG Münster, NJW 1980, 138, 139), es sei denn, dass darin eine Strafvereitelung (§ 258 StGB) liegt.

      Handlungen, die allein das Ansehen der Polizei schmälern, können polizeirechtlich nicht unterbunden werden, da ein derartiges Schutzgut rechtlich nicht existiert (a. A. VGH BW, VBlBW 1996, 373, 374). Anders liegt es jedoch dann, wenn eine Beleidigung oder eine Kollektivbeleidigung im Raum stehen.

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      Keine polizeilichen Maßnahmen sind grundsätzlich solche, mit denen Störungen innerhalb staatlicher Einrichtungen abgewehrt werden sollen. Diese können entweder aufgrund einer gesetzlich eingeräumten Ordnungsgewalt getroffen werden (z. B. die Ordnungsgewalt des Ausschussvorsitzenden (§ 89 LVwVfG), des Bürgermeisters als Vorsitzender des Gemeinderats (§ 36 GemO) oder des Gerichts als „Sitzungspolizei“ (§ 172 GVG), aufgrund bestehender Anstaltsgewalt, sofern sie, z. B. in einer Anstalts- und Benutzungsordnung, eine hinreichend konkrete Grundlage gefunden haben (VGH BW, VBlBW 1993, 227 f.), oder sie können aufgrund des gewohnheitsrechtlich bestehenden öffentlich-rechtlichen Hausrechts durch Verwaltungsakt ergehen (VGH BW, JW 1994, 2500, 2501). Zu ihrer Durchsetzung ist die Hinzuziehung des Polizeivollzugsdienstes unter den Voraussetzungen des § 105 Abs. 5 möglich.

      Beispiel: Ein Schüler weigert sich, einem Schulverweis nachzukommen. Der vom Schulleiter herbeigerufene Polizeivollzugsdienst „geleitet“ den Schüler vom Schulgelände.

      Dagegen ist die Ordnungsgewalt des Landtagspräsidenten gem. Art. 32 Abs. 2 VerfBW mit der Befugnis verbunden, selbst polizeiliche Maßnahmen zu ergreifen (BWStGH, NJW 1988, 3199, 3200).

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      Als kollektive Rechtsgüter werden solche angesehen, deren Schutz mit Rücksicht auf die Allgemeinheit, vornehmlich also auf das Leben in der staatlich organisierten Gemeinschaft, geboten ist (BVerwG, DVBl. 1974, 299 f.). Dazu zählen z. B. die öffentliche Wasserversorgung, die Volksgesundheit und die Natur und Landschaft (VGH BW, VBlBW 1987, 109, 110). Polizeilicher Schutz dieser Güter ist jedoch nur im Rahmen der vorhandenen Gesetze (z. B. Wassergesetz, Naturschutzgesetz, Infektionsschutzgesetz, Tiergesundheitsgesetz, Gentechnikgesetz, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) möglich, denn es ist nicht Aufgabe der Polizei, neue Standards zu setzen.

      Insofern ist die eigenständige Nennung dieses Schutzgutes im Grunde überflüssig. Wenn dann sogar „die Erhaltung und Verbesserung der Reinlichkeit des öffentlichen Raums“ dem Schutzgut öffentliche Sicherheit zuzuordnen sein soll (so VGH BW, VBlBW 2006, 103, 104), ist der Weg zum kollektiven Schutzgut „Kehrwoche“ nicht mehr weit.

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      Die Polizei hat auch die durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsgüter des Einzelnen zu schützen. Zu diesen Individualrechtsgütern gehören u. a. Leben, Gesundheit, Freiheit, Würde, Ehre, Eigentum.

      Beispiele: Untersagung eines sogenannten Zwergenweitwurfs, der einen Verstoß gegen die Würde des Menschen darstellt (VG Neustadt, GewArch 1992, 296).

      Einschreiten gegen gesundheitsbeeinträchtigendes Hundegebell (VGH BW, BWVPr. 1975, 60; VBlBW 1982, 142; 1996, 196), lärmende Kuhglocken (VGH BW, VBlBW 1996, 232) oder gegen herumstreunende Hunde, die Unfälle verursachen können.

      Untersagung der Leistung aktiver Sterbehilfe zum Schutz des Lebens (VG Karlsruhe, NJW 1988, 1536; VGH BW, NVwZ 1990, 378).

      Zum Betrieb eines Laserdromes angesichts der Menschenwürde s. u. RN. 36.

      Soweit die Präsentation von Plastinaten Verstorbener (Ausstellung, „Körperwelten“) der (populär-)wissenschaftlichen Vermittlung anatomischer Gegebenheiten dient, sie in einem sachlichen, auch der postmortalen Würde des Toten angemessenem Rahmen stattfindet und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird, widerspricht sie nicht den bestehenden bestattungsrechtlichen Regelungen, insbesondere dem § 25 BestattG (VGH BW, VBlBW 2006, 186). Ein Verbot der Ausstellung insgesamt aufgrund der §§ 1, 3 wäre daher unzulässig.

      Ein durch Polizeiverordnung erlassenes Taubenfütterungsverbot dient dem Schutz des Eigentums an Gebäuden und der Abwehr von Gesundheitsgefahren (VGH BW, VBlBW 2006, 103, 104).

      Schuss auf einen Geiselnehmer oder Amokläufer zum Schutz des Lebens der bedrohten Personen.

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      Auch das Vermögen, d. h. die Summe aller geldwerten Rechte, gehört zu den geschützten Individualgütern.

      Beispiele: Die Polizei stellt zur Sicherung einer Forderung die Personalien des Schuldners gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 fest.

      Zur Durchsetzung des Besitz- und Nutzungsrechts an Pkw und Garage wird ein davor parkendes Fahrzeug abgeschleppt (VG Freiburg, NJW 1979, 2060).

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      Die umfassende Einbeziehung der Individualrechte in das Schutzgut „öffentliche Sicherheit“ bedeutet nicht zugleich eine umfassende Zuständigkeit der Polizei. Zum Schutz ausschließlich


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