Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer
Mir ist es bekannt, ich glaube, daß so etwas vorkommt, und das habe ich nur sagen wollen.
Der nächste Zeuge, Chef des Zivilkabinetts Dr. v. Lucanus, erklärte auf Befragen, daß ihm von solchem Schloßbauprojekt weder im ganzen noch im einzelnen etwas bekannt sei. Er habe erst durch die Reproduktion des »Vorwärts« –Artikels in anderen Blättern von der ganzen Sache Kenntnis erhalten. Ihm sei nichts davon bekannt, daß in Hofkreisen ein solches Projekt erörtert worden sei.
R.-A. Dr. Liebknecht: Auch nicht von Einzelheiten dieses Projekts?
Der Vorsitzende bemängelte wieder diese Frage.
Zeuge: Mir ist gar nichts bekannt.
Auch Oberhof- und Hausmarschall Graf zu Eulenburg erklärte als Zeuge, nie ein Wort von einem solchen Projekt weder im ganzen noch im einzelnen gehört zu haben.
Dasselbe erklärte der Oberhofmeister der Kaiserin, Freiherr v. Mirbach.
R.-A. Levy: Ist dem Herrn Zeugen vielleicht bekannt, daß im Mai oder Juni in Hofkreisen davon gesprochen worden ist, daß für den Kaiser die Erbauung eines gewöhnlichen Schlosses auf Pichelswerder beabsichtigt werde?
Zeuge: Ich sehe nicht ein, daß, nachdem ich schon geschworen, die Herren mich nochmals dasselbe fragen. Ich habe erklärt, daß ich von solchem Projekt nichts weiß.
R.-A. Liebknecht: Sind dem Zeugen auch nicht Einzelheiten, wie sie der Artikel des »Vorwärts« andeutet, losgelöst von dem Kaiserinsel-Projekt, bekannt?
Zeuge: Ich habe meine Aussage bereits beeidet. Man macht sich ja nur lächerlich durch das ewige Fragen über dieselben Dinge.
R.-A. Liebknecht: Ich muß es mir entschieden verbitten, daß Fragen der Verteidigung als »ewige Fragen« bezeichnet werden.
Oberstaatsanwalt: Der Herr Zeuge hat nur das Vorlegen immer derselben Fragen bemängelt.
R.-A. Liebknecht: Ist dem Zeugen bekannt, ich wiederhole es, daß in Hofkreisen ein solcher Plan erörtert oder ganz oder teilweise zur Erörterung gestellt worden ist?
Zeuge: Ich antworte darauf nicht mehr.
Vert.: Sie sind nach dem Gesetz verpflichtet, auf solche Fragen zu antworten.
Zeuge: In meiner Aussage hat schon die Verneinung auch der letzten Frage gelegen.
Die Zeugen Oberst v. Oertzen, Oberst v. Pritzelwitz, Oberleutnant v. Stülpnagel, persönlicher Adjutant des Kronprinzen, Geh. Rat v. Valentini, Geh. Hofbaurat Ihne, Geh. Legationsrat Dr. Hammann, Major v. Zastrow, Assistent Sage, Sekretär Sommer, Hofmarschallamtsdiener Fiege erklärten übereinstimmend, daß ihnen von einem solchen oder ähnlichen Projekt nicht das geringste bekannt sei.
Die Beamten des Hofmarschallamts des Kronprinzen hielten es für ausgeschlossen, daß Kanzleipapier abhanden gekommen sei. Es sei ihnen nicht bekannt, daß der Kronprinz etwa gelegentlich Kanzleipapier zu Privatmitteilungen benutzt habe.
Hofmarschallamtsdiener Fiege erklärte noch auf Befragen, daß er ein Schreiben mit einem dem »Vorwärts« –Artikel entsprechenden Inhalt niemals, weder von einem Angestellten des Hofmarschallamts noch von dem Kronprinzen zur Besorgung erhalten habe.
Redakteur Kurt Eisner (»Vorwärts«) bekundete auf Befragen des R.-A. Liebknecht: Redakteur Leid sei bei der Prüfung aufzunehmender Artikel sehr vorsichtig und ängstlich und habe volle Machtvollkommenheit, Artikel da, wo sie ihm gefährlich erscheinen, im Ausdruck zu mildern. Auf Befragen der Verteidigung gab der Zeuge über die Entstehung des Artikels folgende Auskunft: In die Redaktion sei ein Dokument gelangt, das er selbst in Händen gehabt habe. Es sei ein Aktenstück mit durchaus amtlichem Charakter gewesen. Nach Form und Inhalt sei es außerordentlich charakteristisch gewesen. Es sei ein vierseitiger Quartbogen gewesen, von dem die erste Seite bis auf den Rand und den Kopf ausgeschnitten war. Der Kopf lautete: »Militärischer Begleiter Seiner Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen«, dieses sei ausgestrichen und statt »militärischer Begleiter« sei »Hofmarschallamt« darunter geschrieben gewesen. Auf der dritten Seite des Bogens sei ein Teil eines in Kanzleischrift geschriebenen Briefes sichtbar gewesen; der Brief habe mitten im Satze begonnen. Der Inhalt sei etwa folgender gewesen: »Die Potsdamer Sache muß also vorläufig in der Schwebe bleiben. Was nun die Sicherheit für Se. Majestät betrifft, so ist Ihnen wohl vertraulich der Vorschlag zu unterbreiten, im Zuge der Döberitzer Heerstraße auf der Insel Pichelswerder für die ganze kaiserliche Familie ein Schloß zu erbauen.« Es war dann die Rede davon, daß zu diesem Zwecke Privatbesitz expropriiert werden solle, daß der Besuch der Insel für jeden nicht ganz einwandfreien Besucher gesperrt werden solle. Dann folgte eine Mitteilung, daß ein besonderer Reichstagswahlkreis konstruiert werden und dadurch dafür gesorgt werden solle, daß der Sitz der kaiserlichen Familie nicht von einem Republikaner vertreten werden könne. Es wurden mehrere Bezirke genannt, die zu einem Wahlkreis zusammengeschlossen werden könnten, und das Dokument schloß mit den Worten: »Was Ihren Vorschlag anbelangt, daß die Garderegimenter künftig nicht durch direkte Aushebung, sondern durch Elitetruppen ergänzt werden sollen.« Die Unterschrift war gleichfalls ausgeschnitten. Auf dem Dokument habe sich noch eine handschriftliche, offenbar von dem Einsender des Dokuments herrührende Bemerkung vorgefunden, des Inhalts: »Um niemand zu kompromittieren, hat der Schreiber die Unterschrift und die Adresse in dem Dokumente ausgeschnitten.« Als dann die Zeitungspolemik begann, habe derselbe Mann, der die handschriftliche Bemerkung gemacht hatte und eine sehr charakteristische Handschrift habe, in einer Stadtpostkarte der Redaktion mitgeteilt, daß sie näheres von Herrn v. Trotha und Herrn Ebhardt erfahren könne. Das am Kopf hingeschriebene Wort »Hofmarschallamt« sei von derselben Kanzleihand geschrieben gewesen, wie der übrige Inhalt des Dokuments.
Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Wer ist nun der Gewährsmann, von dem Sie das Dokument erhalten haben?
Zeuge: Ich kann darüber keine Auskunft geben.
Oberstaatsanwalt: Sie können nicht, oder wollen nicht?
Zeuge: Ich will nicht.
Oberstaatsanwalt: Die Auskunft wird natürlich auch darüber verweigert, wo das Dokument geblieben ist?
Zeuge: Ja, ich verweigere darüber die Auskunft.
Oberstaatsanwalt: Sie hielten die Einsendung für echt?
Zeuge: Gewiß, ich hatte gar keinen Zweifel.
Oberstaatsanwalt: Hatte die Postkarte auch keine. Unterschrift?
Zeuge: Auch hierüber verweigere ich die Auskunft.
Hofmarschall v. Trotha erklärte auf Befragen, daß ihm von einem solchen Schriftstück, wie es der Zeuge skizziert habe, nicht das geringste bekannt sei.
Redakteur Wetzker (»Vorwärts«) machte dieselbe Aussage, wie sein Redaktionskollege Eisner.
Oberstaatsanwalt: Ist Ihnen das Dokument per Post zugegangen?
Zeuge: Das weiß ich nicht. Ich hatte den Eindruck, daß derjenige, der die handschriftliche Bemerkung hinzugesetzt hatte, die Veröffentlichung wünschte.
Oberstaatsanwalt: Glaubten Sie, daß dies der Adressat, an welchen das Dokument gerichtet war, gewesen ist?
Zeuge: Darüber habe ich seinerzeit nicht nachgedacht.
Oberstaatsanwalt: Haben Sie nicht darüber nachgedacht, ob das Schriftstück auf ehrliche Weise in Ihre Hände gekommen ist?
Zeuge: Ich verweigere darüber die Auskunft.
Oberstaatsanwalt: Trug das Schriftstück ein Datum?
Zeuge: Auch hierüber verweigere ich die Auskunft.
Auf Antrag des R.-A. Liebknecht wurden von den Zeugen Sage und Sommer Schriftproben gemacht und diese den beiden Redakteuren vorgelegt. Diese erklärten, daß ja diese Handschriften