Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer
und zu zeigen, daß diese nur den Namen bezahlen und die Güte der Bilder gar nicht berücksichtigen. Er habe zeigen wollen, daß er jedem Kunsthändler ohne Mühe Bilder, die jeder Sachverständige sofort als Fälschungen hätte erkennen müssen, anschmieren und sich teuer bezahlen lassen könne. Als er in München bei einem Bilderhändler ein von ihm an einen Frankfurter Kunsthändler verkauftes Bild entdeckte, habe er den Kunsthändler gebeten, das Bild zurückzuziehen, und habe ihm auch gesagt, daß die nach Frankfurt verkauften Bilder Fälschungen seien. Die Kunsthändler seien in ihrem Vermögen überhaupt nicht geschädigt worden, da seine eigenen Bilder den Kaufpreis wert seien. Er habe auch annehmen dürfen, daß er imstande gewesen wäre, seinen Gläubigern das Geld zurückzuzahlen.
Als Sachverständiger bekundete Prof. Justi, Direktor der Nationalgalerie, daß es sich um ziemlich krasse Fälschungen handele, daß aber die Preise, die für angeblich echte Segantinis gezahlt wurden, nicht gerade hoch seien. Hätten die Kunsthändler gewußt, daß es sich um Bilder Mario Segantinis handelte, so hätten sie sich sicher nicht zum Ankauf verstanden. Dessen Bilder hätten in Deutschland wenig objektiven Wert.
Ähnlich äußerte sich der Sachverständige, Kunstkritiker Fritz Stahl, der der Meinung war, daß die Fälschungen unschwer als solche hätten erkannt werden können. Nach Schluß der Beweisaufnahme beantragte der Staatsanwalt ein Jahr Gefängnis, unter Anrechnung von vier Monaten Untersuchungshaft.
Der Gerichtshof verurteilte den Angeklagten zu neun Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von vier Monaten Untersuchungshaft. Der Angeklagte erklärte auf Befragen des Vorsitzenden, daß er sich bei dem Urteil beruhigen wolle.
Am 30. April 1901 enthielt die im Scherlschen Verlage in Berlin erscheinende Zeitschrift: »Der Tag« einen Artikel mit der Überschrift: »Die Venetianische Ausstellung von Richard Muther«. In diesem hieß es u.a.: Im deutschen Saal – soweit von einem solchen zu reden ist – weilt man zunächst vor der Wand, die Böcklin die letzten Ehren erweist. Carlo Böcklin hat ein Porträt seines Vaters gemalt, das ihn darstellt als Erdgeist in stilisiertem Mantel vor einer stilisierten Mauer, über der stilisierte Zypressen in den gewitterschwarzen Abendhimmel ragen. Das Bild ist ein Vatermord, eine Schändung des eigenen Namens. Und ich habe den Verdacht, daß Carlo auch die meisten anderen Bilder der venetianischen Ausstellung fabrizierte. Ein sehr wertvolles, gutes Waldbild, ein frühes Selbstporträt, das Porträt Clara Bruckmanns, eine Skizze zum Krieg und eine pompejanische Frauengestalt sind natürlich über jeden Zweifel erhaben. Aber andere Sachen, wie der Polyphem, die Vision und die Meeresidylle, sind so kleinlich und theatermäßig, so sehr mit Hendrich verwandt und an Benlliures ›Vision im Kolosseum‹ anklingend, daß man die Autorschaft des Meisters nur aus tiefstem Herzen bedauern könnte. Böcklin ist zu Lebzeiten derart von der Menge verhöhnt und von den Kunsthändlern übervorteilt worden, daß es als natürliche Rache erscheint, wenn die Familie nachträglich Gleiches mit Gleichem vergilt. Sie hielt der Nachlaß geheim. Auf allen Ausstellungen der nächsten Jahre werden nachgelassene Böcklins auftauchen. Aber allzu pietätlos sollte Carlo nicht sein. Das strahlende Bild des Großen darf durch die Fabrica nicht getrübt werden. Dieses Artikels wegen strengte Carlo Böcklin gegen Professor Dr. Richard Muther, damals Professor für Kunstgeschichte in Breslau, auf Grund der §§ 186 und 200 des Strafgesetzbuchs Privatklage an. Auf Antrag von Carlo Böcklin hatte das Breslauer Schöffengericht beschlossen: den Wahrheitsbeweis auf die venetianischen Bilder zu beschränken und den Antrag des Professors Dr. Muther, ihm den Nachweis zu gestatten, daß Carlo Böcklin noch bezüglich anderer Bilder seine Werke als die seines Vaters ausgegeben habe, abgelehnt. Über einen Fall, der in Frankfurt a.M. passierte, war jedoch Beweis erhoben und festgestellt worden: Carlo Böcklin habe der Kunsthandlung Hermes & Co. ein Gemälde: »Der heilige Hain« für 15000 Francs als echten Böcklin verkauft. Dieses Gemälde wurde von dem Frankfurter Bankier Haymann für 39500 Mark erworben. Hermes & Co. bescheinigten auf der Rechnung: »Wir übernehmen die Garantie für die Authentizität des Bildes, das von der Hand des Professors Dr. Arnold Böcklin stammt.« Später lieferten Hermes & Co. noch eine Photographie des Bildes, auf deren Rückseite folgender Vermerk stand: »Ich bescheinige hiermit, daß das durch umstehende Photographie wiedergegebene Originalgemälde ausschließlich von der Hand meines Vaters, Prof. Dr. Arnold Böcklin, stammt. Gez.: Carlo Böcklin.« Kurze Zeit nach dem Kaufabschluß kamen Herrn Haymann Bedenken bezüglich der Echtheit des Bildes. Professor Dr. Heinrich Wölfflin (Berlin), Maler Sandreuter, ein Schüler Böcklins, Laroche-Ringwald, der Direktor der National-Galerie, Prof. Hermann v. Tschudi (Berlin), der Direktor der »Kunsthalle«, Professor Lichtwark (Hamburg), Professor Dr. Heinrich Alfred Schmidt (Basel) und Professor Henry Thode in Heidelberg begutachteten übereinstimmend, daß das Bild nicht echt sei. Professor Wölfflin begutachtete: Das Bild sei stellenweile roh und dann wieder ängstlich. Professor Lichtwark meinte: Es sei möglich, daß Arnold Böcklin einzelnes gemalt habe, jedenfalls würde er das Gemälde, wenn es dem Museum zum Geschenk gemacht würde, nicht als echten Böcklin aufhängen. Haymann verlangte darauf von Hermes & Co. die Zurücknahme des Bildes. Da diese sich weigerten, drohte ihnen Haymann mit Klage. Hermes & Co. ersuchten um eine vierzehntägige Frist. Sie wollten innerhalb dieser Zeit den Beweis erbringen, daß das Gemälde ein echter Böcklin sei. Carlo Böcklin erklärte sich zunächst bereit, zu beschwören, daß das Bild von seinem Vater gemalt sei. Als er jedoch schwören sollte, lehnte er den Eid ab mit dem Bemerken, er müsse zugeben, daß er an der Herstellung des Bildes mittätig gewesen sei. Darauf nahmen Hermes & Co. das Bild zurück und zahlten an Haymann den Kaufpreis wieder heraus.
Am 26. September 1903 kam nun die Beleidigungsklage vor der fünfunddreißigsten Abteilung des Schöffengerichts am Amtsgericht Breslau zur Verhandlung. Den Gerichtshof bildeten: Amtsgerichtsrat Domanski (Vorsitzender), Kaufmann August Tietze und Architekt Heinrich Benedict (Schöffen), Vertreter des in Florenz lebenden Privatklägers Carlo Böcklin war Rechtsanwalt Dr. Jaffé (Breslau), Verteidiger des Angeklagten, Professors Dr. Muther (Breslau), Justizrat Max Bernstein (München). Von den Parteien war nur der Privatangeklagte, Professor Dr. Muther, erschienen. Vor Beginn der Verhandlung stellte der Vorsitzende an Professor Muther die Frage, ob eine Einigung möglich sei.
Prof. Dr. Muther: Es käme auf die Modalitäten an, ich glaube aber nicht an die Möglichkeit einer Einigung, denn ich könnte eine Erklärung, wie sie Carlo Böcklin von mir gefordert hat, niemals abgeben.
Vors.: Sie halten an Ihrer früheren Erklärung fest?
Prof. Dr. Muther: Ich möchte eine solche Erklärung auch heute nicht mehr abgeben.
R.-A. Dr. Jaffé: Ich habe kein Interesse an der Einigung, nach der soeben abgegebenen Erklärung des Herrn Privatangeklagten halte ich aber eine Einigung für aussichtslos.
Es wurde darauf in die Verhandlung eingetreten.
Prof. Dr. Muther äußerte auf Befragen des Vorsitzenden: Ich habe zur Zeit in Gesellschaft mit Dr. Haberfeldt und einigen italienischen Künstlern die Venetianische Kunstausstellung besucht. Am ersten Tage meines Besuches standen die Böcklinschen Bilder noch an der Wand. Am folgenden Tage waren sie aufgehangen. Die Bilder zeigten schon von weitem das Monogramm »A.B.« mit auffallend großen Lettern. Das Ganze machte einen solch marktschreierischen Eindruck, daß ich sofort sagte: Eine solche marktschreierische Art war niemals eine Gepflogenheit Arnold Böcklins. Ich sah mir die Bilder an und fand sie für so schlecht, daß ich sofort äußerte, es ist unmöglich, daß die Bilder von der Hand Arnold Böcklins seien. Ich habe dieser meiner Überzeugung auch sogleich Ausdruck gegeben und es für meine Pflicht gehalten, dies zu veröffentlichen.
Vors.: Sie hatten einmal die Erklärung abgegeben, daß Sie die Bilder für echt halten, weshalb ist trotzdem die Einigung nicht zustande gekommen?
Prof. Dr. Muther: Nachdem Carlo Böcklin mir auf Ehrenwort versichert hatte, daß die Bilder von der Hand seines Vaters gemalt seien, habe ich erklärt: Da ich Carlo Böcklin für einen Gentleman halte, so will ich ihm das glauben. Carlo Böcklin verlangte aber, ich solle erklären, ich habe mich von der Unrichtigkeit meiner Behauptung überzeugt. Eine solche Erklärung kann ich jedoch nicht abgeben.
Vors.: Sie halten nicht alle Gemälde für unecht?
Prof. Dr. Muther: