Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer
Klinghammer: Nitter, Sie haben mir doch erzählt. Sie seien einmal mit Knitelius die Berliner Friedrichstraße nachts entlang gegangen. Da habe Knitelius Ihnen gesagt, daß er mit einem Dietrich sämtliche Häuser aufschließen könne?
Nitter: Das ist richtig.
Klinghammer: Sie sagten mir, Sie haben es selbst gesehen?
Nitter: Es ist mir nur erzählt worden.
Klinghammer: Von dem »schwarzen Artur« haben Sie mir nie etwas gesagt.
Nitter: Das mag sein.
Vors.: Angeklagter, kennen Sie den »schwarzen Artur«?
Angekl.: Nein, ich habe einmal gehört, daß der Mannheimer Karl der Mittäter in Magdeburg war.
Die Berliner Kriminalkommissare erklärten, daß sie einen »Mannheimer Karl« nicht kennen.
Nitter: Ich kenne den »Mannheimer Karl«.
Vors.: Wo verkehrte dieser?
Zeuge: Teils in der »Neun«, teils im »Dalli«, bisweilen auch im »Café Westminster« und im »Café Opera«.
Kommissar Klinghammer: Das stimmt nicht. Im »Dalli« verkehren die proletarisierten Verbrecher mit dem Knüpftuch; die Leute, die in der »Neun« und in den Cafés Unter den Linden verkehren, haben zu den Gästen vom »Dalli« keine Beziehungen.
Vors.: Nitter, wer hat Ihre Sachen aus Ihrer Wohnung geholt?
Zeuge: Das war der »schwarze Artur«.
Vors.: Wo haben Sie Ihren Regenschirm?
Zeuge: Der ist in Groß-Strehlitz.
Staatsanwalt: Was sagen Sie dazu, wenn Sie hören, daß den Schirm Knitelius aus Ihrer hiesigen Wohnung geholt hat?
Zeuge: Das kann ich mir nicht gut erklären.
Nitter unterbrach mehrfach seine Aussage mit der Bitte, ihm ein Glas Wasser zu bringen.
Am dritten Verhandlungstage nahm nach dem Zeugenaufruf das Wort Staatsanwalt Schütte: Meine Herren! Die Verhandlung ist heute später eröffnet worden, weil es gelungen, ist, den »schwarzen Artur«; zu ermitteln. (Große allgemeine Bewegung.) Wir werden versuchen, den Mann hierher zu schaffen. Der »schwarze Artur« ist ein Arbeiter, namens Artur Peters, in Berlin, 1873 geboren, bei der Mutter in der Pappelallee wohnhaft. Der Mann leidet augenblicklich an einem Fußübel, es ist deshalb fraglich, ob es möglich sein wird, ihn hierher zu schaffen. Anderenfalls wird zu erwägen sein, ob Peters kommissarisch zu vernehmen sein wird. Bemerken will ich bereits, daß Peters bestreitet, jemals Berlin verlassen zu haben. Ob der »Mannheimer Karl« und der »Franzosen-Willi« nötig sein werden, wollen wir noch erwägen. Allerdings sind diese beiden heute noch nicht ermittelt. Ich beantrage außerdem, den Kriminalwachtmeister Milke aus Frankfurt a.M. als Zeugen zu laden. Dieser wird bekunden: Der Angeklagte Knitelius war, als er in Frankfurt a.M. lebte, eines Einbruchdiebstahls in einen Juwelierladen verdächtig. Als die Polizeibeamten des Morgens bei Knitelius eintraten, um ihn zu verhaften, lag er noch zu Bett. Er sprang aus dem Bett, entnahm aus einem Tischkasten eine Pistole und wollte auf die Beamten schießen. Es gelang jedoch sofort, dem Manne die Waffe aus der Hand zu schlagen. Ich habe außerdem angeordnet, daß der Schirm, den Knitelius aus der hiesigen Wohnung des Nitter geholt haben soll, zur Stelle geschafft wird.
Der Verteidiger R.-A. Boré erklärte sich mit der Vernehmung des »schwarzen Artur« einverstanden. Auf die Ermittlung des »Mannheimer Karl« lege er Gewicht, dagegen habe er kein Interesse an der Vernehmung des »Franzosen-Willi«. Der Verteidiger beantragte außerdem, das Protokoll über die gestrige Vernehmung des Zeugen Nitter dem Angeklagten vollständig mitzuteilen.
Der Gerichtshof beschloß nach längerer Beratung, den Anträgen des Staatsanwalts und des Verteidigers stattzugeben. Nach Verlesung des Protokolls bemerkte der Vorsitzende: Es ist mir berichtet worden, daß der Angeklagte mehrfach mit Zeugen und Leuten im Zuhörerraum Blicke austauscht. Ich beauftrage die neben dem Angeklagten sitzenden Beamten, darauf zu achten, daß das unterbleibt.
Es wurde darauf Strafanstaltssekretär Klink (Gr.-Strehlitz) als Zeuge vernommen: Nitter fragte mich wiederholt, ob er hier vereidigt werden würde. Ich sagte ihm: Das ist leicht möglich.
Vors.: Er rechnete also damit, daß er vereidigt werden wird.
Zeuge: Er befürchtete es.
Es erschien darauf als Zeuge Artist Artur Danziger (Berlin) vom Zirkus Busch: Er habe den Angeklagten durch einen Athleten Arndt in Berlin kennengelernt. Er habe ihm mehrfach Pfandscheine von Juwelen und auch weiße (unechte) Brillantsteine abgekauft. Es war dies im Frühjahr 1908. Er sei mit Knitelius im Berliner »Börsen-Café« dem Zentralpunkt der Juwelenhändler, Juwelenschieber und Diamantenhändler aus ganz Deutschland und Amsterdam, vielfach auch im »Café Bauer« zusammengekommen. Im »Café Westminster« habe er nicht verkehrt. Bisweilen gehe er durch das »Café Westminster« durch, da dort viele Österreicher, Skatratten usw. verkehren. Knitelius hatte mir noch zwei angebliche Artisten, namens Werner und Schröder, vorgestellt, ich hielt aber beide nicht für Artisten, sondern für Zuhälter.
Vors.: Treten Sie einmal näher. Sehen Sie sich die Photographie an. Ist das der angebliche Schröder?
Zeuge: Jawohl, das ist er.
Vors.: Der Mann heißt Nitter.
Zeuge: Das ist mir bekannt. Knitelius stellte mir noch andere Juwelenhändler bzw. Juwelenschieber vor. Waffen habe ich bei Knitelius niemals gesehen. Knitelius hat mir allerdings einmal gesagt, daß er eine Browningpistole besitze, da Arndt ihm gedroht habe, ihn zu verhauen. Arndt war ein gefürchteter Schläger, der vielfach wegen Körperverletzung bestraft worden ist. Im übrigen ist eine Browningpistole keineswegs so gefährlich, wie sie gestern Kriminalkommissar Klinghammer erklärt hat. Hat man Glück, so schießt man den Gegner mit der Browningpistole tot, hat man Pech, so schießt man daneben und erhält von dem Gegner eins auf den Kopf. (Heiterkeit.) Daß man mit einer Browningpistole fünf Menschen auf einmal erschießen kann, ist ausgeschlossen. Ich habe im Zirkus Busch in Berlin nur einen einzigen Mann, Mitglied einer Indianertruppe, gesehen, der vom Pferde herab in schnellstem Galopp einem Mann ein Blatt aus der Hand geschossen hat. Knitelius trat immer als Kavalier auf. Er ging stets elegant gekleidet. Er hatte auch weltstädtische Manieren. Eine Brutalität hätte ich dem Manne niemals zugetraut.
Vors.: Haben Sie gehört, daß Knitelius einmal die Befürchtung hatte, wegen Juwelenschwindeleien verhaftet und bestraft zu werden?
Zeuge: Nein.
Der Angeklagte fragte den Zeugen, ob ihm erinnerlich sei, daß er einmal eine unechte Perle für echt verkauft und ihm deshalb Verhaftung gedroht habe.
Zeuge: Das ist mir nicht erinnerlich.
Hierauf wurde nochmals der Zuchthaussträfling Nitter als Zeuge in den Saal geführt.
Vors.: Nitter, der »schwarze Artur« ist ermittelt. Es ist ein Arbeiter, namens Artur Peters. Können Sie den »schwarzen Artur« genau beschreiben?
Zeuge: Der »schwarze Artur«, den ich kenne, ist nicht Arbeiter, sondern Verbrecher.
Staatsanwalt: Die Berliner Kriminalpolizei kennt nur einen »schwarzen Artur«; dieser ist Verbrecher. Wenn wir Ihnen den »schwarzen Artur« gegenüberstellen, würden Sie ihn alsdann wiedererkennen?
Zeuge: Es kommt darauf an, ob das der »schwarze Artur« ist, den ich kenne.
Staatsanwalt: Es soll doch aber nur einen »schwarzen Artur« geben?
Zeuge: Herr Staatsanwalt! Sie kennen einen »schwarzen Artur«, und ich kenne auch einen. Nun kommt es darauf an, ob das derselbe »schwarze Artur« ist. (Heiterkeit im Zuhörerraum.)
Vors.: Beschreiben Sie einmal den »schwarzen Artur« so genau als