Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer

Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band - Hugo Friedländer


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daß es der Angeklagte war.

      Schneidermeister Berigke und Tochter bekundeten: Am Abend des 24. Oktober 1908 haben zwei junge Leute, von denen sich einer Hans Schröder, aus Breslau kommend, nannte, bei ihnen in der Anhaltstraße hierselbst ein Zimmer für eine Nacht gemietet. Den einen haben sie nach der Photographie sofort wiedererkannt, allem Anscheine nach sei der Angeklagte der zweite Mann, mit Bestimmtheit könne sie das aber nicht behaupten.

      Strafanstaltssekretär Klink (Groß-Strehlitz): Er habe mehrfach mit Nitter über die Tat in Magdeburg gesprochen. Nitter habe stets gesagt: Der Mittäter war Knitelius. Er habe unter dem Einfluß von Knitelius gestanden. Nitter hegte die Befürchtung, daß er infolge der Verhandlung gegen Knitelius strenger bestraft werden könnte.

      Vert.: Der Angeklagte ersucht, ihm Gelegenheit zu geben, mit mir dieses Punktes wegen auf einige Augenblicke allein sprechen zu dürfen. Der Vorsitzende unterbrach die Sitzung und gestattete, daß der Angeklagte im Beisein eines Schutzmanns und eines Gefängniswärters mit dem Verteidiger sich besprach.

      Nach Beendigung der Konferenz wiederholte der Staatsanwalt den Antrag, den Zeugen Nitter in Abwesenheit des Angeklagten zu vernehmen. Der Verteidiger widersprach dem Antrage. Der Angeklagte bemerkte auf Befragen des Vorsitzenden, daß er sich den Ausführungen seines Verteidigers anschließe.

      Nach längerer Beratung verkündete der Vorsitzende: Da zu befürchten ist, daß der Zeuge Nitter in Anwesenheit des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen wird, hat der Gerichtshof beschlossen, den Zeugen Nitter in Abwesenheit des Angeklagten zu vernehmen. Der Angeklagte ist hinauszuführen.

      Unter allgemeiner Spannung wurde darauf Nitter, ein mittelgroßer, bartloser, rothaariger Mensch von 24 Jahren, als Zeuge in den Saal geführt. Er wurde vom Vorsitzenden in eindringlichster Weise ermahnt, die Wahrheit zu sagen, niemandem zuliebe und niemandem zuleide. Der Zeuge äußerte alsdann auf Befragen des Vorsitzenden, und zwar in ziemlich gewähltem, fließendem Deutsch: Er sei wegen eines Einbruchdiebstahls in Breslau und des hier in der Hirsch-Apotheke begangenen Einbruchs mit 6 Jahren Zuchthaus bestraft; davon habe er bereits 1 1/4 Jahr verbüßt. Er sei in Berlin mit Knitelius bekannt geworden. Eines Tages habe er sich mit Knitelius über das internationale Leben unterhalten. Auf Vorschlag von Knitelius, so etwa fuhr Nitter fort, beschlossen wir, nach Magdeburg zu fahren. Ich fuhr Sonnabend den 24. Oktober, ein Uhr mittags, nach Magdeburg. Knitelius wollte nachkommen. Wir wollten in Magdeburg Juwelen versetzen und uns die »öffentlichen Häuser« ansehen. Hier traf ich zufällig einen Bekannten aus Berlin, der mir als Einbrecher bekannt war. Er wurde seiner schönen schwarzen Haare wegen der »schwarze Artur« genannt. Dieser machte sofort den Vorschlag, einen Einbruch zu begehen. Da ich nur noch wenig Geld hatte, erklärte ich mich einverstanden. Gegen acht Uhr abends traf Knitelius in Magdeburg ein. Ich hatte mich in der Anhaltstraße einquartiert und versuchte, Knitelius bei denselben Wirtsleuten unterzubringen. Da aber dort kein Zimmer mehr zu haben war – der »schwarze Artur« wohnte bereits dicht neben meinem Zimmer –, mietete sich Knitelius im Vorderhaus ein Zimmer. Ich besuchte alsdann mit Knitelius ein Varietétheater und darauf mehrere Cafés. Am folgenden Tage gingen wir zusammen Mittag essen. Ich erzählte dem Knitelius, daß ich den »schwarzen Artur«, der als Einbrecher aus Berlin bekannt sei, getroffen und daß mir dieser den Vorschlag gemacht habe, einen Einbruch zu begehen. Knitelius sagte: Solche Dinge sind mir zu kleinlich, mache deine Einbrüche, mit wem du willst, ich mache nicht mit. Ich traf einige Zeit später den »schwarzen Artur«. Mit diesem ging ich durch mehrere Straßen. Vorher hatten wir uns geladene Revolver eingesteckt. Wir sahen uns um, wo etwas zu stehlen war. Zunächst versuchten wir in eine Drogerie einzudringen; das gelang uns aber nicht. Wir kamen schließlich an der Hirsch-Apotheke am Breiten Weg vorüber. Wir beschlossen, in die Apotheke einzudringen. Nachdem wir verschiedene Kasten aufgezogen hatten, hörten wir plötzlich schließen. Die Tür ging auf und ein Mann stand vor uns. In diesem Augenblick krachte ein Schuß. Ich wußte gar nicht, was geschehen war, ich sah aber den Mann zusammenbrechen. Der »schwarze Artur« nahm Reißaus, ich flüchtete ebenfalls, wurde aber von einem Radfahrer verfolgt. Ich wurde schließlich gefaßt.

      Vors.: Sie sind mindestens zehnmal vernommen worden und haben stets angegeben, Ihr Mittäter sei Knitelius. Wie kommt es, daß Sie jetzt plötzlich einen anderen als Täter bezeichnen?

      Zeuge: Es wurde von allen Seiten auf mich eingedrungen und immer gesagt: Ihr Mittäter war doch Knitelius. Ich habe es deshalb zugegeben, um das viele Fragen endlich loszuwerden. Ich sagte mir auch: Knitelius soll in Brasilien sein, da ist es schließlich gleichgültig, wenn ich ihn als Täter bezeichne.

      Vors.: Sie haben doch aber durch Ihre früheren Angaben Knitelius in eine große Gefahr gebracht.

      Zeuge: Da kann ich mir auch nicht helfen. Ich bemerke, es ist ein großer Unterschied, ob man als Angeklagter oder als Zeuge vernommen wird.

      Vors.: Können Sie den »schwarzen Artur« näher beschreiben?

      Zeuge: Es ist ein großer, hübscher Mensch von jetzt etwa 31 bis 32 Jahren. Er hat schönes schwarzes Haar und einen hübschen schwarzen Schnurrbart.

      Vors.: Kennen Sie den Namen des »schwarzen Artur«?

      Zeuge: Nein, man kennt von den Verbrechern, die hauptsächlich in den Berliner Kaschemmen verkehren, nur immer den Spitznamen.

      Staatsanwalt: Und mit solchem Menschen verkehrten Sie?

      Zeuge: Der Herr Staatsanwalt hat mir ja schon bei meiner Verhandlung die Ehre angetan, zu sagen, ich sei ein ganz gemeiner Mensch. (Große allgemeine Heiterkeit.)

      Vors.: Wo lernten Sie den »schwarzen Artur« kennen?

      Zeuge: In irgendeinem Berliner Café.

      Vors.: Wissen Sie, in welchem Café?

      Zeuge: Das weiß ich wirklich nicht mehr, ich glaube, es war im Café Mohr in der Elsasser Straße in Berlin. Es ist aber auch möglich, daß es in einer Kaschemme war.

      Vors.: Sie scheinen sich in allen Verbrecherkreisen bewegt zu haben?

      Zeuge: Das gebe ich zu, ich muß aber erwähnen, daß ich volle drei Monate Detektiv war. Ich war deshalb beruflich genötigt, mich in Verbrecherkreisen zu bewegen.

      Vors.: Trafen Sie mit dem »schwarzen Artur« oftmals zusammen?

      Zeuge: Jawohl.

      Vors.: In welchen Kneipen trafen Sie sich hauptsächlich?

      Zeuge: Zumeist in der Friedrichstraße, bisweilen auch im Café Friedrichshof, Ecke Koch- und Friedrichstraße.

      Hierauf wurde der Angeklagte wieder auf die Anklagebank geführt. Der Angeklagte und der Zeuge tauschten verständnisvolle Blicke aus.

      Vors.: Angeklagter, sehen Sie nicht fortwährend zu Nitter.

      Der Vorsitzende teilte dem Angeklagten die Aussage des Zeugen mit und fragte ihn, ob er dabei bleiben wolle, daß er noch niemals in Magdeburg war.

      Angekl.: Ich kann nur noch einmal versichern, daß ich noch niemals in Magdeburg war.

      Vors.: Nitter, Sie hören, der Angeklagte bestreitet, jemals in Magdeburg gewesen zu sein.

      Nitter: Knitelius hat ja, als er in seine Wohnung einzog, den Anmeldezettel ausgefüllt, da brauchte man ja bloß seine Handschrift zu vergleichen.

      Vors.: Nitter, wollen Sie wirklich dabei bleiben, daß nicht Knitelius, sondern der große Unbekannte, der Ihnen unter dem Namen »der schwarze Artur« bekannt war, Ihr Komplice bei dem Einbruch in die Magdeburger Hirsch-Apotheke gewesen ist?

      Nitter: Jawohl.

      Vors.: Und das behaupten Sie, obwohl Sie bisher stets mit größter Bestimmtheit sagten, Knitelius war Ihr Komplice, der auch geschossen hat?

      Zeuge: Herr Vorsitzender, ich soll einen Eid leisten, da muß ich doch die Wahrheit sagen. Die Berliner Kriminalkommissare Weiland


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