Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band. Hugo Friedländer

Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band - Hugo Friedländer


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habe er gesagt: Dann sollte man sie lieber gleich erschießen, das sei aber nur eine so hingeworfene Redensart gewesen.

      Vors.: Sie hatten nicht die Absicht, Ihre Nichte zu erschießen?

      Zeuge: Gott bewahre. (Heiterkeit.)

      Hofrat Dr. med Schroeder: Er sei seit dem Ausscheiden des Medizinalrats Dr. Stumpf Arzt im Maximiliansstift. Die Angeklagte sei als Vorsteherin die allerungeeignetste Person gewesen, zumal sie eine Abneigung gegen alle Krankheiten und gegen das Alter mit seinen Gebrechen hatte.

      Vert.: Sie sollen selbst die Klagen der Stiftsdamen über das Essen für unberechtigt gehalten und wiederholt höhnisch gesagt haben: »Ja, die Damen müssen Austern, Fasanen, Forellen und Sekt bekommen?«

      Zeuge: Herr Rechtsanwalt, in dieser Weise habe ich mich jedenfalls nie geäußert, das muß mißverstanden worden sein.

      Angekl.: Das haben Sie bestimmt in der vom Herrn Rechtsanwalt vorgetragenen Weise mehrfach gesagt.

      Zeuge: Ich bestreite das.

      Eine Zeugin, die vor längerer Zeit im Stift bedienstet war, bekundete: Sie könne über die Angeklagte nur Gutes berichten. Sie war gut zu dem Dienstpersonal und gab den Armen viel. Auch sie (Zeugin) habe Geschenke von der Oberin erhalten.

      Hafnergehilfe Georg Wagner, Bruder der Minna Wagner: Seine Schwester habe ihm geklagt, die Oberin habe ihr vorgehalten, daß sie, seitdem sie bei ihm (Zeugen) verkehre, ein »schlechtes Mensch« geworden sei, und bei ihm mit einem »Kerl« verkehre. Er habe davon nichts gemerkt, seine Schwester habe sich bei ihm gut aufgeführt. Später wurde von der Angeklagten auch behauptet, daß seine Schwester die Salzsäure selbst genommen habe, weil sie guter Hoffnung war.

      Vors.: Und das hielten Sie auch für unberechtigt?

      Zeuge: Jawohl, sie hat ja nie mit einem »Mannsbild« was zu tun gehabt. (Heiterkeit.) Im weiteren bestätigte der Zeuge, daß sein Großvater vom Schlage getroffen worden sei, wann das war, ob am Firmungstage seiner Schwester, wisse er nicht.

      Angekl.: Ich habe der Minna niemals nachgesagt, daß sie unmoralisch war.

      Frau Wagner bestätigte die Angaben ihres Mannes.

      Kammerfrau Maier hatte eine Reihe von Jahren im Stift gedient und war im allgemeinen mit der Angeklagten gut ausgekommen.

      Vors.: Wie war es mit deren Wahrheitsliebe?

      Zeugin: Gelogen hat sie wohl auch manchmal. Man hatte ja manchen Verdruß mit ihr. Mit den Stiftsdamen war aber auch schlecht auszukommen. Die eine hatte keine Zähne, die andere hatte noch einige, einer war das Fleisch zu hart, der anderen zu weich, der einen zu gesalzen, der anderen zuwenig, eine aß lieber Weißwürste, die andere wollte Filetbeefsteaks haben. (Heiterkeit.) Auf Befragen des Verteidigers gab die Zeugin noch an, daß manche der Damen aus Bequemlichkeit sehr üble Gewohnheiten hatten, die sich nicht näher wiedergeben lassen. Eine der Damen war eine große Katzenliebhaberin. Sie ließ die Fenster nie öffnen, weil sie fürchtete, die Katzen könnten sich erkälten. (Heiterkeit.)

      Vert.: Ließ die Dame ihre Lieblingskatze nicht mit einem seidenen Sonnenschirm spazieren führen? (Heiterkeit.)

      Zeugin: Das weiß ich nicht.

      Vert.: Diese Katze soll, als sie gestorben war, feierlich beerdigt worden sein. (Heiterkeit.)

      Zeugin: Das weiß ich auch nicht.

      Vert.: Wissen Sie etwas von den unpassenden Tischgesprächen der Stiftsfräuleins, über die sich die Vorsteherin ärgerte?

      Zeugin: Ich war nicht im Zimmer.

      Vert.: Ein Fräulein soll gesagt haben: Gott sei Dank, ich bin nicht als Jungfer ins Stift gekommen.

      Zeugin: Das hat uns die Vorsteherin erzählt.

      Magistratsbeamtengattin Karl hatte den Namen der Minna Wagner in der Zeitung gelesen und sich erinnert, daß sie vor acht Jahren ein Dienstmädchen dieses Namens hatte. Sie habe sich darauf bei Rechtsanwalt Dr. v. Pannwitz gemeldet. Die Wagner sei lügenhaft und bösartig gewesen und habe ihr viel Verdruß in ihrer Ehe gemacht, so daß sie sie nach einigen Monaten aus dem Hause geschafft habe. Vorher habe sie den Onkel der Wagner, Herrn Fetzer, kommen lassen. Dieser habe das Mädchen »durchgehauen« und ihr erzählt, daß die Minna eine Liebesaffäre am Südbahnhof hatte.

      Gerichtsdiener Fetzer: Daß ich die Minna geschlagen habe, ist richtig. Sie war damals ein junges Mädchen und machte mir viel Verdruß, weil sie oft ihre Stellen wechselte. Den Angaben der Frau, die eifersüchtig war, habe ich ja nicht ganz geglaubt, ich gab der Minna aber ein paar, damit sie mal irgendwo länger bleibe. Von einer Liebesaffäre ist kein Wort über meine Lippen gekommen, ich weiß davon gar nichts.

      Zeugin: Jawohl, das haben Sie gesagt.

      Vors.: In welcher Art waren die Lügen der Wagner, waren es Notlügen oder Lügen bösartiger Natur?

      Vert. R.-A. Dr. v. Pannwitz: Verzeihung, ich habe in der Religionsstunde immer gelernt, daß jede Lüge verwerflich ist.

      Vors. (zur Zeugin Karl): Können Sie uns sagen, welcher Art die Lügen waren?

      Zeugin (sehr erregt): Nein, ich kann nur sagen: sie verstand, mich zu ärgern.

      Staatsanwalt: Welche Anhaltspunkte haben Sie für den Umgang Ihres Mannes mit der Wagner?

      Zeugin: Was mir die Leute gesagt haben.

      Staatsanwalt: Sonst nichts?

      Zeugin: Ja, sie hat es mir selbst gesagt. Als sie schon aus dem Hause war, kam sie wieder einmal zu mir und wollte von mir wieder in den Dienst genommen werden. Ich lehnte es aber ab, und da sagte sie mir, sie sei von meinem Mann schwanger. Ich verbot ihr die Schwelle.

      Staatsanwalt: Hat Ihr Mann Ihnen auch mit anderen Frauen Verdruß bereitet?

      Zeugin: Nein, nur mit der Minna.

      Vert.: Das mit der Schwangerschaft ist also eine offenbare Unwahrheit gewesen.

      Staatsanwalt: Das werden wir erst sehen. Bis jetzt ist der Vorfall noch nicht aufgeklärt.

      Vert.: Vielleicht kann Herr Fetzer Auskunft geben, wo die Wagner noch in Stellung war, damit wir das mysteriöse Dunkel über das verlorengegangene Dienstbuch der Wagner lüften können. Mir stehen ja keine Schutzmannschaften zwecks Recherchen zur Verfügung.

      Staatsanwalt: Nun, der Herr Verteidiger hat ja in Bernwied sehr wohl zu recherchieren gewußt.

      Vert.: Das war auch danach. (Heiterkeit.) Sie sehen, wie mich das Publikum deswegen auslacht.

      Vors.: Ich bemerke, daß allen Anträgen der Verteidigung von mir stattgegeben wurde.

      Vert.: Das mußte ja geschehen. Aber im Vorverfahren wurde im Interesse der Verteidigung keine Ermittelung gemacht.

      Die Zeugin Karl nannte sodann einige Adressen früherer Dienstherrschaften der Wagner. Das Gericht beschloß die Ladung der Zeugen, ebenso des Ehemanns Karl und einiger Eisenbahnbeamten, die der Minna Wagner gegenübergestellt werden sollen. Die Zeugin Karl wünschte entlassen zu werden.

      Vors.: Nein, Sie müssen noch hierbleiben.

      Zeugin: Ich muß doch aber nach Hause zu Mittag kochen. (Große Heiterkeit.)

      Vors.: Das hilft nichts, Sie müssen noch bleiben. (Heiterkeit.)

      Zeugin Lina Seitz: Ihr habe die Vorsteherin nachgesagt, daß sie sich mit Soldaten abgebe. Als sie sie deshalb zur Rede stellte, habe sie es abgeleugnet. Wenn man mit dem Ministerium drohte, bekam es Fräulein v. Heusler mit der Angst, und es war eine Weile besser. (Heiterkeit.) Von den Stiftsdamen habe die Angeklagte gesagt: »Die ganze Zeit lamentieren die ›alten Laster‹ über Krankheit, aber beim Fressen und Saufen merkt man nichts davon!« (Heiterkeit.)

      Kriminalschutzmann Anton Jailner bekundete, daß ihm bei seinen Ermittelungen berichtet wurde, es sei im Stift geäußert worden: »Der Minna Wagner werde man doch nichts glauben, denn


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