Der Waldläufer. Gabriel Ferry

Der Waldläufer - Gabriel  Ferry


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noch Durst mehr haben werden, sobald wir sie nur beim Schein des Mondes aufs Korn genommen haben.«

      »Ach, das scheint Euch einfach?« rief Cuchillo, wirklich verwundert über die Einfachheit dieses Planes.

      »Einfach wie ›guten Tag‹«, sagte der Schläfer. »Aber halt – was habe ich euch gesagt?«

      Ein zweifaches gleiches Brüllen, das diesmal von einem Punkt ausging, erscholl zugleich in kreischenden Tönen, die den volltönendsten Blasinstrumenten entlockt zu sein schienen. Das wilde Paar begrüßte die Rückkehr der Finsternis mit einem Freudenruf. Die Zuhörer dieses nächtlichen Konzerts konnten mit diesem schrecklichen Klang vermischt das Schnauben der Nüstern hören, die mit Wonne den frischen Duft der Quelle einatmeten.

      Die Reisenden warfen einen ängstlichen Blick um sich, aber während die Hohlwege des Waldes und der Ebene noch das Brüllen der Jaguare wiedergaben, hatten sich die beiden Jäger entfernt, und sie bemerkten nur noch zwei Gestalten, die längs der Bäume der Poza hinkrochen. Die Läufe der amerikanischen Büchsen blitzten noch unter den Strahlen des Mondes; dann verschwand alles in der Tiefe des engen Tals.

      Ein Stiergefecht ist ohne Zweifel ein schönes Schauspiel – namentlich wenn eines dieser Tiere unter dem Feuer der Bandilleras im Zirkus umherspringt oder wenn es mit dem Fuß die Erde aufwühlt und mit vorgestreckten Hörnern und funkelnden Augen in dem Moment brüllt, wo es sich auf den Matador stürzt —, aber wenn die Zuschauer von dem wütenden Tier nur durch eine einfache Schranke getrennt wären, so würde das Schauspiel für sie zweifellos allen Reiz verlieren.

      Ein Kampf zwischen Tigern und Menschen mußte für die römischen Zuschauer ein noch viel anziehenderes Schauspiel sein als ein Stiergefecht in unseren Tagen. Aber jedenfalls wäre der Zirkus weniger voll gewesen, hätten nicht eiserne Schranken und hohe Einfassungen die Umstehenden vor den Wechselfällen des tödlichen Kampfes zwischen Mensch und Tier gesichert.

      Nur ein enger Raum – kaum ein Drittel so groß wie der Sprung eines Jaguars – und die Baumeinfassung allein trennte hier die Reisenden vom Schauplatz des Kampfes, der zwischen den beiden Reisenden und dem wilden Paar bevorstand. Einer der menschlichen Darsteller brauchte nur aus der Rolle zu fallen, und die Zuschauer waren genötigt, seinen Platz einzunehmen. Das ist eine ausnahmsweise Lage, reich an Aufregungen, wovon wir aus Erfahrung sprechen könnten, hätten wir es nicht schon anderswo getan.

      In dem Augenblick, als die Jäger in dem kleinen Tal, in dessen Mitte sich die Tränke befand, verschwanden, hörte das freudige Gebrüll auf – ein Zeichen, daß die beiden durstigen Tiere die Lichtung umkreisten, um die Zisterne zu erreichen. Die Reisenden hielten den Atem an, und das tiefste Schweigen herrschte im Wald, den der Mond mit seinem ruhigen Licht beschien. Sie konnten sogar in der Ferne das geringste Rauschen der Zweige hören, die die beiden wilden Tiere auf ihrem Weg nach dem Tal zerknitterten; denn wenn auch das Feuer ausgelöscht war, so belehrte sie nichtsdestoweniger ihr Instinkt von der Gegenwart des Menschen. Der amerikanische Jäger hatte sich nicht getäuscht, wenn er sagte, daß für den Augenblick die Befriedigung eines verzehrenden Durstes die Sorge für beide sein würde, die sich zuerst geltend macht.

      Man weiß, bis zu welcher Höhe die kleinen Speicheldrüsen den Durst beim Katzengeschlecht steigern; aber eine vorsichtige Klugheit ist auch der unterscheidende Zug dieser Rasse, und die beiden Jaguare – wenn auch von der Gier zu trinken verzehrt – schienen doch einen Kampf vermeiden zu wollen, um ihn vorteilhafter dann aufzunehmen, wenn sie einmal das Feuer, das ihre Kehle verbrannte, gelöscht hätten. Daß sie nachher auch einen Versuch machen würden, ihren Hunger zu befriedigen, dieser Punkt ließ wirklich keinen Zweifel zu; und ungeachtet der unerschütterlichen Zuversicht, mit der einer der fremden Jäger versichert hatte, daß die beiden Tiere keinen Hunger und keinen Durst mehr haben würden, war es doch eine furchtbare Probe, auf die die Reisenden gestellt wurden.

      Trotz dieser für die Zuschauer kritischen Lage müssen wir doch einen Augenblick aufhören, uns mit ihnen zu beschäftigen, um unsere Aufmerksamkeit den beiden Jägern zuzuwenden, die viel mehr als sie der Gefahr ausgesetzt waren und folglich auch der Teilnahme würdiger sind.

      Der Mond stand noch nicht hoch genug am Himmel, um seine Strahlen bis auf den Grund des kleinen Tals zu werfen, in das sie hinabgestiegen waren, und im Vergleich mit dem lebhaften Licht, das ringsum glänzte, schien dieser dunkle Grund noch schwärzer zu sein. Kaum hätte das menschliche Auge die beiden Jäger unterscheiden können, die, die Büchse in der Hand, das Messer zwischen den Zähnen und ein Knie am Boden, die Rücken aneinandergelehnt hatten. Diese Stellung machte die Grundfläche des menschlichen Körpers breiter und gab ihnen mehr Halt, um nötigenfalls den ungestümen Angriff eines ihrer Gegner auffangen zu können, obgleich einer der Jäger – um die Wahrheit zu sagen – von einer Stärke schien, aufrecht, ohne zu wanken, den Anprall eines Löwen des Atlas zu ertragen. Dazu konnten sie auch Rücken an Rücken mit den Augen den ganzen Raum umspannen, den die Jaguare durchschreiten mußten, und somit eine beiderseitige Überraschung vermeiden.

      Nach einigen Minuten konnte die keuchende Gruppe der Zuschauer durch die Bäume zwei fahle Körper mit flammenden Augensternen bald springend, bald kriechend schlüpfen sehen; ihr Anblick – wenn man sich nicht schon daran gewöhnt hatte – war derart, daß das Herz des mutigsten Mannes zu Eis erstarrte. Geschmeidig wie Lianen, zeigten die beiden herankommenden Tiere vier strahlende Punkte; vier stets bewegte Feuerkugeln, ähnlich den Flocken, die die Waldluft auf die Blätter der Bäume Amerikas streut.

      Die im Tal verborgenen Jäger konnten noch nichts sehen; das einzige Zeichen der Annäherung ihrer Feinde war ein dumpfes, zorniges Knurren, das diesen Tieren beim Anblick und der Witterung der Menschen entschlüpft, und ein wonniger Schauer, den ihnen die Nähe der klaren Quelle der Poza erregte. Trotz der herankommenden Gefahr machte doch keiner der Jäger eine Bewegung, und eine bronzene Feldschlange auf ihrer Lafette konnte nicht fester liegen, als der Lauf ihrer Büchse in ihrer Hand erschien.

      Indessen hatten sie auch einen durchaus erprobten Mut oder ein blindes Vertrauen auf ihre Geschicklichkeit nötig, um so, ohne zu zittern, im Grund eines engen, von abschüssigen Rändern eingeschlossenen Tals, einen Kampf Leib gegen Leib – ohne Hoffnung auf Flucht – mit zwei Gegnern anzunehmen, die der Durst rasend machte und deren Wut durch eine Wunde, wenn sie nicht tödlich war, verzehnfacht werden mußte. Auf dem Grund dieses Tales mußten sie siegen oder sterben.

      10. Zwei Belastungszeugen

      Die Zuschauer des schrecklichen Kampfes, der beginnen sollte, sahen bald die Jaguare plötzlich anhalten wie Spürhunde, die stehen. Ein Brüllen getäuschter Hoffnung entwand sich ihrer Brust. Sie hatten eben zwei neue Feinde gewittert, die sie vorher noch nicht wahrgenommen hatten. Das wilde Paar war nur noch einige Schritte von der Zisterne entfernt. Einen Augenblick standen Männchen und Weibchen wie auf Verabredung still, streckten sich ihrer ganzen Länge nach aus, schlugen die Weichen mit dem Schweif und taten einen furchtbaren Satz, währenddessen sie förmlich über dem Erdboden zu schweben schienen.

      Ein Schuß, gefolgt von einem schrecklichen Brüllen, ließ sich im selben Augenblick hören. Einer der Jaguare, durch die Büchse eines der Jäger gleichsam im Flug getötet, überschlug sich in der Luft und fiel leblos auf den Grund des Tals. Der andere sprang hinein voll Wut und Kraft.

      Da gab es nun einen verwirrten Lärm von menschlichen Stimmen und von Gebrüll, als ob die beiden Jäger sich Leib gegen Leib mit ihren Gegnern auf dem Boden wälzten; dann folgte eine zweite Entladung, und ein letztes Brüllen – anfänglich hell und scharf, aber stufenweise abnehmend – beendete die kurze Szene, deren Zusammenhang die erschreckten Zuhörer nur erraten konnten.

      Dann erst, als der größere Jäger seine hohe Gestalt am Rand des Tals zeigte, liefen alle eifrig hinzu. »Seht«, sagte er zu ihnen, »was zwei Kentuckybüchsen und ein gutes Messer in den Händen vermögen, die an ihre Führung gewöhnt sind!«

      Aber die Dunkelheit hinderte sie anfangs, genau zu sehen, und erst nach einigen Minuten konnten sie die Leichname der beiden Jaguare auf der Erde ausgestreckt und den Jäger mit Namen Dormilon beschäftigt erblicken, einen langen Riß, der hinter dem Ohr begann, über die Schulter in einer breiten Furche weglief und oberhalb der Brust endete, mit kaltem Wasser zu baden.

      »Das tut nichts«, sagte Dormilon; »ein Messer


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