Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич

Der kleine Ritter - Генрик Сенкевич


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mein Leben lang die Wahrheit höher gestellt als alle Kostbarkeiten und stets mich nur von ihr genährt. Aber für Michael und den kleinen Heiducken werde ich auch das über mich gewinnen, denn sie sind beide pures Gold. Und nun umarme ich Euch beide und drücke Euch ans Herz, und empfehle Euch der Gnade des allerhöchsten Gottes.«

      Nachdem er fertig geschrieben hatte, schüttelte Sagloba Sand über den Brief, dann schlug er mit der Hand darauf, las ihn noch einmal, indem er ihn fern von den Augen hielt, dann legte er ihn zusammen, nahm den Siegelring vom Finger, leckte mit der Zunge daran und bereitete sich zum Stempeln vor. Bei dieser Tätigkeit überraschte ihn Ketling.

      »Guten Tag!«

      »Guten Tag, guten Tag!« erwiderte Sagloba. »Das Wetter ist Gott sei Dank vortrefflich, und ich denke bald einen Boten an die Skrzetuskis zu senden.«

      »Grüßt sie, bitte, von mir.«

      »Das habe ich schon getan; ich habe mir bald gesagt: man muß von Ketling einen Gruß beifügen; die beiden werden sich freuen, wenn sie gute Nachrichten bekommen. Es ist doch klar, daß ich von dir gegrüßt habe, da die ganze Epistel von dir und dem Mädchen handelt.«

      »Wie?« sagte Ketling.

      Sagloba legte die Hände auf die Kniee, spielte mit den Fingern, senkte den Kopf und blickte von unten herauf zu Ketling.

      »Mein lieber Ketling, man braucht nicht gerade ein Prophet zu sein, um vorherzusagen, daß, wo Feuerstein und Zunder ist, früher oder später Funken fallen werden. Du bist unter den Schönen der Schönste, und den Mädchen, denke ich, kannst du auch nichts nachsagen.«

      Ketling geriet in große Verwirrung.

      »Blind müßte ich sein oder ein großer Barbar,« sagte er, »wenn ich ihre Schönheit nicht sehen, nicht preisen sollte.«

      »Ah, siehst du,« versetzte Sagloba, indem er Ketling lächelnd in das erglühende Antlitz schaute. »Wenn du kein Barbarus bist, so ziemt es dir nicht, beide zum Ziele zu wählen, denn so machen es nur die Türken.«

      »Wie könnt Ihr vermuten …«

      »Ich vermute auch nicht, ich sage bloß so zu mir selber. … Ei, du Verräter hast ihnen so viel von Liebesdingen vorgemacht, daß Christine seit drei Tagen bleich umhergeht, als nähme sie Arznei. Ha, kein Wunder! Als ich jung war, stand ich selbst im Frost unter dem Fenster einer Schwarzbraunen (sie hatte einige Ähnlichkeit mit Fräulein Drohojowska), und ich erinnere mich noch, wie ich sang: »Schläfst dort, Mädchen, hinterm Gitter, und ich spiele hier die Zither, hoc, hoc.« Willst du, so leihe ich dir dies Lied, oder ich komponiere dir ein neues, denn an Genie fehlt es mir nicht. Hast du bemerkt, daß Fräulein Drohojowska eine gewisse Ähnlichkeit mit dem früheren Fräulein Billewitsch hat? – Nur daß die andere flachsblonde Haare hatte, und daß ihr der Flaum über der Lippe fehlte. Aber es gibt Menschen, die darin eine hohe Schönheit sehen und das als eine Rarität betrachten. Sie scheint dir gewogen zu sein, – ich habe das soeben den Skrzetuskis geschrieben; – nicht wahr, ist sie nicht der Billewitsch ähnlich?«

      »Im ersten Augenblick habe ich die Ähnlichkeit nicht bemerkt, aber es kann sein. In Wuchs und Haltung erinnert sie an jene.«

      »Nun, so höre, was ich dir sagen will. Ich will dir die Geheimnisse der Familie auftun; aber da auch du mein Freund bist, so mußt du wissen: nimm dich in acht, daß du dem Wolodyjowski nicht mit Undank lohnest, denn Frau Makowiezka und ich haben eines dieser Mädchen für ihn bestimmt.«

      Hier blickte Sagloba unverwandt forschend in Ketlings Augen; dieser aber wurde bleich und fragte:

      »Welche?«

      »Fräulein Dro – ho – jow – ska,« sagte Sagloba langsam.

      Und indem er die Unterlippe vorschob, begann er unter den zusammengezogenen Augenbrauen mit seinem gesunden Auge zu blinzeln.

      Ketling schwieg, bis endlich Sagloba fragte:

      »Was sagst du dazu, nun?«

      Und Ketling antwortete mit veränderter, aber kraftvoller Stimme:

      »Ihr könnt sicher sein, daß ich mein Herz nicht zu Michaels Schaden lenken werde.«

      »Bist du dessen gewiß?«

      »Viel habe ich im Leben durchgemacht,« versetzte der Ritter, – »mein Ehrenwort.«

      Da schloß Sagloba ihn in die geöffneten Arme.

      »Ketling, laß deinem Herzenswunsche freien Lauf, soviel du willst! Ich habe dich nur erproben wollen; nicht Fräulein Drohojowska: den kleinen Heiducken haben wir für Michael bestimmt.«

      Ketlings Antlitz leuchtete in aufrichtiger, tiefer Freude auf; er umarmte Sagloba, hielt ihn lange an seiner Brust und fragte endlich:

      »Ist es gewiß, daß sie sich lieben?«

      »Wer würde meinen kleinen Heiducken nicht lieben, wer?« entgegnete Sagloba.

      »So ist die Verlobung schon gewesen?«

      »Die Verlobung ist noch nicht gewesen, denn Michael hat sich kaum von seiner Trauer freigemacht; aber sie wird sein … überlaß das nur mir. Das Mädchen ist ihm – sie mag sich auch wie ein Wiesel drehen und wenden – höchlich geneigt, denn bei ihr gilt der Säbel.«

      »Das habe ich bemerkt, bei Gott!« unterbrach ihn Ketling, vor Freude strahlend.

      »Ha, hast du's bemerkt? Michael beweint noch immer die andere, aber wenn's ihm eine antut, so ist es sicher der kleine Heiduck, denn sie ist der anderen mehr ähnlich, nur daß sie weniger mit den Augen wirft, weil sie jünger ist. Das fügt sich alles gut, nicht wahr? Ich bin überzeugt, zur Wahl haben wir zwei Hochzeiten.«

      Ketling sprach kein Wort. Er umarmte Sagloba wieder und legte sein schönes Gesicht an dessen rote Wangen, so daß der Alte ihn abschüttelte und fragte:

      »So steckt dir Fräulein Drohojowska schon so tief im Herzen?«

      »Ich weiß nicht, ich weiß nicht,« antwortete Ketling, »ich weiß nur eins: kaum, daß ihr himmlischer Anblick meine Augen erfreut hatte, sagte ich mir, daß mein gequältes Herz nur sie allein noch lieben könnte, und noch in dieser Nacht habe ich den Schlaf durch meine Seufzer weggescheucht und mich ganz der süßen Sehnsucht hingegeben. Sie hat die Herrschaft über mein ganzes Sein errungen, wie eine Monarchin über das untergebene Land und über ihre Getreuen waltet. Ist das Liebe, ist es etwas anderes – ich weiß es nicht.«

      »Aber das weißt du doch, daß das kein Schlapphut und keine drei Ellen Tuch zu Pluderhosen sind, kein Gespann und keine Peitsche, keine Wurst mit Rührei noch ein Maß mit Schnaps. Wenn du dessen ganz gewiß bist, so frage über das andere Christine, und wenn du willst, so frage ich sie selbst.«

      »Tut das nicht,« erwiderte Ketling lachend. »Wenn ich ertrinken soll, so laßt mich wenigstens noch ein paar Tage glauben, daß ich schwimme.«

      »Ich sehe, in der Schlacht sind die Schotten tüchtig, aber in Liebesdingen taugen sie nichts. Die Frauen muß man wie den Feind tüchtig angreifen: veni, vidi, vici – das war meine Maxime.«

      »Mit der Zeit, wenn sich meine heißesten Wünsche erfüllen sollten,« sagte Ketling, »werde ich vielleicht um die Hilfe eines Freundes bitten; obwohl ich das Heimatsrecht erhalten habe, adliges Blut in meinen Adern fließt, so ist doch mein Name hier unbekannt, und ich weiß nicht, ob die Frau Truchseß …«

      »Frau Truchseß, Frau Truchseß …«, unterbrach ihn Sagloba, »darum sei unbesorgt; die Frau Truchseß ist eine wahre Spieldose; wie ich sie aufziehe, so spielt sie. Ich will sogleich zu ihr; man muß ihr sofort zuvorkommen, damit sie nicht scheel sehe auf deine Art mit dem Mädchen umzugehen, denn Eure schottische Art ist anders als die unsrige. Gewiß werde ich nicht gleich in deinem Namen die Werbung vorbringen, ich will nur so beiläufig erwähnen, daß dir das Mädchen in die Augen gestochen hat, und daß es gut wäre, dies Mehl zu Brot umzubacken. So wahr Gott lebt, ich gehe sofort, und du, ängstige dich nicht, ich kann ja doch sagen, was mir beliebt.«

      Und obgleich Ketling noch immer zurückhielt, erhob sich Sagloba und ging.

      Unterwegs begegnete er Bärbchen, die wie gewöhnlich in ausgelassener


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