Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
geht’s voran, Kumpel?« fragte er, als dieser sich am anderen Ende der Leitung meldete.
»Alles klar, Achim. Das Zeug ist verstaut.«
»Sehr gut! Habt ihr mit dem Vermieter gesprochen?« erkundigte sich Welser vorsorglich.
»Klar, der Vertrag ist unterschrieben und die Kaution hinterlegt. Er hat keinen Verdacht geschöpft.«
»Sehr gut. Wie sieht es aus? Wollen wir zur Feier des Tages einen heben? Vielleicht im Calimero? Unser junger Freund hat bestimmt Dienst. Er wird sich über einen Besuch von uns sicher freuen!«
Welser lachte schadenfroh.
»Gute Idee, Boß.« Peter amüsierte sich auch bei diesem Gedanken, und sie verabredeten sich für den späteren Abend vor dem Bistro. Nach einem letzten prüfenden Blick verließ Welser die Wohnung und fuhr zu sich nach Hause, um sich frisch zu machen für den Abend. In Anbetracht der Lage war er bester Stimmung, die sich noch mehr hob, als er an Isabel dachte, die in der Klinik lag, nicht ahnend, was sie am kommenden Nachmittag erwarten würde
Falk traf fast der Schlag, als sich zu vorgerückter Stunde die Tür des Calimero öffnete und Welser zusammen mit seinen Freunden das Bistro betrat. Er warf Gunnar, den er kurz über die Geschehnisse informiert hatte, einen fragenden Blick zu, doch dieser deutete ihm mit einer Handbewegung an, daß alles in Ordnung war.
»Da kommen Welser und seine Kumpanen«, raunte Falk auch Leslie zu, die an der Theke saß und einen Drink vor sich stehen hatte.
»Diese Dreistigkeit ist nahezu unglaublich«, flüsterte sie und drehte sich vorsichtig um.
Welser hatte Falk von Langen sofort erspäht und seine Freunde mit einer Kopfbewegung auf ihn aufmerksam gemacht. Sie grüßten ihn übertrieben höflich und schoben sich schließlich grinsend an den besetzten Tischen vorbei zu einem Platz, von dem sich gerade zwei Pärchen erhoben. Falk war nahe daran, sie hinauszuwerfen, doch die beruhigende Hand von Leslie, die sich auf seinen Arm legte, hielt ihn gerade noch von einer unbedachten Reaktion zurück.
»Überlaß sie mir«, erklärte auf einmal Nina resolut. Sie war in der Küche gewesen, als das Quartett das Lokal betreten hatte und durchschaute die schwierige Situation jetzt sofort. Mit einem übertrieben freundlichen Lächeln ging sie auf die Männer zu.
»Ich will keinen Ärger!« Welser warf seinen Begleitern einen warnenden Blick zu. »Nur ein bißchen Spaß!« Mit diesen Worten wandte er sich Nina zu, lächelte sie anzüglich an und gab die Bestellung auf.
Trotz Falks Befürchtungen geschah an diesem Abend nichts weiter. Nach einiger Zeit des gegenseitigen Beobachtens lenkte sich Welsers Aufmerksamkeit und die seiner Freunde schnell auf eine Runde junger Frauen, die schon seit geraumer Zeit fröhlich im Calimero feierten und einem Flirt offenbar nicht abgeneigt waren. Bald wurden die Tische zusammengestellt, und Falk entspannte sich etwas. Wohl fühlte er sich zwar immer noch nicht, aber Welser schien zumindest an diesem Abend nichts im Schilde zu führen. Es dauerte nicht lange, als Welser plötzlich den Arm hob und damit signalisierte, daß er bezahlen wollte. Offenbar hatte man sich auf ein anderes Etablissement geeinigt, und kurze Zeit später erhoben sich die Frauen kichernd und ließen sich von Welsers Freunden aus dem Bistro führen.
Als Achim an Falk vorbeikam, stieß er die Blondine, die er im Arm hatte, sofort unsanft zur Seite.
»Keine Polizei, mein Freund!« stieß er zwischen den Zähnen hindurch und musterte ihn mit seinem kalten Blick. »Wir sind uns doch einig, oder?«
Falk lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er stumm nickte. Plötzlich konnte er Isabels Angst vor diesem Menschen nachvollziehen. Das war kein gewöhnlicher Macho. Hier hatte er es mit einem berechnenden, verschlagenen Mann zu tun, der zu allem fähig schien. Er sah ihm schweigend nach, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dann atmete er auf.
»Was hat er gesagt?« wollte Leslie sogleich wissen, die Falk nicht aus den Augen gelassen hatte.
»Er hat mich davor gewarnt, die Polizei zu verständigen.«
»Aber du wirst es doch trotzdem tun, nicht wahr?«
Sie spürte Falks Verunsicherung. »Ich habe Angst!« war die wenig beruhigende Antwort.
Weder Falk noch Leslie schliefen in dieser Nacht besonders gut. Es war spät, als sie das Calimero verließen, und die Freude über das Wiedersehen wurde durch die dunkle Bedrohung getrübt. Schweigend fuhren sie nach Hause und wechselten nur dann und wann ein Wort.
»Kannst du auch nicht schlafen?« fragte Leslie später in die Dunkelheit.
»Es geht mir so vieles durch den Kopf.«
»Kann ich dir irgendwie helfen, dein Problem zu lösen?«
»Ich fürchte, damit muß ich allein fertig werden. Jetzt kann ich nur zu gut nachfühlen, wie es Isabel ergangen ist.«
»Du magst sie, nicht wahr?« Leslies Stimme zitterte kaum merklich, als sie ihm diese Frage stellte, die schon lange auf ihren Lippen brannte. Obwohl er ihr am Telefon versichert hatte, daß Isa gar nicht sein Typ sei, meinte Leslie eine besondere Verbindung zwischen den beiden zu spüren.
»Ich muß dir etwas gestehen!«
Falks Stimme klang plötzlich sehr entschlossen, und Leslies Herz krampfte sich vor Angst zusammen.
»Ja?« fragte sie flüsternd.
»Ich bin nicht in sie verliebt, obwohl sie ein sehr nettes Mädchen ist. Die einzige Frau in meinem Leben bist du und wirst es immer bleiben.«
»O Falk!« Ein Stein fiel von Leslies Herzen, und vor lauter Freude stiegen Tränen in ihre Augen, als sie sich eng an ihn schmiegte.
»Trotzdem haben wir uns geküßt. Sie sah so rührend und hilflos aus, da mußte ich sie einfach in die Arme nehmen. Und auf einmal ist es passiert. Aber es war so, als ob ich meine Schwester küsse, nicht so aufregend wie bei dir.«
»Wirklich nur ein Kuß?«
»Ehrenwort!« versicherte Falk noch einmal.
»Wie kannst du wissen, wie es ist, eine Schwester zu küssen, wenn du gar keine hast?« fragte Leslie daraufhin schelmisch.
Unterschwellig hatte sie die ganze Zeit gespürt, daß ihm etwas auf der Seele brannte, und nach seinem Geständnis erfüllte sie eine unendliche Erleichterung.
Statt einer Antwort suchten seine Lippen in der Dunkelheit die ihren, und er küßte sie lange und leidenschaftlich. Zumindest dieses Problem war aus der Welt geschafft, und er hoffte inständig, daß das ein gutes Zeichen war.
*
Isabel konnte sich an diesem Abend davon überzeugen, daß Daniel Norden recht hatte mit seiner Behauptung, es gäbe viele wirksame Mittel gegen Nervosität. Nachdem es ihr trotz aller Bemühungen nicht gelungen war einzuschlafen, brachte die Nachtschwester ihr nach seiner Anweisung ein kleines Fläschchen Baldrian, von dem sie vorsichtig ein paar Tropfen einnahm. Sie schmeckten fürchterlich bitter, doch schon nach kurzer Zeit stellte sich die beruhigende Wirkung ein.
»Scheußlich sind die Tropfen schon, aber die Wirkung ist beeindruckend«, erklärte sie, als Schwester Iris kurze Zeit später noch einmal hereinschaute.
»Wie fühlen Sie sich?«
»Viel besser«, gab Isabel unumwunden zu. »Und ehrlich gesagt sind mir Naturheilmittel viel lieber als das chemische Zeug.«
»Die Wirkung natürlicher Heilmittel sollte allerdings auch nicht unterschätzt werden«, warnte Schwester Iris lächelnd. »Viele von ihnen haben bei Überdosierung eine ebenso toxische Wirkung wie rein chemische Präparate.«
»Allein der Geschmack hindert einen daran, zuviel davon einzunehmen.« Isa musterte das unscheinbare Fläschchen mit unverhohlenem Widerwillen.
»Dann ist es ja gut. Wenn Sie morgen früh aufwachen und wieder so nervös sind, dann nehmen Sie einfach auf nüchternen Magen noch einmal ein Löffelchen voll. Das sollte reichen.«