Das tödliche Spiel. Stefan Bouxsein

Das tödliche Spiel - Stefan  Bouxsein


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      »Die neue Gerichtsmedizinerin. Die Nachfolgerin von Petri. Der ist nämlich jetzt im Ruhestand. Genau, den Petri lade ich auch ein. Dann fühlt sich Frau Lehmkuhl auch nicht so allein. Sie kennt ja sonst niemanden.«

      »Du kennst ja auch niemanden.«

      »Ich habe doch dich. Und unseren Dennis. Warum sollte ich sonst noch jemanden kennen?«

      Sabine zeigte auf das Telefon. »Ruf sie an!«

      »Till gefällt sie auch ganz gut.«

      »Wer? Deine Tochter?«

      »Um Himmels willen. Nein. Anna Lehmkuhl.«

      »Rufst du sie nun an oder soll ich das machen?«

      »Ich hole mir erst mal noch ein Bier aus dem Keller.«

      »Ist im Kühlschrank.«

      Siebels nickte zerknirscht und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Als er sich wieder setzte und den ersten Schluck zu sich genommen hatte, wurde er wieder mit Sabines Blick konfrontiert, die abwechselnd ihn und das Telefon ansah.

      »Ist ja gut. Ich rufe sie an.« Siebels suchte die Nummer seiner Tochter im Kurzwahlspeicher und rief schließlich an. Sein Herz schlug schneller, als das Freizeichen kam. Dann meldete sie sich.

      »Hallo Jenny. Ich bin es, dein Vater. Wie geht es dir? ... Gut? Das freut mich. Und sonst? ... Warum ich anrufe? Ja, ähm ... also ich wollte dich einladen. Du weißt ja, dass ich noch einen Sohn bekommen habe. Er fängt gerade an zu laufen. Da muss ich immer an dich denken, wie du damals die ersten Schritte gemacht hast. Nein, deswegen rufe ich nicht an. Die Sache ist die, Sabine und ich, wir wollen heiraten. Und ich würde dich gerne zur Hochzeit einladen.«

      Sabine beobachtete Siebels, auf dessen Lippen sich plötzlich ein Lächeln abzeichnete.

      »Wirklich? Das wäre großartig. Am 25. September. Du bekommst natürlich noch eine schriftliche Einladung. Ja, ich bin sehr glücklich. Wenn du einen Freund hast, kannst du ihn natürlich auch mitbringen. Was? Vorher schon? Eine Woche Urlaub in Frankfurt? Ähm. Ja, klar. Grüß Mama von mir. Bis dann. Ciao, meine kleine Prinzessin.«

      Siebels legte das Telefon wieder auf den Tisch und nahm erneut einen großen Schluck Bier. »Sie kommt. Sie freut sich und will sogar eine Woche früher kommen. Alte Freundinnen besuchen und so.«

      »Na siehst du, war doch gar nicht so schwer.«

      »Ich freue mich riesig drauf, meine Kleine bald mal wiederzusehen.«

      »Und wen laden wir jetzt noch ein?«

      »Jetzt langt es aber. Willst du nicht noch zwei, drei Leute einladen? Dann hätten wir doch eine schöne Gesellschaft.«

      »Auf meiner Liste stehen dreißig Leute.«

      Siebels verschluckte sich erneut und hustete drauflos. Dieses Mal schaffte er es aber, das Bier bei sich zu behalten. »Dreißig?«

      »Dreißig. Ein paar Freundinnen, ein paar ehemalige Kollegen, Verwandtschaft aus Schweden, ein paar Mütter vom Babyschwimmen, meine ehemaligen Nachbarn und meine Eltern natürlich.«

      »Dreißig«, ließ sich Siebels auf der Zunge zergehen. »Und du dachtest, ich hätte auch noch mal dreißig auf meiner Liste? Das wären dann ja sechzig Leute. Eigentlich dachte ich, so eine Hochzeit sollte ein schöner Tag werden. Mehr für das Brautpaar, weniger für die Bagage drum herum.«

      Sabine lachte herzhaft. »Vielleicht kann ich ja noch die eine und den anderen von meiner Liste streichen.«

      »Also ich habe jetzt Till, Charly, Anna Lehmkuhl, Petri und meine Tochter. Wenn du auch auf fünf reduzierst, kommen wir auf zehn. Plus wir beide sind zwölf. Alles, was darüber ist, wird doch unübersichtlich.«

      »Wir brauchen auch noch einen Babysitter.«

      »Da könntest du die Mütter vom Babyschwimmen streichen und eine davon als Babysitter einstellen. Dennis könnte ja vielleicht bei einem Kumpel vom Schwimmen übernachten, oder?«

      »Ich sehe mal, was sich machen lässt. Wenn ich meine Liste gekürzt habe, müssen wir uns dringend nach einem passenden Lokal umschauen. Die Zeit wird immer knapper.«

      »Dennis schläft gerade tief und fest, kann das sein?«, wechselte Siebels das Thema.

      »Es scheint so, ja. Warum?«

      »Weil ich scharf auf meine Braut bin«, raunte Siebels, nahm Sabine bei der Hand und zog sie hinter sich her ins Schlafzimmer. Kurz darauf lagen sie entkleidet im Bett. Siebels kam immer mehr in Fahrt und machte Dinge, die er vorher noch nie gemacht hatte.

      »Bist du betrunken?«, fragte Sabine lachend.

      »Ich bin stocknüchtern«, schnaufte Siebels.

      »Was tust du da?«

      »Ich mache Liebe.« Siebels wälzte sich hin und her und versuchte ständig die Position zu ändern.

      »Erinnert mich mehr an Turnübungen«, sagte Sabine verblüfft und ließ Siebels gewähren.

      Siebels fand langsam in die Stellung, die ihm in dem Kamasutra-Buch so gut gefallen hatte.

      »Hmmmm, das ist gut«, hörte er Sabine noch flüstern, dann vergaß er alle Konversation.

      Till war nach seinem Besuch bei Jens Schäfer mit dem Taxi zurück ins Präsidium gefahren. Dort war er auf seine Gold Wing gestiegen und hatte sich umgehend auf den Weg in die Gerichtsmedizin gemacht. Als er dort seine schwere Maschine abstellte, kam Anna Lehmkuhl gerade aus dem Gebäude. Sie erkannte ihn erst nicht, weil er seinen Helm noch auf dem Kopf trug.

      »Machen Sie schon Feierabend?«, fragte er und nahm seinen Helm ab.

      »Ach, Sie sind es. Ja, ich mache heute mal früher Schluss. Einen vorläufigen Bericht habe ich ja schon an Herrn Siebels geschickt.«

      »Davon hat er mir gar nichts gesagt. Gibt es etwas Neues?«

      »Nein, bis jetzt noch nicht. Ein schönes Motorrad haben Sie da.«

      Till streichelte über den Tank seiner Gold Wing. »Leider komme ich kaum dazu, sie zu fahren. Meistens bin ich im Dienstwagen unterwegs.«

      »Da würde ich gern mal als Sozius mitfahren.« Anna Lehmkuhl berührte fasziniert die schwere Maschine.

      Till traute seinen Ohren nicht. Er wollte etwas erwidern, ihm fiel aber nichts ein. Er nickte nur stumm und schaute Anna Lehmkuhl an, als wäre sie eine Außerirdische.

      »Jetzt muss ich aber los«, sagte die dann und ging zum Parkplatz.

      »Vielleicht können wir ja am Wochenende mal eine kleine Spritztour machen«, rief Till ihr hinterher.

      Anna Lehmkuhl drehte sich noch einmal um. »Warum nicht. Rufen Sie mich am Freitag an.«

      Till hob einfach nur den Daumen, weil es ihm erneut die Sprache verschlagen hatte. Anna Lehmkuhl stieg in einen roten Mini und fuhr los. Sie winkte noch einmal Till zu und gab dann Gas.

      Till schaute ihr noch eine Weile verträumt hinterher, dann stieg er auf seine Maschine, fuhr zum Main hinunter, stellte sein Motorrad ab, ging zum Flussufer und setzte sich im Schneidersitz an das Wasser. Es herrschte viel Betrieb. Jogger und Inline-Skater bewegten sich sportlich am Fluss entlang, Grüppchen von Teenagern bevölkerten die Wiesen, Banker genossen den Feierabend im Schatten ihrer Bürohochhäuser, deren Skyline imposant in den Himmel ragte. Till nahm sich sein Buch zur Hand und las das nächste Kapitel.

       Hanni wirkte auf den ersten Blick immer etwas schüchtern und weltfremd. Aber das täuschte. Sie sah aus wie eine graue Maus, mit ihrem hochgesteckten Haar, ihrer Drahtgestellbrille, die sie meist auf der Nasenspitze trug und den langen Röcken und bis zum Hals verschlossenen Blusen. Aber auch das täuschte. Hanni war Lehrerin an einem Gymnasium und fürchtete um ihren guten Ruf. Sie war schlank


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