Das tödliche Spiel. Stefan Bouxsein

Das tödliche Spiel - Stefan  Bouxsein


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Verheiratet mit einem Bauunternehmer. 47 Jahre alt. Er steckte das Foto ein und nickte ergeben.

       »Nimm ein paar Klavierstunden und fick sie«, forderte ich ihn mit ernster Stimme auf. »Es muss auch nicht so heimlich sein. Ihr Mann darf es ruhig erfahren.« Bevor er protestieren konnte, verließ ich die Bar und ließ ihn mit dem Bild von Bettina Lorenz in der Hand dort sitzen.

      Maja Mertens unterhielt sich mit einer Frau, als Siebels im Verlag Möllenbeck erschien. Die Frau, Siebels schätzte sie auf Anfang 30, war den Tränen nahe. Ihre Stimme klang verzweifelt. Maja Mertens versuchte, sie aufzumuntern. »Sie können doch jetzt noch nicht die Flinte ins Korn werfen. Schreiben Sie es fertig und dann überlegen wir gemeinsam, wie es weitergeht.«

      Siebels setzte sich auf einen der Besucherstühle.

      »Herr Möllenbeck ist heute nicht im Haus«, sagte Frau Mertens in seine Richtung.

      »Ich wollte zu Ihnen«, sagte Siebels und schlug die Beine übereinander. »Ich kann hier warten, wenn es recht ist.«

      Maja Mertens nickte, es schien ihr aber gar nicht recht zu sein.

      »Drei Bücher und nichts ist passiert«, schimpfte die Frau nun.

      »Sie sind nicht die Erste, die es erst mit dem vierten oder fünften Buch geschafft hat«, wandte sich Maja Mertens wieder ihrer Kundin zu. »Dass es nicht einfach wird, das habe ich Ihnen von Anfang an gesagt. Erinnern Sie sich?«

      »Aber ich kann mir ein neues Buch im Moment wirklich nicht leisten«, beteuerte die Frau.

      »Schreiben Sie es doch erst mal fertig. Vielleicht tut sich ja bei den anderen Büchern etwas in der Zwischenzeit.«

      »Mit fehlt die Kraft zum Schreiben. Ich brauche auch mal Erfolgserlebnisse. Verstehen Sie das denn nicht? Es steckt so viel Gefühl in meinen Büchern. Jetzt fühle ich mich wie ausgebrannt.«

      »Vielleicht sollten Sie einfach mal ein paar Tage Urlaub machen und ausspannen. Die Seele baumeln lassen und Kraft tanken. Vielleicht an der Ostsee? Dort erholen sich viele Schriftsteller von den Strapazen des Schreibens.«

      Der Frau schien der Vorschlag zu gefallen. »Auch erfolgreiche Schriftsteller?«, fragte sie neugierig.

      »Auf Rügen tummeln sich immer einige Bestseller-Autoren«, flüsterte Maja Mertens mit verschwörerischem Gesichtsausdruck.

      »Die gute Luft da oben würde mir sicherlich guttun und mir den Kopf freiblasen«, stimmte die Frau ihr zu.

      »Dann schreibt es sich wieder wie von selbst«, versicherte ihr Maja Mertens und begleitete sie zur Tür.

      »Was hat sie denn bisher geschrieben?«, fragte Siebels, als die Tür hinter der Frau wieder zuschlug.

      »Drei grottenschlechte Romane«, seufzte Maja Mertens und zog sich die Lippen mit rotem Lippenstift nach.

      »Und warum ermuntern Sie sie dann zum Weiterschreiben?«

      »Das Schreiben macht sie glücklich. Sie fühlt sich besser, wenn sie ihre Gedanken niederschreibt. Wenn sie das Gefühl hat, ein neues Buch entsteht.«

      »Ein Buch, das in einer Lagerhalle in Rumänien entsorgt wird?«

      »Herr Möllenbeck hielt das für eine gute Idee. Aber das ist eigentlich gar nicht mehr nötig. Mittlerweile kann man Bücher auch günstig in sehr kleinen Auflagen drucken. Meiner Meinung nach sollten wir die meisten Titel gar nicht mehr auf Vorrat drucken, sondern einzelne Exemplare auf Bestellung. Das ist beim heutigen Stand der Technik kein Problem mehr und wird von der Konkurrenz auch schon so gehandhabt. Leider ist Herr Möllenbeck noch vom alten Schlag und kümmert sich nicht um die Möglichkeiten, die der technische Fortschritt mit sich bringt.«

      »Philipp von Mahlenburg hätte also viel Geld sparen können?«

      Maja Mertens zuckte mit den Schultern. »Das gesparte Geld könnten wir dann in Werbung investieren. Sie haben ja gerade mitbekommen, wie zerknirscht die Autoren sind, wenn sich ihre Bücher nicht am Markt verkaufen.«

      »Ich frage mich, wie Herr von Mahlenburg seine 5.000 Bücher finanziert hat. Nach unserer Einschätzung ist er mittellos.«

      »Vielleicht hatte er einen Sponsor? Viele Autoren versuchen, mit Hilfe von Sponsoren ihre Werke zu veröffentlichen.«

      »Und wer sponsort Bücher, die in Rumänien langsam, aber sicher vergilben?«

      »Die Bücher vergilben dort nicht«, widersprach Maja Mertens. »Die Halle ist klimatisiert und trocken.«

      »Das wird Sponsoren auch nicht überzeugen.«

      »Die meisten dieser Sponsoren kommen natürlich aus dem engeren Familienkreis der Autoren. Leider setzt das die Autoren dann oft unter Erfolgsdruck. Schließlich haben sie ihren Männern, Frauen, Eltern, Großeltern oder wem auch immer von immens hohen Verkaufszahlen berichtet, die sie natürlich alle erwarten.«

      »Wissen Sie, ob Herr von Mahlenburg gesponsort wurde? Vielleicht von einer seiner Geliebten?«

      Maja Mertens verzog verächtlich die Mundwinkel. »Das will ich gar nicht wissen. Er hat auch nichts darüber gesagt. Die Rechnung wurde von ihm fristgerecht bezahlt. Damit ist die Sache für mich erledigt.«

      Siebels nahm sich seinen Notizblock zur Hand. Wie konnte von Mahlenburg die Bücher finanzieren?, schrieb er darauf und steckte ihn wieder weg. »Wie kam Herr von Mahlenburg denn zum Verlag Möllenbeck?«

      Maja Mertens nahm ihre langen schwarzen Haare in die Hand und zupfte gedankenverloren einzelne Strähnchen heraus. Dann warf sie ihr Haar wieder hinter sich. »Ich habe heute schon tausend Gespräche mit Autoren geführt, ich brauche jetzt erst mal ein Gläschen Sekt. Für Sie auch eins?«

      »Für mich bitte ein Glas Wasser. Danke.«

      Siebels bekam sein Wasser, Maja Mertens goss sich einen Piccolo ein. »Prösterchen«, prostete sie Siebels zu.

      »Zum Wohl.«

      »Wo waren wir stehen geblieben?«

      »Wie Herr von Mahlenburg und der Verlag Möllenbeck zusammengefunden haben, wollte ich wissen.«

      »Ah ja. Das ist immer die gleiche Prozedur. Wir schalten Anzeigen in Zeitschriften. Und auf relevanten Internetseiten. Verlag sucht Autoren. Daraufhin melden sich Hunderte von Leuten, die was niedergeschrieben haben.«

      »Und Herr Möllenbeck sortiert das alles in seinem Büro?«

      »Ja, so ungefähr. Ich erfasse alle eingehenden Anrufe, Anschreiben, Manuskriptzusendungen und erstelle eine Liste. Herr Möllenbeck verschafft sich einen Überblick über die literarische Qualität. Dabei sieben wir anstößige Texte aus. Rechtsradikales Gedankengut, Pornographie, zum Teil politische Texte, vor allem Schriften zum Islam oder über den Islam sowie religiöse Texte im Allgemeinen. Allen anderen Autoren senden wir zunächst ein standardisiertes Schreiben. Auf diese Art und Weise kam wohl auch Herr von Mahlenburg zu uns.«

      »Sie haben ihn also nicht schon gekannt, bevor er Ihnen sein Buchprojekt vorgestellt hat?«

      »Nein, woher denn?« Maja Mertens schaute Siebels mit hochgezogenen Augenbrauen an.

      »Zum Beispiel aus der Esoterikbar in der Schweizer Straße. Dort liefern Sie doch Ihre eigenen Bücher regelmäßig ab.«

      Maja Mertens kramte in ihrer kleinen Handtasche und fischte eine Schachtel Mentholzigaretten heraus. »Das stimmt. Aber was hat das mit Herrn von Mahlenburg zu tun?«

      Siebels erklärte ihr die Zusammenhänge.

      »Aha«, sagte sie verwundert und zündete sich endlich die Zigarette an, die sie schon die ganze Zeit nervös zwischen ihren Fingern hielt. »Ich hatte dort immer nur mit Frau Fischer zu tun. Frau Sydow habe ich vielleicht ein- oder zweimal dort gesehen. Aber ich habe sie nicht mit einer der Frauen aus diesem Buch in Zusammenhang gebracht. Meine Güte, die Welt ist wirklich klein.«

      Siebels konnte nicht länger widerstehen, er zündete


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