Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman - Karin Bucha


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denkt Bert­hold dabei, daß wir Amelie nicht für uns allein haben.

      »Und – und wie haben Sie meinen Geburtstag erfahren?«

      Berthold lacht übermütig auf. »Im Annen-Krankenhaus entgeht so leicht keinem etwas.«

      »Ihrer Spürnase gleich gar nichts«, wirft Dr. Lenz ein.

      Martens bleibt nichts anderes übrig, als die beiden Herren an den Tisch zu bitten. Er winkt dem Kellner und bestellt eine zweite Flasche Sekt.

      Auf einmal ist die Stimmung heiter, und selbst Martens’ Gesicht ist gelöster.

      Er greift zum Glas. »Trinken wir auf das Wohl meiner Nichte.«

      Es gibt einen feinen Klang, als die Gläser aneinanderklirren.

      Berthold erhebt sich und verneigt sich vor dem Professor. »Gestatten, Herr Professor, daß ich mit Ihrer Nichte tanze?«

      »Bitte.«

      Lenz und auch Martens sehen hinter dem Paar her.

      »Er ist doch ein vergnügtes Haus«, bricht Lenz das eingetretene Schweigen. »Unverwüstlich und durch nichts zu erschüttern. Im Dienst sehr zuverlässig und immer pünktlich, dabei ist er ein guter Kamerad.«

      »So viele gute Eigenschaften bei einem einzelnen Mann sind geradezu unheimlich«, spöttelt der Professor.

      »Er hat sie aber«, verteidigt Dr. Lenz den Kollegen, der den Spott wohl gefühlt hat. »Natürlich hat er auch einige Schwächen, wie wir alle sie mehr oder weniger haben.«

      »Vergessen Sie nicht die Schwäche für das weibliche Geschlecht.«

      »Ich glaube, Sie haben eine ganz falsche Meinung, Herr Professor. Die Schwestern machen ihm schöne Augen. Sie haben ihn alle gern wegen seiner ansteckenden Fröhlichkeit. Und die Patienten erst! Sie strahlen, wenn er nur den Kopf zur Tür hereinsteckt.«

      »Das tun sie bei Ihnen auch, lieber Lenz«, beharrt Martens eigenwillig auf seinem Standpunkt.

      »Nicht in der Weise wie bei Bert­hold«, Lenz wirft einen abschätzenden Blick auf seinen Chef. »Ich, und ich glaube auch Sie, Herr Professor, wir sind zu schwerfällig. Wir müssen uns schrittweise das Vertrauen unserer Patienten erringen.«

      »Vielleicht haben Sie recht«, gibt Martens endlich zu. »Vielleicht ist es aber auch die große Verantwortung, die wir zu tragen haben.«

      »Meinen Sie nicht, daß auch Doktor Berthold einen Teil Verantwortung trägt?«

      »Gewiß, das streite ich nicht ab.« Martens zögert und fährt dann schnell fort, denn soeben ist die Musik verstummt: »Ihn scheint sie aber nicht so zu bedrücken wie uns.«

      »Das scheint nur so, Herr Professor«, erklärt Lenz ernsthaft. »Sie haben ihn noch nicht so nah erlebt wie ich. Er war schon sehr oft verzweifelt, wenn alle seine Bemühungen fehlschlugen. Es hat immer viel Mühe gekostet, ihn wieder aufzurichten. Im Grunde seines Herzens ist er sehr empfindlich.«

      Martens lächelt überlegen.

      »Berthold hat in Ihnen einen guten Fürsprecher gefunden.«

      Lenz ist erstaunt. »Genau genommen, hat Berthold das nicht nötig. Wer ihn näher kennt, muß ihn einfach liebgewinnen.«

      »Mit anderen Worten, ich gebe mir keine Mühe, meine Mitarbeiter richtig kennenzulernen.«

      »Darf ich ehrlich zu Ihnen sein?«

      »Ich bitte sogar darum.«

      Lenz lehnt sich tiefer in seinem Sessel zurück. Da die Musik weiterspielt und Amelie und Berthold wieder tanzen, kann er die Unterredung, die er sich schon längst gewünscht hat, fortführen.

      »Sie sind uns allen das Vorbild, dem jeder tüchtige Arzt nachzustreben versucht. Ihr Können, Ihre Tüchtigkeit erregen Bewunderung. Nur –«. Er gerät ins Stocken. Geht er etwa zu weit? Martens lauscht ihm schweigend, und das ermuntert ihn zum Weitersprechen. »Ihnen fehlt der persönliche Kontakt zu uns Ärzten. Man lernt ungeheuer viel von Ihnen, das erkennen wir alle dankbar an, selbst wenn Sie uns nichts ersparen, gehen wir willig mit Ihnen. Aber über unsere persönlichen Belange gehen Sie hinweg. Gehören Menschlichkeit und Verständnis nicht auch zu unserem Beruf?«

      »Wollen Sie damit sagen, ich sei zu den Patienten unmenschlich?« fragt Martens scharf.

      »Wir sprachen nicht von den Patienten, sondern von Ihrer Einstellung uns Ärzten gegenüber«, lenkt Dr. Lenz ein.

      »Ich glaube, lieber Lenz, Sie haben zuviel Sekt getrunken.«

      »Sie irren, Herr Professor. Sie wollten doch die Wahrheit hören. Das ist sie, und so wie ich empfinden auch meine Kollegen.«

      Sekundenlang starrt Martens ins Leere. Er schätzt seinen Oberarzt sehr und nimmt ihm seine Offenheit nicht übel. Er ist aber doch betroffen über dessen Urteil.

      Er sieht Lenz mit einem höflichen Lächeln an. »Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit. Aber kann man aus seiner Haut heraus?«

      Dr. Lenz lächelt freundlich zurück. »Mit einem bißchen guten Willen und dem nötigen Einfühlungsvermögen dürfte es auch Ihnen gelingen. Alle würden für Sie durchs Feuer gehen.«

      »Darauf will ich es lieber nicht ankommen lassen.« In Martens’ Worten schwingt etwas wie Humor, das Lenz noch nie am Chef bemerkt hat. Er freut sich über diese Stunde, die ihn Martens hat näherkommen lassen. Es ist, als sei eine Mauer zwischen ihnen gefallen.

      »Trinken wir«, sagt Martens und gießt die Gläser voll. Eine Weile sieht Martens den Tanzenden zu. Er hört Amelie sagen: Einmal wird auch deine Stunde schlagen. Hat sie wohl dasselbe gemeint wie Dr. Lenz? Vielleicht sollte er sich nicht zu sehr in sich verschließen. Würde sein Leben nicht freudvoller dadurch werden?

      Aus diesen Gedanken heraus sagt er ernst: »Ich werde mir Ihre Worte überlegen, Lenz.« Skeptisch vollendet er: »Kann man sich aber in meinem Alter noch umstellen?«

      Lenz kommt zu keiner Entgegnung, da Amelie mit Dr. Berthold zurückkehrt. Sofort erhebt er sich und bittet den Professor, mit Amelie tanzen zu dürfen, was dieser mit einem Kopfnicken erlaubt. Eigentlich hat er selbst mit Amelie tanzen wollen. Auf einmal stören ihn seine beiden Mitarbeiter. Er wird kein Wort mehr allein mit ihr wechseln können.

      »Sie sind zu beneiden, Herr Professor«, hört er Dr. Berthold sagen.

      »Warum?« fragt er zerstreut.

      »Um Ihre Nichte. Sie ist ein bezauberndes Mädchen.«

      »Das ist sie«, gibt Professor Martens unumwunden zu. Trotz der mit Dr. Lenz geführten Unterhaltung, die ihn aufgerüttelt hat, kann er den leichten Plauderton nicht finden. Er beobachtet nur die zierliche Erscheinung seiner Nichte.

      Was hat er sich die Jahre alles entgehen lassen! Nur Arbeit hat er gekannt und darin Befriedigung gefunden. Hat sie ihn wirklich restlos ausgefüllt? Hat er nicht manchmal die Zärtlichkeit einer Frau vermißt?

      Noch einmal hat er Gelegenheit, an diesem Abend mit Amelie zu tanzen. Diesmal hält er sie nicht so weit von sich, sondern legt seinen Arm fest um sie. Amelie wirft ihm unter den halbgeschlossenen Lidern einen fragenden Blick zu.

      Er bemerkt ihn und lächelt sie an. Sie erschauert. Wie kann sich das Gesicht eines Menschen so sehr zu seinem Vorteil verändern? denkt sie und senkt den Blick.

      Amelie ist an diesem Abend ganz aus ihrem Gleichgewicht geworfen. Sie weiß nicht mehr, wie sie sich verhalten soll.

      Später, als sie hinaus in die Nacht treten, weht ein kalter, ungemütlicher Wind, so daß Amelie ihre Jacke fester um sich zieht.

      Höflich hält Martens seiner Nichte die Tür auf und schließt sie, nachdem er ihr Kleid behutsam um ihre Füße gebreitet hat. Erst dann schwingt er sich hinter das Lenkrad.

      Amelie trägt den Arm voller Blumen, die ihren betäubenden Duft im Wagen verbreiten.

      Wie eine junge Braut sieht sie


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