Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha
Arme, Beine, Gesicht und Nacken sind tiefbraun. Um so heller leuchten die blauen Augen aus dem sonnenbraunen Gesicht.
Babette bringt ihr Erfrischungen und Zeitschriften angeschleppt.
»Sie lesen immer nur in diesen albernen Blättern«, grollt sie.
»Man muß doch sein Wissen erweitern«, verteidigt Amelie ihre Fachzeitschriften, die sie um sich herum verstreut hat.
»Sollten sich mehr um die Dinge kümmern, die eine junge, schöne Frau trägt, um noch schöner zu erscheinen«, brummt Babette, räumt die Fachzeitschriften zusammen und drückt Amelie eine Modeillustrierte in die Hand. »Da, lesen Sie einmal etwas anderes, meinetwegen auch einen Liebesroman. Das kann Ihnen nicht schaden.«
Amelie lacht hinter Babette her, vertieft sich aber gehorsam in den Inhalt des Blattes und ist bald so davon gefesselt, daß sie Martens’ Näherkommen nicht bemerkt.
Er lächelt spöttisch auf Amelie herab.
»Aha, Frauenzeitschriften. Dachte ich mir’s doch.«
Sie fährt aus ihrer bequemen Haltung empor und blitzt ihn drohend an.
»Was kümmert es dich, was ich lese?«
»Nichts, du hast recht. Es geht mich nichts an.«
»Na also«, erwidert sie kurz und steckt die Nase wieder in ihre Zeitschrift. Wenn sie nun meint, er würde sich entfernen, irrt sie sich.
Er holt sich einen Liegestuhl herbei und läßt sich unweit von ihr nieder.
Babette kommt angelaufen und bringt auch ihm eine Erfrischung. »Warm heute, nicht, Herr Professor?«
»Du merkst auch alles, Babette«, neckt er sie und nimmt ihr das Glas ab. »Danke schön.«
Er streckt seine Beine lang aus und nimmt Schluck um Schluck aus dem Glas, dabei beobachtet er Amelie unter halbgeschlossenen Lidern.
Amelie weiß nicht mehr, was sie sieht und liest. Seine Nähe irritiert sie einfach.
»Gib mal so ein Ding herüber«, forderte er sie auf. Sie blitzt ihn an.
»Wäre es nicht besser, ich würde dir ein paar Fachzeitschriften holen?«
Er lacht hell heraus. Es ist ein tiefes, warmes Lachen, das Amelie geradezu erschüttert.
»Du bist eine Kratzbürste, Amelie. Du mußt erst gezähmt werden.«
»Vielleicht hast du dafür schon den passenden Mann für mich?« Es klingt gereizt.
»Den suchst du dir, wie ich dich kenne, allein aus.«
»Allerdings!« schlägt sie zurück.
»Und an die Kette legen lasse ich mich nicht. Übrigens –«, sie verstummt, und er sieht sie fragend an.
»Übrigens?« wiederholt er gedehnt.
»Ich heirate überhaupt nicht«, entfährt es ihr gegen ihren Willen.
Er lacht. »Das sagst du mit einem so bitterbösen Gesicht, daß man beinahe daran glauben könnte.«
»Warum soll ich mit dir streiten.«
Schweigend lesen sie, werfen sich hin und wieder einen verstohlenen Blick zu, und jeder glaubt, daß es der andere nicht bemerken würde.
»Daß du es in der prallen Sonne aushältst«, bricht er nach einer Weile das Schweigen.
»Es ist doch mein Kopf und nicht der deine.«
Er sieht sie starr an. »Du bist ein ungezogenes und unerzogenes Kind.« Er stellt das ganz sachlich fest. Amelie errötet.
»Dann reiz mich doch nicht immer.« Jetzt faucht sie wirklich wie eine kleine, ungezähmte Wildkatze.
»Was willst du von mir hören? Soll ich dir Komplimente machen? Vielleicht dein gesundes und blühendes Aussehen bewundern? Oder was willst du sonst von mir hören?«
»Daß du das überhaupt bemerkst.« Sie ist es leid und steht auf. Die Zeitschrift klemmt sie unter den Arm, und den Gartenhut stülpt sie auf die dunklen Locken. »Mit dir kann man sich überhaupt nicht vernünftig unterhalten. Ich gehe mich umkleiden. Wenn du die Absicht hast, mir das Mittagessen zu verderben, dann sag es gleich, dann esse ich lieber in meinem Zimmer.«
Sie hört sein schallendes Lachen hinter sich und flüchtet förmlich ins Haus.
»Auf Wiedersehen – im Eßzimmer!« ruft er ihr nach.
*
Dr. Lenz ist nicht mit sich zufrieden. Seitdem er mit Amelie getanzt und in ihre tiefleuchtenden Augen geschaut hat, geht sie ihm nicht mehr aus dem Sinn.
Er ist dabei, als Amelie von Ernst Stewing, dem Anwalt, angerufen wird, der ihren Unfall verschuldete. Von Zeit zu Zeit hatte er ihr Blumen gesandt. Sie ist sehr überrascht, als er sich am Telefon meldet.
»Sie sind selbst am Apparat? Ich war einige Zeit verreist«, hört Amelie ihn sagen. »Darf ich Sie heute abend ausführen? Es ist schon lange mein Wunsch.«
»Heute abend?« Amelie dreht sich dem am Fenster stehenden Oberarzt zu.
»Habe ich heute Nachtdienst?« flüstert sie und hält dabei die Hörmuschel zu.
»Nein«, antwortet er gedehnt. »Wollen Sie ausgehen?«
»Ja, mit Doktor Stewing«, flüstert sie wieder, und dann spricht sie laut in den Apparat: »Doch, es geht. Ich habe heute keinen Nachtdienst.«
»Also – ich hole Sie gegen neunzehn Uhr ab.«
»Einverstanden und auf Wiedersehen!«
Nachdenklich legt sie den Hörer auf die Gabel zurück.
»Er bemüht sich ehrlich, seinen damaligen schlechten Eindruck zu verwischen«, meint sie zu Dr. Lenz.
»Das ist doch bei Ihnen kein Kunststück«, gibt er zurück.
»Wie meinen Sie das?« Sie mißt den Oberarzt mit einem langen Blick. Seine Augen weichen ihr aus.
»Wer würde nicht gern mit Ihnen ausgehen?«
»Ach so.« Sie lacht.
Am Abend macht sie sich mit aller Sorgfalt zurecht. Diesmal wählt sie ein Cocktailkleid mit weit schwingendem Rock in einem zarten Blau, das genau zur Farbe ihrer Augen paßt.
Gerade als sie die Treppe herunterkommt, tritt Martens ins Haus.
»Du willst ausgehen?« fragt er sie streng.
»Genau das. Ich bin mit Doktor Stewing verabredet.« Sie neigt den schönen dunklen Kopf ein wenig und geht an ihm vorbei. Ein feiner Hauch von Parfüm trifft ihn. Mit gerunzelter Stirn setzt er seinen Weg fort.
Draußen steigt Amelie in Dr. Stewings eleganten Wagen.
*
Er hat mich angesehen, als sei es ihm nicht recht, daß ich ausgehe, denkt Amelie, während Dr. Stewing den Wagen aus der Stadt herauslenkt, in der noch die Hitze des Tages über Straßen und Häusern brütet. Er fährt an den Fluß, ein Stück am Ufer entlang und hält dann vor einem modernen, langgestreckten Restaurant; das rote Dach schimmert durch die Bäume. Der Garten ist hell beleuchtet, Gäste sitzen in bequemen Sesseln.
Stewing hat während der Fahrt kaum gesprochen. Mit dem Kellner stellt er ein großartiges Abendessen zusammen und läßt einen guten Landwein kommen.
Goldgelb fließt der Wein in die Gläser, und Stewing hebt das seine Amelie entgegen.
»Ich freue mich, daß Sie mir diesen Abend schenken, Amelie.«
»Es ist wunderschön hier«, stellt Amelie fest und setzt ihr Glas vorsichtig auf den Tisch. »Hier bin ich noch nie gewesen.«
Sie wirft ihrem Gegenüber einen prüfenden Blick zu.
Er mag fünfunddreißig