Wyatt Earp Staffel 8 – Western. William Mark D.
jetzt die andere Seite!« rief Wyatt und ließ den zweiten Schuß folgen.
Genau auf der gleichen Höhe an der rechten Fensterseite riß die nächste Kugel ein fast gleichgroßes Stück aus dem zundertrockenen Holz.
»Jetzt bist du eingerahmt, Calloway. Laß endlich die Vogelflinte fallen!«
Wyatt hatte seinen Grund für diese Verzögerung, für das Mithalten des sinnlosen Spieles: Drüben, hinter dem Haus, am Hang, war die Gestalt des Spielers aufgetaucht.
Geduckt und lautlos schlich Doc Holliday von hinten auf die Hütte zu.
Calloway stieß das Gewehr aus dem Fenster und riß seine beiden Revolver hoch.
»Du faßt mich nicht ein zweites Mal, Earp!« schrie er. »Zwölf Kugeln habe ich zu verschießen.«
Vorsichtshalber aber hatte er den gefährlichen Platz am Fenster verlassen.
»Zwölf Kugeln sind eine Menge. Aber ich bin nicht der Cowboy Balmontain!«
»Bleib mir vom Leib, Earp!« schrie der Bandit. »Du kennst mich nicht!«
»Ich weiß, du würdest auch nicht vor einem Mord an mir zurückschrecken. Ein Mann, der einen Cowboy niederschießt und mit Petroleum eine Stampede auslöst, der scheut sich sicher nicht, einen neuen Mord zu begehen.«
Da sprang er wieder ans Fenster.
Deutlich konnte Wyatt sein Bulldoggengesicht erkennen. Mit gefletschten Zähnen schrie er:
»Balmontain schoß auf mich, der Idiot! Ich habe mich nur gewehrt. Und Danley, dieser feige Hund, kann froh sein, daß er einen so schnellen Gaul hatte.«
Jim Danley war also kein Mörder – wenn Sheriff Brack am Leben blieb.
Wyatt hatte es geahnt. Dieser Danley hatte nicht mehr aus noch ein gewußt, als er sah, wie Calloway plötzlich auftauchte und seinen Kameraden niederschoß. Da war er geflüchtet.
»Komm endlich raus, sonst wirst du geholt.«
»Das solltest du riskieren, Earp!«
Holliday war nicht mehr zu sehen. Die Hütte verdeckte ihn.
Wyatt rutschte aus dem Sattel und schob das Gewehr in den Scabbard zurück.
Mit weit aufgerissenen Augen war der Bandit seinen Bewegungen gefolgt. Er hatte so viel Zutrauen zu der Fairneß des Marshals, daß er nicht mehr vom Fenster gewichen war, wo Wyatt ihn ganz mühelos mit einer
Winchesterkugel hätte treffen kön-
nen.
»Ja, steck das Gewehr weg!«
Als er dann sah, wie der Marshal näherkam, spürte er, daß seine Knie weich wurden.
»Bleib stehen, Earp!«
Wyatt ging langsam weiter.
Nur noch zwölf Schritte trennten ihn von dem Haus.
Da sah er eine Hand links an der Ecke der Hütte. Eine weiße Manschette, einen schwarzen Ärmel.
Der Georgier!
Nur etwa vier Schritte trennten ihn von der halb offenstehenden Tür.
Wyatt nahm den Revolver aus dem rechten Halfter.
»Komm raus, Calloway!«
Er hob die Waffe, das Zeichen für den Spieler.
Hart hintereinander krachten fünf Schüsse auf das Haus.
Calloway war zwar zurückgesprungen, trat jetzt aber wieder an das Fenster und schrie:
»Hörte sich prächtig an, Marshal! Hilft aber nichts! Und wer ist jetzt wohl an der Reihe?«
»Ich, wenn Sie gestatten!«
Doc Holliday hatte die Tür mit dem Schrotgewehr aufgestoßen.
Aus glasigen Augen starrte ihn der Desperado an.
»Holliday! Verflucht! Dich hatte ich vergessen.«
»Dein Pech«, entgegnete der Gambler gelassen.
Inzwischen hatte der Missourier den Schrecken des Mörders ausgenutzt und war auf das Haus zugerannt.
Im selben Moment, als Calloway seinen Colt hochreißen wollte, stieß Wyatt ihm den Revolverlauf durch das offene Fenster in den Rücken.
Als Calloway herumfuhr, drückte Holliday ihm den Lauf der Schrotbüchse in die Flanke.
Blitzschnell entwaffnete der Marshal den Banditen und bugsierte ihn ins Freie.
Doc Holliday holte das Pferd aus dem Bretterverschlag hinterm Haus.
Der Mörder Amadeus Lester Calloway wurde in den Sattel gehoben und dann an Händen und Füßen gebunden.
Holliday pfiff seinem Schecken.
Wyatt saß schon im Sattel.
Im scharfen Galopp preschten sie hügelan und dann in die Savanne hinein, nach Osten, auf die Stadt zu.
*
Im Office stand ein hagerer grauhaariger Mann. Er trug einen braunen, breitkrempigen Hut, ein dunkelblaues Hemd und eine hellbraune, ärmellose Weste mit Aufschlägen.
Links auf dieser Weste blinkte ein sechszackiger Stern.
Einer der beiden Deputies, die der Marshal gestern schon gesehen hatte, kam aus dem Zellengang und sagte:
»Das ist der Marshal, Mister Shannon!«
Der Grauhaarige tippte an den Hut-rand.
»Hallo, Marshal, mein Name ist Shannon, ich war bis vor zwei Jahren erster Deputy bei Brack, hatte das Gefühl, daß Sie mich brauchen könnten.«
Wyatt reichte ihm die Hand.
»Well, Mister Shannon, ich kann Sie sicher brauchen. Sie können gleich mitkommen, wenn dieser Mann hier in der Zelle steckt.«
»Wohin soll ich mitkommen?« forschte Shannon, als Calloway abgeführt war.
»Wir machen einen netten Besuch.«
»Ah.«
Shannon sah sich auf der Straße um.
»War Doc Holliday nicht bei Ihnen?«
»Doch, aber er ist uns schon vorausgegangen.«
Der zweite Hilfssheriff, der gestern abend den schwerverwundeten Brack mit aus der Schenke geschleppt hatte, kam über die Straße. Er trug eine dunkelblaue Jacke und ein ockerfarbenes Hemd. Der schwarze Stetson schien ziemlich neu zu sein.
»Hallo, Marshal, kann ich mitkommen?«
»Well, kommen Sie.«
In der Nähe von Oaklands Haus blieb Wyatt stehen.
»Sehen Sie, Shannon, es ist ein schönes Haus, das sich der Trader da drüben gebaut hat…«
»Oakland?« fragte Shannon verblüfft. »Er hat es sich nicht gebaut. Er hat es von General Walker gekauft.«
»General Walker hat da gewohnt?«
»Ja, aber er war arm und hat sich bei Oakland, der vorher da drüben in der alten Bude wohnte, Geld geliehen. Schließlich wurde es so arg mit der Borgerei, daß Oakland das ganze Haus schlucken konnte.«
»Und der General?«
»Der liegt längst draußen auf dem Boot Hill. Dieser Trader hat ihm ja bei lebendigem Leib das Blut ausgesogen.«
Wyatt nickte.
»Genauso habe ich mir Hadrons Schwiegersohn vorgestellt.«
Shannon schüttelte den Kopf.
»Ich kann das prächtige Mädel nicht verstehen, daß es sich von diesem Strolch hat einwickeln lassen. Das hatte es bestimmt nicht nötig. Und was der Rancher