Wyatt Earp Staffel 8 – Western. William Mark D.
den Händen seinen gewaltigen Anstrengungen doch nach und lockerten sich allmählich.
Nach einer halben Stunde vermochte Wyatt, die linke Hand aus den Stricken zu zerren.
Und dann dauerte es nur noch Minuten, und er war frei.
Eine Waffe! Er brauchte eine Waf-
fe!
Aber das Zimmer war so gut wie unmöbliert.
Da, wo er gelegen hatte, lag ein Strohsack, den ihm sein Entführer, offenbar in einem Anfall von Großzügigkeit oder auch von Reue untergeschoben hatte.
Wyatt stellte ihn etwas hoch gegen die Wand. Und zwar so, daß es für jemanden, der die Tür öffnete, so aussah, als läge er noch da und habe sich nur zur Wand gedreht.
Kaum hatte er das besorgt, als er Schritte hörte, die eine Treppe hinunterkamen.
Rasch lief er zur Tür hin und stellte sich in ihre Nische.
Die Schritte verstummten vor seinem Zimmer.
Ein Schlüsselbund rasselte. Dann wurde ein Schlüssel ins Schloß geschoben.
Vorsichtig bewegte sich der Drehknopf.
Aber der Mann war vorsichtig. Er blinzelte nur durch einen Spalt.
Wyatt hatte keine andere Wahl: Er mußte handeln, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, daß der Mann die Tür wieder schloß.
Er riß sie mit einem gewaltigen Ruck auf.
Der Mann stürzte herein und lief in einen krachenden Haken, den der »Gefangene« ihm zur Begrüßung entgegenschmetterte.
Der Schlag war so fürchterlich gewesen, daß es keines zweiten bedurfte.
Blitzschnell löste Wyatt ihm den Waffengurt, seinen eigenen Büffelgurt, und sogar mit beiden Revolvern dran.
»Den hast du mir eben richtig zurückgebracht, Boy.«
Wyatt prüfte die Waffen, schaffte dann den Mann zu dem Strohsack, knebelte ihn und fesselte ihn. Drei Minuten später lag der Wächter so da wie er selbst noch vor einer halben Stunde.
Dann verließ der Marshal den Raum, verschloß ihn und steckte den Schlüssel ein.
Jetzt, als er auf den Korridor kam, stellte er fest, daß ihn die verschlossenen Fensterläden und die schweren Vorhänge doch sehr über die wirkliche Tageszeit hinweggetäuscht hatten.
Es mußte längst acht Uhr oder sogar schon später sein.
Er sah sich im Korridor um.
Kein Zweifel, er befand sich in einem vornehmen Gebäude, das Doc Holliday ganz sicher mit dem Dodge House Hotel in Dodge City verglichen haben würde.
Der Doc! Was war mit ihm?
Wyatt öffnete die Tür des nächsten Raumes. Es war ein Wohnzimmer. Viele Nippsachen und ovale Fotobilder an den Wänden.
Nach Verlauf einer Viertelstunde hatte er das ganze Haus durchsucht.
Es war leer.
Aber er wußte, wem es gehörte: dem Kaufmann Lewton Oakland.
Wyatt war nicht einmal allzusehr verwundert über diese Feststellung.
Weshalb, das vermochte er sich selbst nicht zu erklären.
Was mochte den Trader veranlaßt haben, ihn zu verschleppen? Wann und wo hatte er sich denn je gegen diesen Mann gestellt?
Die dumpfe Ahnung, die Wyatt schon am Vorabend dieses Tages in dem großen Zimmer des Ranchers aufgestiegen war, als plötzlich von dem etwas geckenhaften Schwiegersohn die Rede war, trat auf einmal wieder vor ihn.
Lewt Oakland also! Er hatte etwas mit der ganzen Geschichte zu tun.
Vielleicht sogar eine ganze Menge.
Es gelang dem Missourier, ungesehen durch die Hoftür das Anwesen zu verlassen.
Er stand in einer kleinen Gasse, von der an der nächsten Ecke zwischen zwei Häusern ein Winkelgang zur Mainstreet führte.
Wyatt hatte kaum die Straße erreicht, als er mit einem kurzen Blick nach links einen Mann auf dem Vorbau des großen Kaufmannshauses stehen sah.
Einen Mann mit tödlich entschlossenem Gesicht.
Doc Holliday!
Wyatt stieß einen leisen Doppelton-Pfiff aus.
Hollidays Kopf flog zur Seite.
Wyatt streckte nur den Arm aus.
Sofort war der Spieler da.
»Hier sind Sie? By gosh! Ich wähnte Sie halbtot. Ich habe in Ihrem Zimmer Curilla gerochen und im Hof des Sheriffs Office den Beutel gefunden.«
»Habe nichts gemerkt.«
»Good. – Wo sind die Pferde?«
»Was denn? Sind die etwa auch verschwunden?«
»Beide!«
»Dann müssen wir zurück. Sehen Sie sich auf der Straße um, und wenn Sie niemand beobachtet, verschwinden Sie hier in der Häuserspalte…«
Der »ehrbare Kaufmann« Lewt
Oakland hatte die beiden Hengste in seinem unverschlossenen Stall stehen.
Holliday zog seine Schecken in den Hof und führte ihn dann auf die Gasse hinaus.
Zounds! Für einen Mann, der in ein paar Wochen die Tochter des reichsten Mannes von Texas heiraten will, hat der Bursche aber verdammt unfeine Manieren. Stiehlt dem Marshal von Dodge das Pferd…
Wyatt kam mit dem Rappen nach.
»Rasch, wir bringen die Pferde zum Sheriff. Von dieser Gasse aus kommen wir ungesehen in seinen Hof.«
»Das würde ich nicht so laut s…«
Holliday brach ab.
Vor ihm, der voranging, stand plötzlich ein Mann.
Er war aus einem der Nachbarhöfe gekommen. Ein großer, breitgebau-
ter Mann mit einem Gesicht, in
dem die Verblüffung wie ein Orakel stand.
»Morning, Mister. Wissen Sie nicht, wo der Blacksmith wohnt?«
Der Mann nickte und lachte dann heiser und befreit auf.
»Heavens, ich dachte schon, es wäre Loundry mit seinen Genossen.«
»Ist der denn gestern nicht verschwunden?«
»Er ist schon wieder da.«
»Was?«
»Vor fünf Minuten habe ich ihn gesehen.«
»Beim ›Silbernen Hufnagel‹?«
»Nein, hier gegenüber, bei Hutkins, in diesem Räuberloch.«
»Und wo wohnt der Schmied?«
Der Mann tippte auf seine Brust.
Die beiden führten die Hengste in seinen Hof.
Sie waren tatsächlich vor einer Schmiedewerkstatt.
»He, die Eisen sehen aber bei beiden noch sehr ordentlich aus«, meinte der Mann entrüstet und schon mißtrauisch.
»Dafür sorgen wir auch. Sie müssen wissen, daß wir immer eine kleine Prärieschmiede mit uns herumführen…«
Der Spieler trat an das geschlossene Tor, blickte durch ein Astloch auf die Mainstreet und zündete sich eine Zigarette an.
»Haben Sie schon einmal etwas von Wyatt Earp gehört, Mister?«
»Wyatt Earp! Aber ja, er ist doch seit gestern in der Stadt. Die Leute sprechen ja von nichts anderem. Ein Glück, daß hier mal ein frischer Wind weht. In diesem verlausten Nest! Alles Korruption! Wenn ich diesen Schießer