Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern

Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) - Christian  Morgenstern


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Bestimmung

       Brief an Georg Hirschfeld

      Widmung

      Meinem Freunde Friedrich Kayssler

       Inhaltsverzeichnis

      Wär' der Begriff des Echten verloren,

      in Dir wär' er wiedergeboren.

      Als Haß mir nach der Wurzel schlug,

      warst Du bei mir, das war genug,

      hast mir zu Deinem Leben

      das meine neu gegeben.

      Zehn Jahre zusammen!

      Es löst sich der Dunst.

      Auf schlagen die Flammen

       Unserer Kunst.

      Träume

      Hirt Ahasver

       Inhaltsverzeichnis

      Ich träumte jüngst, mir träumte, daß ich träumte,

      daß ich geträumt, geträumt zu haben hätt',

      wie Ahasver mit zweimal sieben Kühen,

      den sieben magern und den sieben fetten,

      im Mondschein übers Moor gewandert wär',

      worüber selbst ein später Weg mich wies.

      »Ei guten Abend, Meister Ahasver,« –

      begrüßt ich keck ihn, daß ein magres Tier

      erschreckt zur Seite setzte, – »Was ist das?

      Ihr treibt die vierzehn Kühe durch die Welt?«

      Verächtlich schoß des Alten Blick nach mir,

      und zornig murmelnd zog er einer fetten

      den lauten Stecken übers Hinterteil.

      Heidi! wie sich die Rinderbeine regten,

      die magern immer flink voran, dahinter

      mit schwipp und schwapp der Hängebäuche Trott;

      bis Fern' und Dämmrung endlich sie verschlang,

      und nur des Hirten wehnder Weißbart noch

      ein Weilchen aus den Weiten schimmerte ...

      Doch mir verschob sich alles nun. Und weiter

      flog hin und her das Webeschiff des Traums.

      Die Irrlichter

       Inhaltsverzeichnis

      Ein Irrlicht, schwebt ich heut im Traume

      auf einem weiten, düstren Sumpfe,

      und um mich der Gespielen Reigen

      in wunderlich geschlungnen Kränzen.

      Wir sangen traurig-süße Lieder

      mit leisen, feinen Geisterstimmen,

      viel feiner als die lauten Grillen,

      die fern im Korn eintönig sangen.

      Wir sangen, wie das harte Schicksal

      uns wehre, daß wir Menschen würden:

      So oft schon waren wir erschienen,

      wo sich zwei Liebende vereinten,

      doch immer, ach, war schon ein andres

      Irr-Seelchen uns zuvorgekommen,

      und seufzend hatten wir von neuem

      zurück gemußt zum dunklen Sumpfe.

      So sangen wir von unsern Leiden –

      als uns mit einem Mal Entsetzen

      in wirren Läufen huschen machte.

      Ein Mensch entsprang dem nahen Walde

      und lief verzweifelten Gebarens

      gerade auf uns zu –: Der Boden

      schlug schwankend, eine schwere Woge,

      dem Armen überm Haupt zusammen.

      Verstummt zu zitterndem Geflüster

      umschwirrten wir die grause Stelle ...

      Bald aber sangen wir von neuem

      die alten traurig-süßen Lieder.

      Mensch und Möwe

       Inhaltsverzeichnis

      Eine neugierkranke Möwe,

      kreiste ich zu Häupten eines

      Wesens, das in einen weiten

      dunklen Mantel eingewickelt,

      von dem Kopfe einer Bune

      auf die grüne See hinaussah.

      Und ich wußte, daß ich selber

      dieses Wesen sei, und war mir

      dennoch selbst so problematisch,

      wie nur je dem klugen Sinne

      einer Möwe solch ein dunkler

      Mantelvogel, Mensch geheißen.

      Warum blickt dies große, stumme,

      rätselhafte Tier so ernsthaft

      auf der Wasser Flucht und Rückkehr?

      Lauert es geheimer Beute?

      Wird es plötzlich aus des Mantels

      Schoß verborgne Schwingen strecken,

      und mit schwerem Flügelschlag den

      Schaum der weißen Kämme streifen?

      So und anders fragte rastlos

      mein beschränktes Möwenhirn sich,

      und in immer frechern Kreisen

      stieß ich, kläglich schreiend, oder

      ärgerlich und höhnisch lachend,

      um mich selber ... Da erhob sich

      aus dem Meere eine Woge ...

      stieg und stieg ... Und Mensch und Möwe

      ward verschlungen und begraben.

      Der Schuss

       Inhaltsverzeichnis

      »Nimm die Fahne!« – »gib!« – und weiter –

      Leichenhügel – Gräben – Hecken –

      Donnern – Brausen – Knattern – Pfeifen –

      Stöhnen – Schreien – Wimmern – Schnaufen –

      Pulverschleier – Kugelregen –

      »vorwärts, Kameraden!«


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