Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern

Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) - Christian  Morgenstern


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– Pfiffe –

      Tiergesichter – Fetzen Fleisches –

      Blut in Rinseln – Bächen – Lachen –

      wildgewälzte Pferdeleiber –

      Sterbende – zerstampft – zerrissen –

      Arme – Hände – hemmend – heischend –

      fortgestoßen – »vorwärts!« –»hurra!« –

      »nieder!« – »Feuer!« – »auf!« – »Attacke!« –

      »ah!« – »da!« – »Mar–!« – »ich!« – »hier!« – »die Fahne!« – –

      Und ich stürze tot zusammen.

      Jäh schreck' ich auf –:

      Im Hause fällt ein Schuß.

      Der gläserne Sarg

       Inhaltsverzeichnis

      Zwölf stumme Männer trugen mich

      in einem Sarge von Kristall

      hinunter an des Meeres Strand,

      bis an der Brandung Rand hinaus.

      So hatte ich's im Testament

      bestimmt: Man bette meinen Leib

      in einem Sarge von Kristall

      und trage ihn der Ebbe nach,

      bis sie den tiefsten Stand erreicht.

      Der Sonne ungeheurer Gott

      stand bis zum Gürtel schon im Meer:

      An seinem Glanze tränkte sich

      wollüstig noch einmal die Welt.

      Ich selber lag in rotem Schein

      wie ein Gebilde aus Porphyr.

      Da streckte katzengleich die Flut

      die erste Welle nach mir aus.

      Und ging zurück und schob sich vor

      und tastete am Sarg hinauf

      und wandte flüsternd sich zur Flucht.

      Und kam zurück und griff und stieß

      und raunte lauter, warf sich kühn

      darüber, einmal, viele mal.

      Und blieb, und ihrer Macht gewiß,

      umlief frohlockend sie mein Haus

      und pochte dran und schäumte auf,

      als ihrer Faust es widerstand.

      Und hoch und höher wuchs und wuchs

      das Wasser um mein gläsern Schloß.

      Nun wankte es, als hätt' ein Arm

      und noch ein Arm es rauh gepackt,

      und scholl in allen Fugen, als

      ein Wellenberg auf ihm sich brach

      und es wie ein Lawinensturz

      umdröhnte und verschüttete.

      Und langsam wich der nasse Sand.

      Und seitlings neigte sich der Sarg.

      Und, unterwühlt und übertobt,

      begann er um sich selber sich

      schwerfällig in die See zu drehn.

      Zu mächtig, daß die Brandung ihn

      zum Strand zu schleppen hätt' vermocht,

      vergrub er rollend sich und mich

      in totenstillen Meeresgrund.

      So lag ich denn, wie ich gewollt.

      Und dunkle Fische zogen still

      zu meinen Häupten hin und her.

      Und schwarzer Seetang überschwamm

      mein Grab. Und mein Bewußtsein schwand.

      Der Stern

       Inhaltsverzeichnis

      Ich träumt einmal, ich läg, ein blasser Knabe,

      in einem Kahne schlafend ausgestreckt,

      und meiner Lider fein Geweb durchflammte

      der hohen Nacht geheimnisvoller Glanz.

      Und all mein Innres wurde Licht und Schimmer,

      und ein Entzücken, das ich nie gekannt,

      durchglühte mich und hob mein ganzes Wesen

      in eine höhere Ordnung der Natur.

      Ein leises Tönen hielt mich hold umfangen,

      als zitterte in jedem Sternenstrahl

      der Ton der Heimat, die ihn hergesendet.

      Ein Ton vor allen aber traf mein Herz

      und ließ die andern mehr und mehr verstummen

      und tat sich auseinander wie der Kelch

      der Königin der Nacht und offenbarte

      auf seinem Grunde mir sein süßes Lied ...

      »Wir grüßen dich in deine stillen Nächte,

      als deiner Zukunft tröstliche Gewähr,

      es schalten ungeheure Willensmächte

      in unsrer Tage blindem Ungefähr.

      Sie ziehn dich von Gestaltung zu Gestaltung,

      heut schleppst du dich noch schweren Schrittes hin,

      doch bald begabt dich freiere Entfaltung

      mit reicherer Natur und höherm Sinn.

      So wandeln wir auf leichten Tänzerfüßen,

      die wir dereinst auch dein Geschick geteilt,

      und dürfen dich mit einem Liede grüßen,

      das dich auf Strahlen unsres Sterns ereilt.

      Oh flüchte bald nach unsern Lustgefilden,

      und laß der kalten Erde grauen Dunst,

      Oh sähst du, zu welch göttlichen Gebilden

      uns schuf des Schicksals heiß ersehnte Gunst!

      Auf Blumen wandeln wir wie leichte Falter,

      aus Früchten saugen wir der Kräfte Saft,

      uns ficht kein Elend an, zerbricht kein Alter,

      der frühern Leiden lächelt unsre Kraft.

      Denn allzu schön, als daß wir uns entzweiten,

      erschuf uns das Gestirn, das uns gebar, –

      wir können uns nicht Schmerz und Not bereiten,

      die Schönheit macht uns aller Feindschaft bar!

      Wir lieben uns aus tiefsten Herzensgründen,

      wir trinken unsres Anblicks Glück und Huld,

      wir wissen nichts wie ihr von fahlen Sünden,

      und keinen ängstigt das Gespenst der Schuld.

      Oh komm! daß sich die dornenlose Rose

      auch deiner Schläfe duftend schmiegen kann!

      Die schönste Schwester diene deinem Lose


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