Märchen & Sagen aus dem Lande Baden und der Umgebung. Bernhard Baader
er den Nachen, worin er allein war, in eine Bucht, legte sich in ihm nieder und schlummerte ein. Während er so im Schlafe lag, wurde der unbefestigte Kahn von den Wellen allmälig aus der Bucht in die Strömung des Flusses gespült, und nun ging es mit ihm schnell und stets schneller dem Rheinfall zu. Der Edelmann schlief noch immer und erwachte selbst dann nicht, als er mit dem Nachen den gräßlichen Fall hinabgerissen wurde. Als er die Augen aufschlug, lag der Kahn, unbeschädigt wie er, eine Stunde unterhalb des Rheinfalls am einsamen Ufer. Da erkannte der Edelmann, was mit ihm geschehen und wie er wunderbar von Gott erhalten worden. Zum Dank hierfür stiftete er am letztern Ort ein reiches Kloster, welches die noch bestehende Benediktinerabtei Rheinau ist.
7. Bestrafte Mummerei.
Im Dorfe Unter-Rifferswil, im Kanton Zürich, vermummte sich am Fastnachtsabend ein kecker Bursch als Teufel und ließ sich so von seinen Genossen im Schlitten umherziehen. Da kam der wirkliche Teufel, ergriff ihn und führte ihn auf immer hinweg.
8. Schatz und Spuk im Schlosse Homburg.
Nicht weit vom Zusammenfluß der Wutach und Schlücht stand vor Zeiten das Schloß Homburg, von dem jetzt nur noch wenig Gemäuer übrig ist. In dem Schlosse haus'te ein Ritter, welcher aus Kirchen und Klöstern einen großen Schatz zusammenraubte und ihn in den unterirdischen Gang verbarg, der von der Burg auf das Schloß Küssaberg führte. Dort liegt derselbe noch heute in den Höhlen derTeufelsküche, und alle hundert Jahre erscheint in der Fastenzeit die Tochter des Ritters, um jemand zu finden, der den Schatz hebe und dadurch sie und ihren Vater erlöse. Sie ist ein wunderschönes Seefräulein mit goldgelben Haaren, nach den Einen ganz wie ein Mensch, nach den Andern unten wie ein Fisch gestaltet. Häufig badet sie in der Wutach, oder sonnt, wäscht und kämmt sich an deren Ufer. Zueinem Fischer, welcher Nachts in dem Flusse zu fischen pflegte, kam sie öfters und sprach zu ihm: »Gehe mit mir zu dem Schatze, berühre die Kiste, worin das Geld liegt, dann muß der Böse weichen, und du erhälst all den Reichthum und erlösest mich und meinen Vater miteinander.« Nach mehrmaligem Weigern folgte er ihr endlich; aber kaum war er unten, so trieb ihn die Angst wieder zurück. Mit Bewilligung des Fräuleins nahm er das nächste Mal einen Kapuziner von Waldshut mit hinab. In der ersten Höhle, in die sie kamen, befand sich nichts von besonderem Werthe, in der zweiten: kostbares Kirchengeräth nebst einem goldenen Kegelspiel, und in der dritten der Hauptschatz: eine große Eisenkiste voll Geld. Auf derselben lag aber ein schwarzer Pudel mit glühenden Augen und spie Feuer. Bei diesem Anblick fiel der Fischer in Ohnmacht, worauf der Kapuziner ihn hinaus ins Freie brachte, und das Fräulein klagte, daß sie mit ihrem Vater nun wieder hundert Jahre lang unerlös't bleiben müsse.
In dem Schloßgemäuer sind schon Nachts geharnischte Männer zu Pferd und schöngekleidete Ritterfrauen gesehen worden.
9. Kühner Sprung.
Landgraf Max von Stühlingen, der sechs und einen halben Schuh hoch war, besaß eben so große Gewandtheit, als Stärke. Die lange Treppe im Schlosse zu Stühlingen sprang er in drei Sätzen hinab und bändigte die wildesten Pferde dadurch, daß er sie am Schwanz ergriff und schnell seitwärts wendete. Bei einem Gelag auf dem erwähnten Schlosse stellte er mit dem Freiherrn von Wartenberg die Wette an: er werde eher auf seinem Roß, als dieser auf dem seinigen sitzen, obgleich er dem Freiherrn, wenn derselbe in den untern Stock gekommen, noch im obern an der Treppe Antwort geben wolle. Nachdem der Wartenberger die Antwort, wie verabredet, erhalten hatte, eilte er vor das Schloß, wo sein Rappe und des Stühlingers Schimmel aufgezäumt standen, und sieh! der Landgraf saß bereits wohlgemuth im Sattel seines Riesenpferdes. Er war aus einem Fenster des obern Stockwerks darauf gesprungen und hatte nun durch diesen kühnen Streich die Wette gewonnen. Noch heutigen Tages kennt man das Fenster; und ein Hufeisen des Schimmels, so groß wie eine Suppenschüssel, ist lange Zeit im Zeughaus zu Donaueschingen aufbewahrt worden.
10. Gespenst bei Schwaningen.
Auf einem Stege bei Schwaningen läßt sich in den heiligen Nächten ein gespenstiger Mann sehen. Ein Bauer des Orts, welcher einst spät aus dem Wirthshaus zu Oberwangen heimgehen wollte, wurde vor dem Geiste gewarnt, schrie aber in seinem Rausch, er wolle bald mit ihm fertig sein, und machte sich keck auf den Weg. Als er an den Steg kam und das Gespenst darauf stehen sah, wollte er es mit seinem Stock hinunterschlagen, allein er wurde von ihm am Finger gepackt, eine halbe Stunde weit gegen Dillendorf geschleppt und alsdann ohne Bewußtsein liegen gelassen. Nach einiger Zeit kam er wieder zur Besinnung, aber der Finger, woran er geschleppt worden, war kohlschwarz und blieb es auch bis zu des Bauers Tode, der bald darauf erfolgte.
11. Geist zur Ruhe gebracht.
Zu Wellendingen war ein lediger Schuhflicker bei seinem Bruder gestorben, welcher für blutarm gegolten hatte. In der Nacht nach seiner Beerdigung erschien er seiner Schwägerin und sprach zu ihr: »Ich habe mir bei meinen Lebzeiten ein paar hundert Gulden in Gold erspart, die ich in einem angebundenen Beutel auf der bloßen Brust zu tragen pflegte; dieses Geld, von dem niemand wußte, ist mit mir begraben worden, und ich habe nun keine Ruhe, bis es von euch geholt wird.« Am Morgen erzählte die Frau ihrem Manne die Erscheinung, der dieselbe anfänglich für einen Traum hielt, aber, als sie in der folgenden Nacht sich wiederholt hatte, den Pfarrer darüber um Rath fragte. Dieser hieß ihn und die Frau in der nächsten Nacht wach bleiben und, wenn der Geist nochmals komme, dessen Begehren erfüllen. Um Mitternacht, als der Mann und die Frau hell wachten, erschien der Schuhflicker wieder und erneuerte seine Bitte; aber nur von der Frau konnte er gesehen und gehört werden. Da ging der Mann in der andern Nacht mit einem Bekannten auf den Kirchhof, öffnete Grab und Sarg, und fand auf der Brust des Leichnams den Beutel mit dem Gelde. Denselben nahm er zu sich, machte Sarg und Grab wieder zu und brachte so seinen Bruder zur Ruhe.
12. Dankbare Schlange.
Zu einem Viehmädchen in Immeneich kam jeden Morgen und Abend zur Melkzeit eine große Schlange in den Stall, welche auf dem Kopfe eine goldene Krone trug. Das Mädchen gab ihr allemal warme Kuhmilch zu saufen. Als dasselbe, wegen eines Verdrusses, plötzlich aus dem Hause gekommen war, und die neue Viehmagd das erste Mal melken wollte, fand sie auf dem Melkstuhl die goldene Krone liegen, worin die Worte standen: Aus Dankbarkeit. Sie brachte die Krone ihrer Herrschaft, welche dieselbe dem abgekommenen Mädchen gab, für das sie bestimmt war. Seit dessen Verabschiedung ist die Schlange nicht wieder gesehen worden.
13. St. Blasiens Reichthum.
Zu einem Mann, welcher im Kloster St. Blasien Stroh schnitt, kam eines Nachmittags der Fürstabt mit den zwei Vornehmsten seiner Mönche. Bei Erblickung des vielen geschnittenen Strohes sprach der Fürst: »So viel Stroh dies auch ist, so haben wir doch noch mehr Gold und Silber.« Der Mann erlaubte sich, dies zu bezweifeln, worauf die drei sagten, sie wollten ihm die Schätze zeigen, seine Augen verbanden und ihn, wie er merkte, durch einen