Märchen & Sagen aus dem Lande Baden und der Umgebung. Bernhard Baader
18. Der Mühlknecht und die Hexen.
In einer Dorfmühle auf dem Schwarzwald waren, Nachts beim Mahlen, viele Knechte nach einander von Katzen arg verkratzt, ja, einige sogar um das Leben gebracht worden. Hierdurch kam die Mühle so sehr in Verruf, daß kein Mühlknecht mehr darin dienen wollte. Endlich fand der Müller, als er über eine Brücke fuhr, darunter einen Mühlbursch sitzen, der ihn fragte, ob er für ihn keine Arbeit wisse. Jener erwiederte, daß er selbst schon lange einen Knecht brauche, aber wegen der Katzen keinen mehr bekommen könne. Da trat der Bursch ohne Bedenken in des Müllers Dienste, und als er in der Nacht mahlen mußte, nahm er ein scharfes Beil zu sich und legte um seinen Leib einen eisernen Reif. Gegen Mitternacht liefen zwölf Katzen herein und auf ihn los, blieben aber vor ihm stehen, und die hinteren riefen der vordersten zu, anzugreifen, worauf dieselbe erwiederte, sie könne nicht. Endlich sprang sie doch an dem Bursche hinauf und erfaßte den Ring; er aber hieb ihr mit dem Beile die Pfote ab, daß sie mit den übrigen Katzen schreiend davon lief. Nach zwei Stunden kam der Müller und erzählte, daß seiner Frau die Hand abgehauen worden sei, ohne daß sie wisse, wie. Da floh der Bursch aus der Mühle und zeigte die Sache dem Gericht an. Durch scharfe Untersuchung brachte dasselbe heraus, daß die Müllerin und elf andere der angesehensten Dorffrauen die Katzen gewesen, und ließ sie dann als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
19. Selbstmörder gehört nicht in geweihte Erde.
Ein Mann in Lenzkirch, der sich in seinem Hause erhängt hatte, wurde, gegen des Pfarrers Willen, auf dem Kirchhof begraben. Da erstanden in der folgenden Nacht aus den Gräbern die Todten, rissen den Selbstmörder aus der geweihten Erde und warfen ihn vor den Gottesacker. Auf dieses begrub man ihn im Guckenloch,einer wilden Schlucht des Stiegwaldes, wo er, mit dem Strick um den Hals, noch heute umgeht.
20. Drei heilige Schwestern.
Ein Raubritter auf der Burg Mönchenstein1 hatte drei schöne Töchter, welche Chrischona, Ottilia und Margaretha hießen. Um dieselben freiten drei Brüder von Reichenstein, die in der Nachbarschaft ihren Sitz hatten. Da der Ritter mit ihnen in Fehde lag, so wies er ihre Bewerbung zurück und ließ seine Töchter, weil sie ihre Freier liebten, einkerkern und in Ketten legen. Den Reichensteinern aber paßte er mit seinen Reisingen in einem Hinterhalt auf und nahm alle drei gefangen. Als er bald darauf hörte, daß seine Töchter sich im Kerker durch Gesang trösteten, wurde er so aufgebracht, daß er die drei Ritter auf den Burghof schleppen und vor den Augen ihrer Geliebten enthaupten ließ. Kaum war diese Schandthat ruchbar geworden, so zogen die Freunde der Gemordeten mit ihren Mannen vor Mönchenstein und erstürmten und zerstörten es. Den Fräulein thaten sie nichts zu Leide, ja, sie wollten für deren Glück in der Welt alle Sorge tragen; allein dieselben beschlossen, Gott allein ihr Leben zu weihen. Zu dem Ende erbauten sie sich, am Ausgang des Wiesenthals in das Rheinthal, auf drei unbewohnten Berggipfeln drei Kirchlein mit Klausen, deren jedes eine starke Stunde von den beiden andern entfernt war. Hier lebten sie in großer Heiligkeit und gaben sich, zu den verschiedenen Tageszeiten, mit ihren Glöcklein das Zeichen zum Gebete; auch winkten sie sich mit großen weißen Tüchern, redeten mit einander durch lange Sprachrohre und sagten sich Abends durch hinausgestellte Lichter gute Nacht. Alles dies setzten, nach Margaretha's Tod, Chrischona und Ottilia fort, bis auch diese von hinnen schied. Gottergeben ertrug Chrischona ihre Verlassenheit und folgte endlich ihren Schwestern in das Himmelreich. Jede dieser Heiligen liegt in ihrem Kirchlein begraben, von denen das eine noch jetzt St. Chrischona, das zweite St. Margaretha, und das dritte nebst dem dazu gehörenden Dorfe, nach Ottilia's Namen, Tüllingen heißt. In allen müssen, zum Andenken an die Jungfrauen, große Sprachrohre gehalten werden.
Nach anderer Ueberlieferung waren die drei Schwestern Töchter eines heidnischen Fürsten, der, weil sie Christinnen geworden, sie von Hause verbannte. Sie siedelten sich dann an den erwähnten Stellen an und lebten so heilig, daß Gott ihnen verlieh, einander zu verstehen, wenn sie, von ihren Klausen aus, mit gewöhnlicher Stimme sich unterredeten.
Fußnoten
1 Andere nennen Pfirt, und wieder andere Pfeffingen.
21. Unke in Geld verwandelt.
Vor zehn Jahren fand ein Mann in Hagen, welcher sich einen Keller grub, im Boden eine Menge Unken. Er that sie in einen Korb und trug sie in den nahen Wassergraben. Hierauf zurückgekommen, entdeckte er, daß eine Unke, die im Korbe hangen geblieben, sich in ein Goldstück verwandelt hatte. Sogleich eilte er an den Graben und suchte die Unken, fand aber weder sie, noch Goldmünzen.
22. Der See bei Eichen.
Auf einem Berg bei Eichen liegt das Becken eines Sees, welches bald ganz trocken und mit Feldfrüchten bebaut, bald mit Wasser gefüllt ist, das darin allenthalben hervorgequollen. Dieses brach einmal so schnell herein, daß ein Brautpaar, welches Hand in Hand in dem Becken ging, sich nicht mehr flüchten konnte und ertrank. Mit dem Bache in der Has'ler Höhle und den Brunnen zu Tüllingen bei Lörrach steht der See in Verbindung; letztere fließen nicht, sobald er vorhanden ist. Nach der Sibillen Weissagung bricht er einst aus und reißt halb Eichen und den westlichen Theil Schopfheims mit der Kirche weg. Der Schlüssel der letzteren wird dann in Höllstein wiedergefunden.
23. Erdleute.
Die große Tropfsteinhöhle bei Hasel wurde vor Zeiten von Erdmännlein und Erdweiblein bewohnt und heißt davonErdmännleinsloch oderErdmannshöhle. Diese Leute waren sehr klein und hübsch und standen mit den Has'lern in freundschaftlichem Verkehre. Den Bösen gaben sie heilsame Ermahnungen, den Guten halfen sie bei den Haus- und Feldgeschäften, die dadurch aufs beste gediehen. Manchmal nahmen sie aber auch den Arbeitern auf dem Felde Brod und Kuchen weg und legten dafür Steine aus ihrer Höhle hin, welche ganz das Aussehen dieser Gebäcke hatten.
Als einst in dem Thälchen gegen Wehr ein Erdmännlein von einigen Leuten erhascht wurde, rief ihm ein anderes angelegentlich zu: »Sage nur nicht, wozu das Haberbrod und der kleine Kostets gut ist!«
Späterhin, da in Hasel große Sittenlosigkeit eingerissen, ließen die Erdleute sich nicht mehr im Dorfe sehen, außer in dem ersten1 Haus von der Höhle her, dessen Bewohner allein der Tugend treu geblieben waren. In dasselbe kamen eines Winterabends zwei Erdmännlein und baten den Bauer um Essen, wofür sie ihm ihre Bergwerke zu zeigen versprachen. Nachdem sie Suppe bekommen, nahmen sie den Mann mit in die Höhle. Darin gelangten sie an ein fließendes Wasser, worüber sie in einem Kahne setzten, und dann öffneten die Männlein den Eingang der Bergwerke. In diesen waren viele tausend Erdleute mit der Gewinnung und Bearbeitung von Gold und Silber beschäftigt. Als der Bauer alles betrachtet hatte, wurde er mit einem Goldstänglein beschenkt und bis vor die Höhle zurückgeführt. Von nun an kamen die Männlein jeden