Märchen & Sagen aus dem Lande Baden und der Umgebung. Bernhard Baader
1.
An einer Gebirgsstelle bei Todtnau schürfte ein Bergmann längere Zeit vergebens nach Erze. Einst, als er von der Arbeit ausruhte, sah er aus einer Felsenspalte eine Maus schlüpfen. Sie lief zu dem Brod, welches er für sich mitzunehmen und nebenhin auf den Boden zu legen pflegte, und begann es anzufressen. Da schleuderte er seinen Fäustel nach ihr, traf aber die nahe Bergwand und warf ein großes Loch hinein. Aus diesem blinkte ihm ein mächtiges Lager gewachsenen Silbers entgegen, welches ihn auf einmal zum reichen Mann machte. Zum Danke gab er der Grube den Namen die Maus,unter welchem sie noch heute bekannt ist.
2.
Durch langes, fruchtloses Schürfen an einer Bergstelle bei Todtnau war ein Bergmann um sein und seiner Frau ganzes Vermögen gekommen. Dennoch verlor er nicht Muth und Gottvertrauen und ging eines Morgens mit neuer Hoffnung in die Grube. Darin sah er ein weißes Mäuslein in eine Felsspalte schlüpfen, was er für einen Wink des Himmels hielt. Er erweiterte die Spalte und fand dahinter reichen Anbruch. Zum Danke nannte er das Bergwerk die Maus, welches viele Jahre lang von großer Ergiebigkeit war, gegenwärtig aber nicht mehr betrieben wird.
32. Hexenversammlung verscheucht.
In der Scheuer eines einsamen Schwarzwälderhofs, die entfernt vom Wohnhause stand, pflegten die Hexen ihre nächtlichen Zusammenkünfte zu halten. Den Hofbewohnern war dies so wenig bekannt, daß sie einen armen Mann, welcher sie einst um Nachtlager bat, in die Käfichkammer der Scheuer legten. Nach verrichtetem Gebet schlief er ein, wurde aber, mitten in der Nacht, durch wunderschönes Tonspiel und lustiges Gelärm aufgeweckt. Er sah die Scheuer hell erleuchtet und eine Menge Männer und Frauen darin versammelt. Theils saßen sie an einer langen, gedeckten Tafel und aßen und tranken aus kostbaren Geschirren; theils tanzten sie jubelnd umher, wozu mehrere Teufel aufspielten. Obgleich auf des Mannes Lager kein Licht fiel, fürchtete er doch, bemerkt zu werden, und betete inbrünstig um Gottes Schutz, besonders, als zwei Hexen gegen die Kammer kamen. Sie blieben jedoch an dem Eingang stehen und besprachen sich über die Freude, welche sie sich, nach so vielem Vergnügen, noch machen wollten. »Meine Nachbarin hat beim Schlafengehen ihr Kind nicht gesegnet; dasselbe wollen wir nun holen und umbringen,« sagte die eine. »Das ist ein guter Einfall!« erwiederte die andere, worauf sie sich fort machten und nach wenigen Minuten mit einem vierteljährigen Kinde auf den Platz zurückkamen und berathschlagten, wie sie es tödten sollten. Endlich wurden sie einig, es bei den Füßen zu fassen und auseinander zu reißen. Da sprang der Mann heraus und schrie: »Behüt' es Gott, behüt' es Gott, behüt' es Gott, laßt das Kind gehen!« Im Nu ließen die Hexen das Kind fallen und fuhren mit ihrer ganzen Sippschaft wie der Wind zur Scheuer hinaus, worin alle Lichter erloschen. Der Mann hob das Kind auf und trug es zu dem Wohnhause, wo er klopfte und rief, daß man ihm aufmachen möge. Als er eingelassen war, erzählte er den Leuten das Geschehene, worauf sie mit brennenden Laternen sich in die Scheuer begaben. Darin stand noch die Tafel voll goldner und silberner Geschirre; aber alles, was Blendwerk gewesen, hatte seine wahre Gestalt angenommen. Manche Becher waren Pferdshufe, die Speisen Viehkoth, die Getränke Jauche geworden. Die Geschirre, welche alle mit den Namen ihrer Herren bezeichnet waren, wurden von den Leuten der Obrigkeit übergeben, die darauf die Eigenthümer, so wie die Eltern des Kindes, zum Abholen des Ihrigen, in den Zeitungen aufforderte. Die ausgeschriebenen Namen waren weit und breit nicht bekannt, und da niemand sich zu den Geschirren meldete, verkaufte man sie und erbaute von dem Erlöse dem armen Mann ein Häuslein neben dem Hofe, von dessen Bewohnern er sein Leben lang verpflegt wurde. Erst im zweiten Jahre konnten die Eltern des Kindes dasselbe holen, so weit entfernt wohnten sie, in einem fremden Lande. Die Hexen haben, seit jener Nacht, niemals wieder in der Scheuer sich sehen lassen.
33. Versetzter Gränzstein.
Vor ungefähr vierzig Jahren lebte in Kandern ein Mann, welcher, trotz seines Reichthums, so habsüchtig war, daß er sein Feld auf ungerechte Weise zu vergrößern beschloß. Zu dem Ende begab er sich, mitten in der Nacht, auf seinen Acker und fing an, dessen Gränzstein auszugraben. Bei diesem stand ein weißes Hündchen, das es nicht leiden wollte und in einem fort gegen den Mann bellte. Er bekümmerte sich aber nicht darum, sondern schaffte den Stein heraus und setzte ihn eine Strecke weit in des Nachbars Feld hinein. Nach einigen Tagen ging er abermals um Mitternacht zu dem Gränzstein, wo er einen grauen Hund antraf, dessen Gebell ihn wieder nicht hinderte, den Stein auszugraben und noch weiter in den benachbarten Acker zu setzen. Auch hierdurch noch nicht zufrieden gestellt, wollte er in einer dritten Nacht den Stein nochmals verrücken, aber diesmal stand ein großer schwarzer Hund dort, der heftig gegen ihn bellte und, da er sich ebenfalls hierdurch nicht abschrecken ließ, ihn zu tausend Stücken zerriß. Als Gespenst mußte nun der Mann um Mitternacht auf dem Platze gehen, wobei er den schweren Gränzstein keuchend umhertrug und rief:
Wo leg' ich ihn hin,
Mir zum Gewinn?
Viele Jahre war er so umgewandelt, als einst ein Betrunkener des Weges kam und, in seiner Lustigkeit, auf des Geistes Ruf antwortete: »Ei, lege ihn hin, wo du ihn hergenommen hast!« Da setzte das Gespenst den Stein auf dessen ursprünglichen Platz und hatte seine Erlösung gefunden.
34. Kohlen werden zu Geld.
Eine arme Frau von Marzell kam eines Tags, beim Holzsammeln im Wald, zu einem Loch, das voll schwarzer Kohlen lag. Sie steckte davon so viele in ihre Taschen, als dieselben faßten. Bei ihrer Heimkunft fühlte sie auf einmal, daß in ihren Taschen etwas sehr Schweres sei; sie griff hinein und zog lauter Goldstücke heraus. Sogleich eilte sie in den Wald zu dem Loche; aber da waren alle Kohlen verschwunden.
35. Der Hapsperger.
In der Mitte des 16ten Jahrhunderts war Freiherr von Hapsperg Landvogt in der Herrschaft Badenweiler. Mit dessen Hülfe führte der Markgraf dort das Lutherthum ein, wobei jener so eifrig war, daß er in der Müllheimer Kirche sich mit auf den Chor stellte und den neuen Gesang leiten half. In seinem Amte war er hart und erlaubte sich manche Gewaltthat. Einem Juden, welcher schon öfters wegen Diebereien gestraft worden, hatte er für den nächsten Fall mit dem Henken gedroht. Als er nun eines Tags mit seinem Diener und dem Hatschier von Müllheim gegen Sulzburg ritt, gewahrte er, von der Höhe aus, den Juden, der bei Erblickung des Landvogts eilig die Flucht ergriff. Letzterer ließ ihn jedoch durch seine Begleiter einfangen und dessen Zwerchsack untersuchen, worin sich ein paar Hühner fanden, die der Jude, wie er gleich eingestand, in Zunzingen gestohlen hatte. Da erinnerte Hapsperg denselben an seine Drohung, und ließ ihn durch seine Leute ohne weiteres an den nächsten Nußbaum aufknüpfen. Dieser Platz, welcher an einem Kreuzwege liegt, wird davon noch heute der Judengalgen genannt. Nachher berichtete der Landvogt dem Markgrafen, daß er den Juden, vorbehältlich der höhern Genehmigung, habe henken lassen und bat um deren Ertheilung. Diese erfolgte zwar, jedoch mit der Weisung, künftig die Todesurtheile nicht nach, sondern vor der Vollstreckung bestätigen zu lassen.
Eine andere Bedrückung der Leute entstand aus des Hapspergers unmäßiger Jagdliebe. Selbst aus der Predigt ließ er dieselben zum Treiben holen und verfolgte das Wild bis in die Fruchtfelder, daß die Aernte großentheils zu Grunde ging. Einmal ritt er noch in den Wald des Innerbergs auf die Jagd, als seine Frau schon Geburtswehen empfand; bald aber wurde er nach Hause gerufen, weil sie und ihr neugebornes Kind am Sterben seien. Da sprengte er