Märchen & Sagen aus dem Lande Baden und der Umgebung. Bernhard Baader
er nur noch einige kleine Münzen, welche voll Grünspan waren. Um denselben wegzuschaffen, ging er zum Brunnen und fing an, die Münzen zu waschen; da sah er auf einmal einen langen Mann neben sich stehen, der wie ein Jäger gekleidet war, Schuhe mit Schnallen und, auf der Brust, ein glänzendes Schild von Kupfer trug. Derselbe sagte zu ihm mit drohender Geberde: »Hättest du dich heute Morgen nicht gesegnet, so solltest du jetzt sehen, was ich mit dir anfinge!« Hierdurch heftig erschreckt, rannte der Junge davon, und als er wieder zu den Arbeitern kam, erzählte er ihnen das Geschehene. Seine Schwester ging nun so weit mit ihm zurück, daß sie den Brunnen sehen konnten; allein sie gewahrte den Jäger nicht, welchen ihr Bruder noch dort stehen sah. Kurz darauf fiel dieser in eine mehrwochige Krankheit, worin er häufig jammerte, daß der Jäger bei ihm stehe. Nachdem er wieder genesen, mußten die Leute, auf Befehl des Pfarrers, ihm alles zurückgeben, was sie ihm von seinem Fund genommen hatten. Hierdurch erhielt er so viel Vermögen, daß er seinen Dienst aufgeben konnte. Auf dem Grasplatz ist seitdem öfters nach Geld gegraben, aber stets nur werthloser Erzstaub gefunden worden.
51. Stiftung des Heiligenhauses bei Ebnet.
Tief in der Nacht fuhr ein Mann, auf einem einspännigen Wagen, bei Ebnet über die Dreisam. Erst als er drüben, auf dem rechten Ufer, war, wurde er inne, daß die Brücke abgedeckt, und sein Fuhrwerk über das leere Gebälk gelaufen sei. Zum Danke für die wunderbare Errettung ließ er, unweit der Brücke, ein Heiligenhaus mit dem Standbild des heiligen Johannes von Nepomuck errichten.
52. Das Bild am Schwabenthor zu Freiburg.
Dieses Gemälde zeigt einen schwäbischen Landmann bei einem vierspännigen Wagen, der mit zwei Fässern beladen ist, und neben dem eine Katze läuft. Ueber die Begebenheit, welche das Bild darstellt, bestehen folgende abweichende Erzählungen.
1.
Ein Mann aus Schwaben führte zwei Fässer voll Gold, das zum Münsterbau in Freiburg bestimmt war, dahin; aber als er sie öffnete, waren sie mit Kieselsteinen gefüllt. Durch eifriges Nachforschen brachte er heraus, daß seine Frau (welche durch die Katze vorgestellt wird) eine Hexe sei und die Verwandlung vorgenommen habe, jedoch der Zauber gehoben werde, wenn er dessen Urheberin in Stücke haue. Ohne Bedenken that er nun dies, und sogleich war, statt der Kiesel, wieder das Gold da.
2.
Ein reicher Schwabenbauer hörte von der Schönheit Freiburgs und beschloß, es sich zu kaufen. Zu dem Ende lud er sein Geld in zwei Fässer, fuhr damit nach Freiburg und fragte: »Was kostet das Städtlein?« Daß es tausendmal mehr werth sei, als sein Geld, setzte ihn in große Verwunderung, worüber ihn die Freiburger tüchtig auslachten und noch mehr verspotteten, als die Fässer geöffnet wurden, und darin, statt Geld,Sand zum Vorschein kam. Die Frau des Bauers hatte nämlich das Geld heimlich aus den Fässern geleert, dafür den Sand hineingefüllt, und hierdurch den Beweis geliefert, daß in Schwaben auch gescheidte Leute zu finden seien.
53. Silberglöckchen.
Das silberne Glöckchen im Freiburger Münster ist ein Geschenk der Herzoge von Zähringen, mit welchem in die, von ihnen gestiftete, Frühmesse geläutet werden mußte. Dies geschah jeden Morgen von dreiviertel nach vier bis um fünf. Der helle Klang des Glöckchens drang bis zum Bergschlosse Zähringen, und sobald die Herzoge ihn hörten, schwangen sie sich auf's Pferd und ritten durch den unterirdischen Gang, der von ihrer Burg bis hinter den Hochaltar des Münsters zog. Die Stunde Wegs legten sie gerade während des viertelstündigen Geläutes zurück und kamen so zur rechten Zeit in die Kirche. In der Halle vor der Hauptpforte ließen sie ihre Pferde an eiserne Ringe binden, die noch heute daselbst zu sehen sind.
54. Das Nonnenbild am Freiburger Münster.
Als Luthers Irrlehre anfing in Freiburg bekannt zu werden, hieß es in einem dortigen Frauenkloster, daß allen Nonnen, welche noch Zähne hätten, das Heurathen erlaubt würde. Da sprang eine alte, häßliche Nonne aus der Mitte der andern hervor, zeigte mit dem Finger in ihren weit geöffneten Mund und rief: »Auch ich habe noch hier einen Stumpen!« Zum Spott hierfür ward ihr Bild in dieser Stellung in Stein ausgehauen und unter die wasserspeienden Fratzen außen am Münsterchor gesetzt, wo es noch heutiges Tages zu sehen ist.
55. Maria hilft.
Ein elternloser Knabe, welcher bei einem Freiburger Handwerker in der Lehre stand, wurde von diesem, trotz seines guten Betragens, auf's übelste behandelt. In einer stürmischen Regennacht warf ihn derselbe zum Hause hinaus auf die Straße. Da betete der Knabe zu der Muttergottes im Münster und schlief hierauf ein. Als am Morgen der Meßner das Münster aufschloß, fand er den Lehrjungen auf den Stufen des Frauenaltars in ruhigem Schlafe liegen. Nachdem erihn geweckt, und dieser über sein Hiersein sich eben so gewundert hatte, als jener, erkannten beide, daß die Muttergottes dies Wunder gewirkt habe. Dasselbe wurde bald in der Stadt bekannt, und darauf der Knabe zu einem ordentlichen Mann in die Lehre gethan.
56. Hexen in Freiburg.
Im Wirthshaus zu Freiburg ward eines Tags gestritten, ob es in der Stadt viel oder wenig Hexen gebe. Ein Scharfrichter, welcher bisher zugehört, sagte, er wette einige Kronenthaler, daß mehr Hexen da seien, als in einen vierspännigen Leiterwagen gehen, und er wolle davon den Beweis liefern. Nachdem die Wette geschlossen war, ließ er sich von dem Hausknecht auf des Wirthes vierspännigem Leiterwagen durch alle Straßen der Stadt fahren. In jeder zwang er durch seine große Zauberkunst die dort wohnenden Hexen, sich auf den Wagen zu setzen, welcher nach und nach so voll wurde, daß manche nur noch auf der Langwiede Platz fanden. Als er alle auf dem Wagen hatte, fuhr er damit an das Wirthshaus, zeigte, daß er die Wette gewonnen, und jagte dann die Hexen wieder auseinander.
57. Die Christnacht.
Während der Christmette blühen die Apfelbäume, blühen ab und tragen Früchte.
Um zwölf Uhr fließt aus den Brunnen, statt Wasser, Wein, und in den Ställen liegt alles Vieh auf den Knieen. Daß dasselbe in dieser Nacht über die Ereignisse des künftigen Jahrs miteinander rede, wollte ein Mann zu Freiburg nicht glauben, und um darüber Gewißheit zu erlangen, legte er sich in seinem Stall unter die Krippe. Zwischen elf und zwölf sagten die Pferde zueinander: »Dieses Jahr müssen wir unsern Herrn auf den Kirchhof führen.« Der Mann erschrack hierüber, wurde nach einiger Zeit krank und verschied noch in dem Jahre.
Ein anderer, der, einer Wette wegen, im Stall auf das Reden des Rindviehs wartete, ward am Morgen daselbst todt gefunden.
58. Stadtthier.