Der Occultismus des Altertums. Karl Kiesewetter
die sieben Götter des unermeßlichen Himmels; Sie sind die sieben Götter der unermeßlichen Erde; Sie sind die sieben Götter der feurigen Sphären; Die sieben Götter, sie sind sieben an der Zahl; Sie sind die sieben schädlichen Götter; Sie sind die sieben Schreckgeister; Sie sind die sieben bösen Flammengespenster, Sieben im Himmel, sieben auf der Erde, Der böse Dämon, der böse alal, der böse gigim, der böse telal, der böse Gott, der böse maskim. Geist des Himmels, beschwöre sie! Geist der Erde, beschwöre sie! Geist der Nin-gelal, der Herrin der Länder, beschwöre sie! Geist des Nin-dara, Sohn des Feuerhimmels, beschwöre sie! Geist der Sukus, Herrin der Länder, die zur Nachtzeit erglänzt, beschwöre sie!“
Die akkadischen Beschwörungen der Maskim erhalten zuweilen eine noch größere Ausdehnung und nehmen dann stets eine dramatische Form an. Eine Schilderung der von den Dämonen verursachten Verheerungen bildet die Einleitung, wobei vorausgesetzt wird, daß die Klage von dem wohlwollenden Silik-mulu-khi, dem Sohne Ea's, der über den Menschen wacht und zwischen ihnen und den obern Göttern als Vermittler dient, erhört worden sei. Aber seine Macht und Weisheit sind nicht derart, daß sie die übermächtigen Geister, deren Einfluß beschworen werden soll, zu überwinden vermögen. Silik-mulu-khi wendet sich daher an seinen Vater Ea, den Herrn der ewigen Geheimnisse, der die theurgischen Handlungen leitet, und dieser offenbart endlich den mysteriösen Ritus, die Zauberformel oder den „allmächtigen geheimnißvollen Namen“, der im Stande ist, alle Anschläge der furchtbarsten Höllenmächte zu vereiteln.
Es wird also in den akkadischen Beschwörungen von einem allmächtigen, geheimnisvollen Namen gesprochen, „mittelst dessen Ea im Innern seines Herzens die Zukunft bewacht und beschirmt“; dieser Name aber, der alle höllischen Mächte zu Boden streckt, wird nicht genannt: er wird in geheimnisvoller Weise vom Vater auf den Sohn übermittelt, ähnlich wie die wahre Aussprache des יהוה bei den Juden von Hohepriester zu Hohepriester. Ea erteilt noch einige Vorschriften zum Behuf der Beschützung und Heilung der von den Maskim Besessenen, worauf endlich mehrere göttliche Wesen, wie die Höllengöttin Nin-kigal und Nin-akka-quddu, deren Eigenschaften weniger bekannt sind, unter Eas Anführung in die Handlung eingreifen und zusammen mit dem Feuergott zur völligen Unterwerfung und Bindung der Maskim schreiten.
Noch ist zu bemerken, daß diese soeben besprochenen Dämonen, deren Thätigkeit vorwiegend eine allgemeine und kosmische ist, nicht selten auch Menschen angreifen, deren Mißgeschick sie herbeiführen. Ihre Einwirkung kann aber auch – wie die der Teufel des Mittelalters und der Reformationszeit – infolge der Bezauberung durch Schwarzkünstler, wovon weiter unten, eintreten, und diese gilt daher als Urquelle alles menschlichen Unglücks sowie als Ursache aller tellurischen Katastrophen.
Wir sehen also in dem akkadischen Beschwörungsritual den ganzen Modus der mittelalterlichen Teufelsbeschwörungen vorgebildet, und wie dort die Maskim durch Silik-mulu-khi, den Sohn des Ea, und den „allmächtigen, geheimnißvollen Namen“ Eas beschworen werden, so werden hier die sieben Kur- oder Großfürsten der Hölle durch Jesum Christum, Gottes Sohn, und die geheimnisvollen kabbalistischen Namen Gottes citiert und wieder entlassen. Ja, der „allmächtige, geheimnißvolle Name“ der Akkader erinnert sogar an die Worte des Goetheschen Fausts, mit welchen dieser den in Pudelsgestalt hinter dem Ofen hockenden Mephistopheles apostrophiert:
„Verworfenes Wesen,
Kannst du ihn lesen,
Den nie entsprossenen,
Unausgesprochenen, Durch alle Himmel gegossenen, Freventlich durchstochenen?“
Die akkadisch-chaldäischen Planetengötter und Maskim wurden im Parsismus zu den Amschaspands und Devs, bei den Juden zu den Erzengeln und Dämonen der Planeten, bei den Neuplatonikern zu den Weltfürsten und den Fürsten der Materie, und bei den mittelalterlichen Magiern endlich zu den Planetenintelligenzen und Großfürsten der Hölle.
Die andern Naturgeister wurden nicht zu den eigentlichen Dämonen gezählt, sondern – wie der keilschriftliche Ausdruck lautet – als „an sich selbst böse Geister“ angesehen. Namentlich waren dies die Geister heißer und ungesunder Winde, welche in Verbindung mit den klimatischen Verhältnissen Chaldäas die Ausbildung und Verbreitung ansteckender Krankheiten begünstigten. Noch die Magie der nachreformatorischen Zeit läßt die vier Kardinalwinde von den Teufeln Oriens, Paymon, Egyn, Amaymon beseelt sein, und noch Robert Fludd schrieb in seiner Medicina catholica einen stattlichen Folioband, worin er die Entstehung und Heilung aller Krankheiten durch die Geister der Winde detailliert.
Die Thätigkeit der übrigen, unbestimmt klassifizierten akkadischen Dämonen ist auf die Vorgänge des täglichen Lebens gerichtet, und eine Beschwörung sagt hierüber Folgendes:
„Sie sind der Hölle Ausgeburt,
Sie tragen den Umsturz nach oben, sie bringen Verwirrung nach unten.
Sie sind das Gift in der Galle der Götter, die großen Tage, die vom Himmel sich weg stehlen.
Sie fallen als Regen vom Himmel, sie sind die der Erde entsprossenen Kinder.
Sie drängen sich rings um hohe Gerüste, um geräumige Gerüste.
Sie dringen aus einem Hause in das andere,
Sie werden von den Thüren nicht abgehalten,
Sie werden von den Riegeln nicht aufgehalten,
Sie schleichen zwischen den Thüren hindurch wie Schlangen,
Sie verhindern die Schwängerung des Weibes durch den Gatten[6], Sie stehlen die Kinder vom Schooße des Menschen[7], Sie vertreiben den Besitzer vom väterlichen Hause, Sie sind die Stimme, die den Menschen verflucht und verfolgt.“
Diese Dämonen wohnen in Einöden und Wildnissen[8], von wo aus sie in bewohnte Ländereien einfallen, um die Menschen zu schrecken und zu schädigen. Sie werden in den Beschwörungen nach ihren Wohnorten klassifiziert, nach der Wüste, rauhen Berggipfeln, pesthauchenden Sümpfen und dem Meere. Ferner heißt es an einer Stelle, daß der utuk die Wüste bewohne, der alad sich auf den Berggipfeln aufhalte, der gigim die Wüste durchstreife und der telal in den Städten umherschleiche.
Von allen bösen Einwirkungen, welche die Dämonen auf die Menschen ausüben, ist die Besessenheit am meisten gefürchtet, und es giebt zahlreiche Sprüche und Beschwörungen zur Heilung derselben. So heißt es z. B.:
„Den Dämon, der sich des Menschen bemächtigt, den Dämon, der sich des Menschen bemächtigt,
Den gigim, der das Üble anthut, den bösen Dämon,
Geist des Himmels, beschwöre ihn! Geist der Erde, beschwöre ihn!“
Wenn die Dämonen aus den Besessenen vertrieben waren, so suchte man zum Schutz gegen ihre Wiederkehr durch Beschwörung dahin zu wirken, daß nach Ausfahrt des bösen Geistes ein guter in den Leib des Besessenen fahre. In diesem Sinne sagt eine Beschwörung:
„Daß der böse Dämon ausfahren möge!
Daß er sich anderswo niederlasse!
Daß der holde Dämon, der holde Coloß
Einfahren möge in seinen Körper!
Geist des Himmels, beschwöre sie! Geist der Erde, beschwöre sie!“
Nach akkadischem Glauben waren alle Krankheiten ein Werk der Dämonen, woraus sich die schon Herodots Aufmerksamkeit erregende Thatsache erklärt, daß es bei den Erben der Akkader, den Babyloniern und Assyriern, keine Ärzte in unserm Sinne gab; die Medizin war bei ihnen nicht wie bei den Griechen eine rationelle Wissenschaft, sondern ein Zweig der Magie, welche wiederum mit der Religion zusammenfiel. Das ärztliche Verfahren bestand in Beschwörungen, Exorcismen und der Anwendung von Zaubertränken, wodurch allerdings nicht ausgeschlossen wird, daß man sich bei Anwendung der letzteren nicht auch einer Anzahl von Stoffen bediente, deren Heilkraft die Erfahrung gelehrt hatte.
Die Auffassung, daß die Krankheiten ein Werk feindlicher Dämonen seien, zieht sich bekanntlich durch die ganze Geschichte, und diesbezügliche Beschwörungen wären wohl kaum zu allen Zeiten geübt worden, wenn sie nicht zuweilen wirksam gewesen wären. Die so von und bei geeigneten Persönlichkeiten erzielten Heilungen bestärkten natürlich den Glauben