Der Occultismus des Altertums. Karl Kiesewetter
Voraussetzung auch den thatsächlich erzielten Erfolg preiszugeben. Die durch Exorcismen erzielten Heilungen sind ganz einfach als mind-cures zu betrachten, in denen eine willenskräftig liebevolle durch die dem jeweiligen Kulturzustand entsprechende Beschwörung gläubig erregte Psyche auf eine andere, schwächere wirkt; und dies mag wohl schon bei den Akkadern der Fall gewesen sein.
Das zweite Buch des Sargonschen Auguralwerks enthält die akkadischen Krankheitsbeschwörungen, welche nach einem Muster geformt sind: Eine Erklärung der Krankheit und ihrer Symptome macht den Anfang und füllt den größten Teil der Beschwörung aus, worauf die Wünsche nach Genesung, oder aber eine an die Krankheit selbst[9] gerichtete kategorische Aufforderung, sich zu entfernen, den Schluß bilden. Manchmal erhält die Beschwörung am Schluß eine dramatische Form, und es entspinnt sich dann stets ein Dialog, in welchem Ea von Silik-mulu-khi angegangen wird, das gewünschte Heilmittel nachzuweisen.
Manchmal sind diese Heilmittel magnetische, wie z. B. magnetisiertes Wasser, Transplantation der Krankheit und magnetisierte Amulette. Ein Beispiel für den Gebrauch magnetisierten Wassers liefert uns eine längere Beschwörung, deren Anfang leider verstümmelt ist. Der Text beginnt mit den Worten:
„Die Krankheit der Stirn ist der Hölle entsprungen,
Sie ist dem Wohnsitz des Gebieters der Hölle entsprungen.“
Im Folgenden werden die besonderen Symptome des Leidens charakterisiert; es wird von der „anschwellenden Geschwulst“ und „beginnender Eiterung“ sowie von der Gewalt des Übels gesprochen, welches „die Wände des Kopfes gleich denen eines morschen Schiffes zersprengt“. Vergeblich hat der Kranke die Wirkung der reinigenden Gebräuche versucht; sie vermochten die der Hölle entstammende Plage nicht zu bemeistern:
„Er hat sich gereinigt und hat den Stier nicht gebändigt,
Er hat sich gereinigt und hat den Büffel nicht ins Joch gespannt.“
Trotzdem läßt das Übel nicht ab, den Kranken „gleich Heuschreckenschwärmen“ zu zernagen; da schreiten endlich die Götter ein, und von jetzt ab lautet der Text:
„Silik-mulu-khi hat ihm Beistand geliehen.
Er ist in seines Vaters Behausung getreten und hat zu ihm gesprochen:
Mein Vater! die Krankheit des Hauptes ist der Hölle entstiegen.
Ein zweites Mal hat er zu ihm gesprochen:
Was er dagegen thun soll, das weiß dieser Mann nicht; wie wird er dieselbe überwinden?
Er hat seinem Sohne Silik-mulu-khi erwidert:
Mein Sohn! weshalb weißt du das nicht? Warum soll ichs dich erst lehren?
Was ich weiß, das weißt du doch auch.
Doch komme her, mein Sohn Silik-mulu-khi;
. . . . . . . . . .[10] nimm den Eimer; Schöpfe Wasser von der Spiegelfläche des Flusses; Theile diesem Wasser deine hohe Zauberkraft mit; Verleihe ihm durch deinen Zauber den Glanz der Reinheit. Benetze mit ihm den Mann, den Sohn seines Gottes; . . . . . . . . . . umhülle sein Haupt. Daß der Irrsinn vergehe! Daß die Krankheit seines Hauptes sich auflöse wie ein flüchtiger Nachtregen! Daß Eas Vorschrift ihn heile! Daß Davkina[11] ihn heile! Daß Silik-mulu-khi, des Oceans Erstgeborener, das günstige Bild schaffe!“
Nehmen wir, was hier zulässig ist, an, daß bei den Akkadern, wie bei den Ägyptern der heilende Gott in der Praxis durch einen Priester vertreten wird[12], so sehen wir in dem letzten Passus der Beschwörung gleichzeitig eine Vorschrift zur Herstellung magnetisierten Wassers vor uns, welches angewendet wurde, wenn der Exorcismus oder – besser gesagt – die geistige Heilkraft, nicht stark genug war.
Daß die alten Akkader auch eine Art mesmerisierter Bäder kannten, ergiebt sich aus dem Inhalt folgenden Zauberspruchs[13]:
„Fülle ein Gefäß mit Wasser;
. . . . . . . . . .
Stelle einen Zweig von der weißen Ceder hinein;
Übertrage demselben den Zauber der von Eridhu[14] kommt. Bekräftige sodann die Bezauberung dieses Wassers; Vervollständige den göttlichen Zauber. Reiche dieses Wasser dem Menschen; Thue, was . . . . . . . . . . sein Haupt. Den hinfälligen Menschen, Sohn seines Gottes, stelle wieder her! . . . . . . . . . . sein Zauberbild. Beschwöre diesen Menschen. Verleihe Heilkraft diesem bezauberten Wasser, auf daß Ihn alle Folgen der Verwünschung verlassen. Gleichzeitig, während dieses Wasser über seinem Körper zerrinnt, Möge die Pest, die seinen Körper behaftet, zerrinnen wie dieses Wasser. Fange dieses Wasser im Gefäße wieder auf Und schütte es aus als Trankopfer auf die Seite der Landstraße, Daß die Landstraße die Krankheit, die seine Kräfte verzehrt, entführe!“
Wie allbekannt, werden noch heute Bäder mesmerisiert, indem man mit einem Stab, dem Konduktor, das in der Wanne befindliche Wasser eine Zeit lang in gleicher Richtung kreisförmig umrührt, eine Manipulation, welche, wie der Augenschein beweist, schon vor Jahrtausenden bekannt war. Nach unserer Vorschrift scheint man das magnetisierte Wasser sowohl zum Trinken als zu einer Art Douche benutzt zu haben. Das Ausgießen des Bades auf die Landstraße ist eine sogenannte „Transplantation der Krankheit in die Elemente“, wie sie noch heute bei den sogenannten magnetischen Kuren vielfach geübt wird, indem man die mit der kranken „Mumie“ angefüllten „Magnete“ – um die klassisch gewordenen Ausdrücke der Paracelsisten beizubehalten – an die Luft oder in den Rauch hängt, vergräbt, verbrennt, ausschüttet usw.
Der Zauberstab oder magnetische Konduktor spielt in den Euphratländern eine große Rolle und heißt akkadisch gis-zida, „der günstige, wohlthätig wirkende Stab“, oder gi-namekirru, „Rohr des Schicksals“ und assyrisch qan mamiti, „Rohr des Schicksals“ und qan pasari, „Rohr der Offenbarung“. Als Schilfrohr ist der Zauberstab Attribut des heilenden Gottes Silik-mulu-khi, und es heißt von ihm[15]:
„Goldenes Schilfrohr, mächtiges Schilfrohr, leuchtendes Schilfrohr der Sümpfe,
Heilige Streu der Götter,
Kupfernes Schilfrohr, das die Vollendung erhöht,
Ich bin der Bote des Silik-mulu-khi,
Der Verkünder hehrer Verjüngung.“
Offenbar beziehen sich die dem Schilfrohr oder Zauberstab beigelegten Bezeichnungen auf durch denselben hervorgerufenes Hellsehen oder erzeugte Heilungen resp. wohlthätige allgemeine Wirkungen, und es gewinnt nach obiger Strophe den Anschein, als ob man sich auch metallener Konduktoren bedient habe. Vielleicht unterstützten die Erben der Akkader ihre Seher und Seherinnen durch das „Rohr der Offenbarung“. Die bekannteste dieser antiken Somnambulen wohnte im Turme zu Borsippa, und Herodot äußert sich, das Wesen der Incubation mißverstehend, folgendermaßen über die dort erteilten Orakel:
„Im obersten Thurm ist ein geräumiger Tempel, in demselben befindet sich eine große wohlgebettete Lagerstätte und daneben steht ein goldener Tisch; ein Götterbild ist aber dort nicht aufgerichtet, auch verweilt kein Mensch darin des Nachts außer einem Weibe, eine von den Eingeborenen, welche der Gott sich aus allen erwählt hat, wie die Chaldäer versichern, welche die Priester dieses Gottes sind. Eben dieselben behaupten auch, wovon sie mich jedoch nicht überzeugt haben, daß der Gott selbst in den Tempel komme und auf dem Lager ruhe, gerade wie in dem egyptischen Theben auf dieselbe Weise nach Angabe der Aegypter, denn auch dort schläft im Tempel des thebanischen Zeus ein Weib. Diese beiden pflegen, wie man sagt, mit keinem Manne Umgang; ebenso verhält es sich in dem lycischen Patara mit der Priesterin des Gottes zur Zeit des Orakels, denn es findet dasselbe nicht immer dort statt; wenn es aber stattfindet, so wird sie dann die Nächte hindurch mit dem Gott in den Tempel eingeschlossen.“[16]
Einigen Aufschluß über die Anwendung magnetisierter Stoffe zu Heilzwecken in Verbindung mit magnetisiertem Wasser bei den Akkadern giebt uns folgender Zauberspruch, in welchem Ea die Mittel zur Heilung eines Kopfübels angiebt[17]:
„Nimm das Fell eines weiblichen Camels, das sich nie begattete,
Die Zauberin[18] stelle sich zur Rechten, auch treffe sie ihre Vorbereitungen zur Linken (des Kranken); Zertheile