Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt

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Sturm flog heulend um die hohen und spitzen Giebel, daß sie leicht erzitterten und Funken und Asche von dem Herde aufwirbelten, wenn der Wind in den Schlot hinabfuhr.

      »Was will Sie beginnen, Jungfer Mewes?« wiederholte die Schauspielerin, als auf ihre Frage keine Antwort erfolgte. »Sie soll mir nicht wahrsagen, heute nicht. Ich kann nichts hören in meinem aufgeregten Zustande. Hört Sie mich? Sie soll nicht!«

      Es schien fast in dem Ton zu liegen, womit diese Worte gesprochen wurden, als sollten sie das Gegenteil von dem bedeuten, was sie ausdrückten. Ihre Augen hefteten sich fest auf die Karten und Unruhe im ganzen Körper deutete an, daß sie den Augenblick nicht erwarten könne, wo die Weissagung beginne. Allein Jungfer Mewes ließ sich nicht stören. Sie wandte die Augen nicht von der obersten Karte ab, als ob sie aus derselben etwas ganz Absonderliches lesen wollte, und hielt die Lippen fest verschlossen, als fürchte sie, daß ein unbedachtes Wort denselben zur Unzeit entschlüpfen könne.

      »Sie weiß nicht, was mir geschehen ist!« sagte nach einer weiteren Pause die Schauspielerin. »Die Flamme faßte nach mir und ich war nahe daran, zu verbrennen.«

      »Hier ist auch ein Feuer,« sagte Jungfer Mewes, eine Karte umschlagend, »aber das Feuer verwandelt sich in eitel Gold.«

      »Gold!« wiederholte die Schauspielerin. »Hätte ich es, ich würde meinen Rettungsengel damit schmücken! Hört Sie es, Jungfer Mewes? Meinen Engel, der vom Himmel herabkam, um mich dem Feuertode zu entreißen.«

      »Das habe ich Ihr schon vor acht Tagen prophezeit, daß Sie noch einmal lichterloh brennen würde. Damals lachte Sie laut auf und ich warf die Karten hin, weil Ihr Unglaube mich erboste, sonst hätte ich den Engel auch noch gefunden!«

      »Das liebe Kind! Ich weiß wohl, daß es kein rechter Engel war, allein ich nenne ihn so. Was für treue Augen hatte er! Und diese Ringellocken! Jungfer Mewes, die Augen gingen mir über, als ich ihn an mich zog und sein Herz schlagen hörte.«

      »Still!« gebot die Wahrsagerin. »Hier ist ein Engel. Sieht Sie diesen Buben? Aber er wird groß und stark. Er geht an Bord eines Schiffes und fährt über das öde Wasser, weit weg, dahin, wo der Welt Ende ist.«

      »Lasse Sie ihn fahren, so weit er kann. Ich sehe ihn doch leibhaftig vor mir stehen.«

      Jungfer Mewes stocherte die Lampe auf, damit sie heller brenne, legte eine Karte neben die andere und schüttelte stillschweigend den Kopf. Plötzlich schrie sie laut:

      »Da ist er wieder!«

      »Wer?« fragte die Schauspielerin aufschreckend.

      »Der Engel. Er ist schon ganz nahe bei Ihr. Aber der kleine Engel ist ein stattlicher Herr geworden und hat einen bunten, gestickten Rock an.«

      Frau Rosmarin lächelte schmerzlich: »Wenn das Glück mit ihm ist, wird er nicht in mein Haus treten. Das ist immer vor meiner Schwelle umgekehrt.«

      »Diesmal kommt er,« sagte Jungfer Mewes zuversichtlich. »Und er kommt nicht allein, sondern er bringt Ihr etwas mit.«

      »Und was wäre das?«

      »Einen Liebhaber!« entgegnete die Wahrsagerin rasch. »Einen stattlichen, vornehmen Herrn. Und einen Brautschatz schleppt er hinter sich her, der flimmert und glänzt, daß einem das Herz im Leibe lacht.«

      »Die Karten lügen!« rief die Schauspielerin aufspringend. »Ins Feuer mit ihnen!«

      Sie streckte die Hand danach aus, allein Jungfer Mewes umkrallte sie so fest mit den Fingern, daß man ihr dieselben nicht zu entreißen vermochte. Dabei wurde sie gar ingrimmig und sich der Schauspielerin gegenüberstellend, die Arme in die Seiten gestemmt, sagte sie giftig:

      »Das ist nun zum zweiten Male, daß Sie mein Spiel stört und mir diesen Schatz rauben will. Wenn es zum dritten Male geschieht, kündige ich Ihr den Vertrag und lasse sie ziehen. Sie mag dann sehen, wo Sie für wenige Schillinge Kost und Herberge findet. Das Schauspielervolk tut immer so stolz und aufgeblasen, als ob es etwas Rechtes wäre, und es gibt sich doch kein ehrlicher Christenmensch mit ihnen ab. Wo will Sie denn hin, wenn ich Ihr die Tür verschließe?«

      Frau Rosmarin empfand die Wahrheit dieser Worte und es fiel ihr schwer aufs Herz, daß die Erzürnte die ausgestoßene Drohung zur Wahrheit machen könne. Zugleich fühlte sie die Demütigung, von den Launen einer zänkischen alten Jungfer abhängig zu sein und ein Gefühl der Bitterkeit bemächtigte sich ihrer. Aber sie bekämpfte die aufsteigende Wallung und der Jungfer Mewes die Hand reichend, sagte sie:

      »Trage Sie es mir nicht nach. Ich werde mich für die Zukunft besser beherrschen.«

      »Das rate ich Ihr, um Ihrer selbst willen. Wenn man nicht die Macht hat, aufzutrumpfen, muß man auch nicht den Willen dazu haben.«

      »Sie würde milder sein, wenn Sie wüßte, wie sehr dieses Herz gequält und gefoltert ist und was ich litt und duldete bis zur gegenwärtigen Stunde. Ich muß ihm Luft schaffen von Zeit zu Zeit, wenn es nicht zerspringen und die namenlosen Qualen bis in das Unendliche mehren soll.«

      »Dann werfe Sie die Last von sich, welche Sie drückt. Das Geheimnis weckt die Neugier, aber keine Teilnahme. Sie hat schon oft solche Worte ausgestoßen, allein wenn man fragte nach dem Warum und Weshalb, ist sie stumm geworden und hat nicht mehr Laute von sich gegeben als der hölzerne Tisch da, der doch noch knarrt und pfeift, wenn man an das wackelige Gestell rüttelt. Schweige Sie also ganz und gar, oder mache Sie den Mund rechtschaffen auf und lasse Sie hören, warum Ihr Herz beklemmt ist und nicht zum Schweigen gebracht werden kann.«

      »Ja, ich will reden!« entgegnete Frau Rosmarin rasch. »Ich habe noch nie so sehr danach geschmachtet, mir durch Worte Luft zu machen, als in dieser Stunde. Sie soll mich hören und erfahren, wie die frische Maienblüte zur trauernden Rosmarin geworden ist.«

      Es war die geeignete Stimmung für eine Mitteilung solcher Art. Der Sturm steigerte sich und warf die schweren Regentropfen klirrend gegen die kleinen Scheiben. Die Dachsparren stöhnten unter der Wucht des heulenden Nordwest und klirrend flogen die losgerissenen Dachziegel auf das Straßenpflaster herab.

      Die beiden Frauengestalten rückten nahe aneinander. Jungfer Mewes schob die Karten in die Tasche, schlang die Hände ineinander und saß unbeweglich auf ihrem Stuhl. Die Schauspielerin sprach, und in der einsamen Dachstube entwickelte sich nach und nach Wort für Wort und Szene um Szene, die ganze Komödie des Pfarrers von dem Augenblicke an, da die Maienblüte darin zuerst den Schauplatz beschritt, bis zu der Katastrophe, da Frau Janna Straußin mit ihr die Kellertreppe hinabstieg.

      Jungfer Mewes hatte aufmerksam zugehört. Sie schauerte und indem sie sich fester in ihre wollene Schaube wickelte, sprach sie:

      »Das ist eine rechte Komödiantengeschichte. Aber da unten in dem Keller hat Sie es doch nicht lange ausgehalten? Wie ist Sie nur herausgekommen und wieviel Zeit war seitdem verstrichen?«

      »Weiß ich es?« sagte Frau Rosmarin, und alle Schrecken, welche sie in jener furchtbaren Zeit ausgestanden, bebten in dem Ton ihrer Stimme wider.

      Die Fenster klirrten ärger als vorher. Jungfer Mewes schauerte zusammen und sprach:

      »Es ist wie am jüngsten Gericht!«

      »Die Hölle war es, das jüngste Gericht kam später!« entgegnete die Schauspielerin. »Als die Janna Straußin meinen Arm mit ihren eisernen Fingern umkrallte und die Kellertreppe hinunterzerrte, glaubte ich schon zu sterben. Gott war nicht so barmherzig, mir diese Gnade zu gewähren. Ich mußte leben; leben und büßen. Das rief sie mir zu, als sie mich in das dunkle Loch stieß und die Tür hinter mir ins Schloß warf.«

      »Wie lange ich dort gelegen, ehe mir die Besinnung wiederkam, ich weiß es nicht. Ich schrie vor Angst und Entsetzen laut auf, aber keiner hörte mich, oder wollte mich hören. Ich jammerte und klagte, bis mir die Stimme versagte und ich willenlos verstummte. Oben, so hoch, daß meine Hand es nicht erreichen konnte, war eine Oeffnung, durch welche ein schwaches Dämmerlicht drang, wenn es gerade Tag war. Aber der Wind pfiff hindurch und blies mich mit seinem kalten Hauche an. Durch einen Schieber in der Tür wurde mir Brot


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