Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt

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sie noch ein Stück mit auf die Reise haben. Und wäre es damit noch getan. Aber das Umhertreiben führt zum Müßiggang und hernach wird ein Cord Detjens daraus.«

      »Cord Detjens? Was ist das für einer?«

      »Er war eines stillen Mannes Sohn aus Moorwerder, der nach Hamburg zu einem Schlächter in die Lehre kam. Statt bei seinem Handwerk zu bleiben, legte er sich auf die liederliche Seite, spielte bald den Balthasar, bald den Kaspar, als ob es so sein müßte, und kam nach und nach so herunter, daß er ein ganz gemeiner Trunkenbold ward. Sie nannten ihn einen Branntweinschlauch und alle Welt bekreuzte und segnete sich, als es hieß, der Cord Detjens ist bei lebendigem Leibe verbrannt und nichts als eine Handvoll Asche von ihm übrig geblieben.«

      »Gott bewahre uns in Gnaden, was erzählst du für schreckliche Geschichten. Auf dem Rückwege gehe ich allein, oder hänge mich an die Metta Schlütersch; die hechelt doch nur die Alten durch und läßt die Kinder in Ruhe. Man sieht und hört doch gleich, daß du nichts Kleines zu Hause hast.«

      Die Männer trennten sich, als sie die Landungsbrücke am Grasbrook erreichten, und gingen hierhin, dorthin.

      Es war lebhaft auf den Straßen. Die Sonne stand im Mittag und die Geschäfte des Tages waren im vollen Gange. Auch auf dem großen Neumarkt wogte es die beiden Steinwege entlang und mehrere Knaben, die sich dort umhertrieben, hatten nicht so freien Spielraum, als sie sonst sich denselben wünschen mochten. Auf einen Platz zusammengedrängt, standen sie, einen Kreis bildend, und schienen ernste Beratungen zu pflegen.

      »Das ist nun ausgemacht!« sagte einer von ihnen, »daß wir wieder die heiligen drei Könige vorstellen und in der Stadt umherziehen.«

      »Ja! Ja! Das ist ausgemacht!«

      »Gut! Und jeder muß dabei etwas vorstellen. Jan Thiemer, du kriegst den König Melchior.«

      »Den kriege ich. Die goldene Papierkrone habe ich noch vom vorigen Jahr und aus der Mutter ihrer bunten Schürze mache ich mir einen Mantel.«

      »Und ich bin der Balthasar,« sagte Jan Bremer. »Balthasar trägt das Zepter und ich will damit tüchtig um mich hauen! Wer will Kaspar sein?«

      »Ich! Ich!« riefen mehrere Stimmen.

      »Einer ist genug. Jan Lorenzen, du hast zuerst geschrien: Ich! Du sollst den Stern tragen und in der Mitte gehen, aber du mußt dir das Gesicht auch schön schwarz färben.«

      »Nein, das tue ich nicht! Meine Mutter leidet es nicht und der Vater würde mir tüchtig den Kopf waschen, wenn ich es dennoch täte. Bleibt ihr nur für euch; ich gehe zu den andern.«

      Jan Lorenzen lief davon. Die Krone des König Kaspar wurde ausgeboten samt dem Stern, allein keiner wollte sie. Es hatte sein Mißliches mit dem schwarzen Gesicht. Wenn der Spieler seiner Sache nicht gewiß war, wurde er selbst gehänselt, statt andere zu hänseln und sein Rücken mußte für die Zeche einstehen.

      Der Leiter dieser Beratung wollte schier verzweifeln ob all der Fehlschläge und rief desperat:

      »Weiß denn keiner einen Kaspar aufzufinden?«

      »Ich weiß einen!« hieß es.

      »Wen weißt du?«

      »Jan, das Kostkind!« war die Antwort.

      Die meisten erinnerten sich vom Herbst her des Genossen, der ihre Schlangenketten zerriß, und den sie fortjagten, weil er keinen andern Namen hatte als Jan.

      »Den Komödiantenjungen?«

      »Der keinen Namen hat?«

      »Er kriegt ja einen und heißt dann Jan Kaspar. Nehmt ihn nur. So ein Komödiantenjunge ist es gewohnt, Püffe zu kriegen. Auch kann er sonst tüchtige Faxen machen und bringt die Leute so zum Lachen, daß sie uns einen Schilling extra geben.«

      Die Uebrigen willigten zögernd ein. Als sie endlich einig waren, den Jan bei sich aufzunehmen, fiel ihnen plötzlich ein, ob der Junge denn auch von ihnen aufgenommen sein wollte. Daran hatte noch keiner gedacht.

      Zwei wurden abgeordnet. Sie erhielten Befehl, mit List in die große Bude zu dringen und den Jan herbeizuschaffen.

      Ueberraschend schnell fanden die Ueberbringer einer königlichen Würde und Bürde ihren Kandidaten und trugen ihm ihre Wünsche vor. Jan hörte sie gelassen an und sagte darauf:

      »Ihr habt mich geschlagen und gestoßen und mich verhöhnt, wenn ihr mich von weitem saht, weil ich ein armer Junge bin, der keine Eltern hat. Jetzt, wo ihr mich brauchen könnt, seid ihr freundlich und wißt nicht, was ihr sagen sollt, um mir nach dem Munde zu reden. Nun wäre es meine Sache, aufzutrumpfen und euch die Wege zu weisen. Aber ich will es nicht tun, sondern euch zeigen, was ich hier bei den Komödianten gelernt habe. Einen König will ich euch spielen, der sich gewaschen hat, wenn auch das Gesicht schwarz ist. Morgen früh, wenn es draußen auf dem Holzgerüste neun schlägt, komme ich zu euch heraus.«

      Damit entfernten sich die Abgesandten und meldeten, daß alles in Ordnung sei, wobei sie jedoch verschwiegen, daß der Jan sie tüchtig abtrumpfte, bevor er die dargebotene Würde annahm.

      »Morgen früh um neun!« hieß es, und diesen Worten folgte der Aufbruch.

      Frau Rosmarin saß in dem Verschlage, den man in dem Veltheimschen Theater die allgemeine Garderobe nannte, und machte sich mit Jan zu schaffen.

      »Stehe doch still, Junge!« rief sie ihm zu, dem vor Ungeduld die Sohlen unter den Füßen brannten. »Ich werde ja nicht fertig, wenn du nicht ruhig bist.«

      »Ja, Mütterchen!« entgegnete er. »Jetzt darf ich doch sagen, Mütterchen? Es ist keiner hier, der es hört und über Euch und mich lacht.«

      »Du darfst es auch sagen, wenn jemand da ist, der es hört, Söhnchen,« entgegnete sie. »Ich frage nichts darnach, wenn sie über mich lachen. Mir tut es wohl, wenn du mit deiner lieben Stimme das Wort aussprichst. So, mein Junge! Nun bist du fertig. Ei, wie schaust du prächtig darein und was für ein schmucker Herr König bist du geworden. Die andern werden dich nicht auslachen, wenn du so vor ihnen erscheinst. Sie werden die Köpfe zusammenstecken und dich beneiden. Da hängt ein Spiegel. Laufe hin und schaue hinein.«

      Jan tat, wie ihm geheißen wurde. Er sah voll Staunen die Verwandlung, die mit ihm vorgefallen war, fiel dem Mütterchen um den Hals und eilte fort mit dem Rufe:

      »Das müssen die Jungens draußen sehen! Sie warten schon auf mich!«

      »Du mußt noch erst dein Gesicht färben!« rief Frau Rosmarin ihm nach.

      »Das kann nachher geschehen!« entgegnete er, rückgewendet. »Erst sollen sie mich sehen.«

      Die Frau sah ihm mit einem freundlichen Lächeln nach. In ihrem Herzen ging etwas vor; sie wußte nicht zu sagen, was. Aber es begann mächtig zu schlagen und eine Träne glänzte in ihren Augen:

      »So habe ich nun doch etwas, woran ich mich hängen kann: Ein armes, verlassenes Kind, das ich in meine Arme schließe und über ihn alle Liebe ausgieße, deren ich fähig bin. Arm und verlassen, wie jenes Kind in der Welt umherirrt, dem ich das Leben gab, wenn die grausamen Räuber es nicht getötet haben. Christine, sei barmherzig gegen dich selbst und gib dich nicht wieder diesen entsetzlichen Träumen hin. Du bist nicht mehr allein und hast Pflichten gegen ein unglückliches Geschöpf, das sich mit kindlichem Vertrauen an dich schließt.«

      Jan kehrte von der Straße zurück und rief mit großer Freude:

      »Mütterchen, da bin ich! Sie haben mich angesehen und laut aufgeschrien. Einige schauten mich auch mit neidischen Augen an, voraus der Jan Thiemer, der den König mit der Krone macht, und lange nicht so hübsch aussteht wie ich. Wir wollen gleich anfangen, und ich will mir nur noch das Gesicht bemalen. Zuerst laufen wir den alten Steinweg ab und dann lassen wir uns beim Graskeller sehen.«

      »Gut, mein Söhnchen. Ich habe mein Versprechen gehalten und dir beigestanden. Jetzt gehe ich nach Hause, um meine neue Rolle zu lernen. Gehe du in die Rumpelkammer zu dem guten alten Tamm. Ich habe ihm


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