Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt

Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt


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Pein! Willst du mir sagen, wo mein Kind ist?«

      »Nein!« gab sie zur Antwort. »Nein!«

      Und mit diesen Worten fiel sie zurück. Mit diesen Worten schwand auch meine Besinnung.«

      »Helf Gott!« stöhnte Jungfer Mewes und versuchte umsonst, die verlöschende Lampe wieder aufzustochern. «Macht ein Ende mit dieser gräßlichen Geschichte.«

      »Sie ist am Ende!« sagte die Schauspielerin. »Ich lag bewußtlos am Boden. Als ich meine Besinnung wieder erhielt, erfuhr ich, daß ich nach dem Hospital zum heiligen Geist gebracht wurde. Die Körperkräfte kehrten allmählich zurück. Der Doktor erklärte mich für genesen und ich wurde entlassen. Meine Füße trugen mich wieder, allein mein Geist war gebrochen und es dauerte lange, ehe ich eines klaren Gedankens fähig wurde.«

      »Lasse Sie mich das Feuer anfachen, Frau!« sagte Jungfer Mewes. »Mir wird bange in dieser Finsternis.«

      Der Schwefelfaden fing Feuer an den glimmenden Funken in der Zunderbüchse. Eine Hand voll Hobelspäne flammte hell auf und warf einen rötlichen Schimmer auf das bleiche Gesicht der Schauspielerin. Diese sprach vor sich hin:

      »Die frische Maienblüte ist zum welken Rosmarin geworden. Ich konnte keine Wiedervergeltung üben, denn als ich zum Bewußtsein erwachte, war jenes böse Weib gestorben und begraben. Lachende Erben saßen in ihrem und meines Oheim Lorenz Häusern und schwelgten in dem ihnen zugefallenen Gut. Sie lachten über mich und meine Ansprüche. Sie schlugen mir die Tür vor der Nase zu und die Gerichte wiesen mich mit meiner Klage ab, denn ich konnte nichts beweisen. Ich sei gesund, hatte der Doktor im Hospital gesagt, als er mich gehen hieß. Der Blinde! Ich war kränker als jemals und erduldete Schmerzen, von denen ich vorher keine Ahnung hatte. Trostlos irrte ich auf der Straße umher. Ich hätte mitten in meiner reichen Vaterstadt verhungern müssen, wenn nicht ein mitleidiger Schauspieler sich meiner in meinem Elend angenommen hätte. Er bot mir ein Obdach und nahm mich mit zu der Truppe, welcher er angehörte. Und mit ihm bin ich zuletzt hierher gelangt und atme in der Heimat unter meinen Landsleuten, von denen niemand weiß, wer ich bin, als nur Sie allein.«

      Frau Rosmarin verstummte. Der Kopf senkte sich auf die Brust herab. Die Augen schlossen sich. Der Schlaf bewältigte sie unwillkürlich.

      »Ich will ihr einen warmen Trunk bereiten,« sagte die Jungfer Mewes zu sich selbst. »Die Aermste! Was sie ausgestanden haben muß. Und wie sie das alles vorzubringen weiß. Ich wäre nicht imstande, das so zu erzählen.«

      Mit der Schale voll dampfenden Warmbiers stand sie vor der sich eben Ermunternden und nötigte mit gutgemeinter Hast zum Genuß:

      »Sie muß gleich zur Probe. Es ist spät geworden und ich weiß, Sie läßt nicht gerne auf sich warten. Wird Ihr auch übel vermerkt von dem Direktor.«

      Frau Rosmarin leerte die Schale, welche sie mit einigen Dankesworten zurückgab und eilte nach dem Theater, wo eine Probe angesagt war. Sie erschien ziemlich früh und von den Kollegen war noch niemand anwesend. Aber Jan, der am Abend vorher die glimmenden Funken austrat und vielleicht ein großes Unglück verhinderte, tummelte sich bereits auf dem neuen Schauplatz umher und ließ sich von einem gutmütigen Theaterarbeiter alle ihm unbekannten Dinge erklären. Frau Rosmarin erblickte den Knaben und rief ihn zu sich. Mit seinen hellen, lachenden Augen sah er zu ihr auf:

      »Ich darf hier bleiben. Der Mann im braunen Rock mit den großen gelben Knöpfen hat es gesagt.«

      Ein Theaterarbeiter trat herzu und sagte ergänzend: »Herr Direktor Veltheim will dem Jungen, der uns gestern vor einem Unglück bewahrte, die Kost geben und ihn auf dem Boden schlafen lassen. Dafür soll er uns zur Hand gehen.«

      »Ja!« rief Jan. »Und Komödienspielen soll ich auch. Hurra! Das wird eine lustige Geschichte werden. Auf dem Kopf stehen kann ich schon!«

      Und im Fluge sich drehend, schoß er drei Purzelbäume hintereinander.

      »Das ist gut, mein Söhnchen!« sagte Frau Rosmarin, als sie den Knaben glücklich zum Stehen gebracht hatte. »Ich werde dich dann oft sehen und für die Dienste danken, die du mir leistetest. Ich mag nicht daran denken, was ohne dich aus mir geworden wäre.«

      »Ich sollte Sie doch nicht verbrennen lassen?« fuhr Jan auf. »Mir hat es nichts geschadet und das bißchen Haut, welches hier abgeschrammt ist, wird schon wieder wachsen.«

      Frau Rosmarin ergriff seine Hand und entdeckte eine nicht unerhebliche Verletzung. Sie nahm ihr Taschentuch, um ihn zu verbinden. Er schien es gern zu haben und sagte freundlich:

      »Das tut mir wohl. Hier ist es besser, als heute Nacht auf der Straße.«

      Die Schauspielerin gedachte des entsetzlichen Wetters zur Nacht und fragte erschrocken:

      »Du warst draußen?«

      »Wo denn sonst? das Tor war geschlossen und nach dem Grasbrook in die Herberge konnte ich nicht mehr. Als es regnete, hockte ich unter einem Kellerschauer und als es Tag wurde, ging ich hierher, wo ich nun bleibe, bis sie mich nicht mehr haben wollen.«

      »Ich werde dich gerne hier sehen!« sagte Frau Rosmarin. »Sind denn aber die Deinigen damit zufrieden?«

      »Die Meinigen?« fragte Jan und sah sie mit seinen großen Augen an. »Was sind das für welche?«

      »Was sind das für welche?« wiederholte sie unwillkürlich. »Du armes Kind weißt nicht ... So hast du denn keinen Vater und keine Mutter?«

      »Ich bin ganz allein!« entgegnete Jan. »Die alte Möllern will mich nicht mehr und meine Zeit in Vater Pfingstmeiers Schenke ist heute auch abgelaufen. Nun habe ich niemand.«

      »Du bist eine Waise,« sprach sie. »Eine Waise, wie ich es war. Aber du bist doch frei und schmachtest nicht in Ketten und Banden.«

      »Nein, gebunden hat mich keiner. Sollte es nur einer probieren, dem wollte ich ...«

      Er nahm eine drohende Stellung an. Frau Rosmarin sah ihn lächelnd an und sagte:

      »Von einem Bande kannst du dich immer halten lassen. Es ist das Band der Dankbarkeit, welches mich an dich fesselt. Du hast keine Mutter; ich bin ein armes, kinderloses Weib. An dieser Brust soll dir ein neues Leben erblühen.«

      Sie zog ihn an sich. Jan schlang seine Arme um sie und sagte leise:

      »Ach Gott! Ach Gott! Ich weiß nicht, was es ist, aber mir quellen die Tränen aus den Augen. Halte Sie mich fest; ich will bei Ihr bleiben und alles tun, was Sie haben will.«

      Sie legte ihre Hand segnend auf sein Haupt.

       Inhaltsverzeichnis

      Das alte Jahr war geschieden; das neue brach an. Es brachte einen gelinden Frost, der mit der Stunde wuchs und die Elbe mit Eis belegte, so daß man bald von Harburg bis nach den Vorsetzen und vom Grasbook bis nach Blankenese trocknen Fußes über den Strom setzen konnte, bis endlich eine breite Fahrstraße sich bildete, auf welcher die Schlitten hin und her flogen und die schwer beladenen Frachtwagen ihren Paßgang antraten.

      »Nun kommen die heiligen drei Könige!« sagte ein Moorburger Milchbauer, der neben seinem Nachbar herging. Die schwere Tracht lastete auf der Schulter, woran die rotangestrichenen Milcheimer hingen. »Gewiß kommt solches Volk auch zu uns herüber. Sie haben es dieses Jahr leicht, denn die Elbe ist fest.«

      »Wenn sie auf meinen Hof kommen,« gab verdrießlich der Nachbar zur Antwort, »schlage ich ihnen die Tür vor der Nase zu und hetze den Hund auf sie. Sultan, faß!«

      »Laß den Sultan nur still liegen; sie sind noch nicht da!« sprach der erste. »Du bist immer vorweg und gibst nachher klein bei. Es sind doch schnackische Jungen, wenn sie von Haus zu Haus ziehen und singen:

      ›Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern,

       Sie essen und trinken,


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