Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser

Wachtmeister Studer - Friedrich C.  Glauser


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hat­te. Es war ein schwe­rer, di­cker Mann. Ein grau­er Ka­ter­schnurr­bart starr­te sta­che­lig über sei­ner Ober­lip­pe, das Ge­sicht war rot und lief nach oben spitz zu, das Kinn war in Fett­fal­ten ein­ge­bet­tet. Der Kopf glüh­te, in die Stir­ne fiel eine ein­sa­me, brau­ne Lo­cke.

      Wer der Mann dort sei, frag­te Stu­der lei­se die Wir­tin.

      Der mit dem spit­zen Gring? Das sei der Äsch­ba­cher, der Ge­mein­de­prä­si­dent. Stu­der lä­chel­te, er muss­te an den al­ten El­len­ber­ger den­ken und an sei­ne kur­ze, aber tref­fen­de Cha­rak­te­ri­sie­rung: eine Sau, die den Rot­lauf hat… Es stimm­te aber doch nicht ganz, dach­te Stu­der bei sich. Der Äsch­ba­cher hat­te merk­wür­di­ge Au­gen, sehr, sehr merk­wür­di­ge Au­gen. Ver­schla­gen, ge­scheit… Nein, ein zwei­tä­gi­ges Kalb war der nicht!

      Der Ge­mein­de­prä­si­dent hat­te als Spiel­part­ner einen Mann, der statt ei­nes Kop­fes einen hell­gel­ben, rie­si­gen Ba­de­schwamm zu tra­gen schi­en. Stu­der sah den Mann nur von hin­ten, jetzt hör­te er aber auch des­sen Stim­me:

      »Ich muss lei­der, lei­der schie­ben…«

      Es war die Stim­me, die sich vor­her be­klagt hat­te, es sei nichts mehr zum Trin­ken da, die Stim­me, die wie die ei­nes Cou­plet­sän­gers klang.

      »Und wer spielt mit dem Ge­mein­de­prä­si­den­ten?« frag­te Stu­der.

      »Das ist der Leh­rer Schwomm.«

      »Der hat sei­nen Na­men ver­dient«, dach­te Stu­der. Das blon­de Haar war ge­kräu­selt. Der Mann trug einen ho­hen stei­fen Kra­gen, sein dunk­ler Rock war si­cher nach Maß ge­ar­bei­tet… Stu­der sah noch die Hän­de. Die Här­chen dar­auf schim­mer­ten im Lam­pen­licht.

      An ei­nem an­de­ren Tisch sa­ßen vier jun­ge Bur­schen – Ar­min Wit­schi war da­bei und der Coif­feur­ge­hil­fe Ger­ber, die bei­den an­de­ren wa­ren erst halb­er­wach­sen, sie hat­ten noch Flaum auf den Wan­gen und ihre Ho­sen wa­ren zu kurz. Jetzt, da sie sa­ßen, en­de­ten sie in der Mit­te der Wa­den –, auch sie spiel­ten. Eben hat­te der Laut­spre­cher ver­kün­det:

      Sie ha­ben so­eben als Schluss un­se­res Abend­kon­zer­tes ge­hör­t…

      Nie­mand blick­te auf. Die Stim­me fuhr fort: »Be­vor wir Ih­nen nun die Wet­ter­vor­aus­sa­ge mit­tei­len, ha­ben wir Ih­nen noch eine Be­kannt­ma­chung der kan­to­na­len Po­li­zei­di­rek­ti­on zu über­mit­teln: Es han­delt sich um den heu­te Mit­tag als ver­misst ge­mel­de­ten Jean Cot­te­reau, Ober­gärt­ner in den Baum­schu­len El­len­ber­ger…« Stu­der kann­te die Mit­tei­lung, in Bern hat­ten sie sich be­eilt, sie durch­zu­ge­ben. Nun war er neu­gie­rig, wie sie wir­ken wür­de.

      »Der Mann ist zu­rück­ge­kehrt. Er hat we­der über sei­ne An­grei­fer noch über die Ur­sa­che sei­ner Ent­füh­rung ge­naue­re Mit­tei­lun­gen ma­chen kön­nen, je­doch ist Wacht­meis­ter Stu­der, der mit den Er­mitt­lun­gen über den schon ge­mel­de­ten Mord­fall in Ger­zen­stein be­traut ist, der Mei­nung, dass be­sag­ter Mord­fall in en­gem Zu­sam­men­hang mit der Ent­füh­rung des Ober­gärt­ners Cot­te­reau und der Ver­let­zung des Herrn El­len­ber­ger steht. Per­so­nen, die Nä­he­res über die­sen Fall wis­sen, wer­den ge­be­ten, sich auf dem Land­jä­ger­pos­ten Ger­zen­stein zu mel­den oder der kan­to­na­len Po­li­zei­di­rek­ti­on te­le­fo­ni­sche Mit­tei­lung über ihre Wahr­neh­mun­gen zu ma­chen.«

      Pau­se.

      Stu­der war un­ter die Tür ge­tre­ten und be­ob­ach­te­te die Wir­kung der Wor­te.

      Die vier jun­gen Bur­schen schie­nen er­starrt. Auf dem Jaß­deck­li lag der letz­te Stich, fast in der Mit­te, vier Kar­ten über­ein­an­der, aber kei­ne Hand reg­te sich, um den Stich zu keh­ren. Die Kar­ten­fä­cher hiel­ten sie ge­gen die Brust ge­presst.

      Am Tisch des Ge­mein­de­prä­si­den­ten schi­en nie­mand wei­ter er­schüt­tert. Das Spiel war eben frisch ge­ge­ben wor­den. Äsch­ba­cher hielt sein Kar­ten­päck­li in der Hand, die an­de­re Hand stütz­te den rie­si­gen ro­ten Kopf. Der Mund war leicht ver­zo­gen, der Schnurr­bart sträub­te sich. Der Laut­spre­cher fuhr fort:

      »Wahr­schein­lich wird die zu­stän­di­ge Staats­an­walt­schaft eine Be…«

      Äsch­ba­cher wink­te und sag­te mit der Stim­me, die große Ähn­lich­keit mit der des An­sa­gers hat­te:

      »Ich habe ge­nug von dem Ge­schnörr, ab­stel­len!«

      Nur auf die­sen Be­fehl schi­en die Saal­toch­ter ge­war­tet zu ha­ben. Ein Knacken. Stil­le.

      Die Holz­ti­sche schim­mer­ten hell, frisch ge­scheu­ert, die Spiel­de­cken zeich­ne­ten schwar­ze Recht­e­cke dar­auf. Auf den Li­ter­ka­raf­fen spie­gel­te sich der gel­be Schein der zwei De­cken­lam­pen. Deut­lich hör­te Stu­der das An­strei­chen ei­nes Zünd­hol­zes an der ge­rill­ten Flä­che des por­zel­la­ne­nen Aschen­be­chers. Ge­mein­de­prä­si­dent Äsch­ba­cher zün­de­te sei­nen er­lo­sche­nen Stum­pen an, dann sag­te er laut in die Stil­le:

      »Brin­get den Bur­schen dort einen Li­ter Ro­ten auf mei­ne Rech­nung…«

      Mur­meln am Tisch Ar­min Wit­schis:

      »Mer­ci, Herr Ge­mein­de­prä­si­dent, dank au…«

      Dann be­gann sich die Grup­pe wie­der zu be­we­gen. Auch das war ein we­nig ge­spens­tisch. Es sah aus, als wer­de bei Au­to­ma­ten ein Schal­ter ge­dreht. Sie be­gan­nen plötz­lich die ge­wohn­ten Be­we­gun­gen, die Kar­ten­fä­cher ho­ben sich vor die Au­gen, die Kar­ten fie­len auf den Tisch.

      Auf­ge­r­eckt an sei­nem Platz saß Äsch­ba­cher. Im­mer noch hielt er das Kar­ten­päck­li in der Hand. Sein Blick war starr auf die Grup­pe der spie­len­den Bur­schen ge­rich­tet, so, als ob er sie zwin­gen wol­le, in sei­ne Rich­tung zu bli­cken.

      Aber die Bur­schen wa­ren ins Spiel ver­tieft. Die Saal­toch­ter trat zu ih­nen, sie drück­te sich zärt­lich an Ar­min Wit­schi, wäh­rend sie lang­sam den Li­ter Rot­wein auf den Tisch stell­te. Das schi­en Ar­min zu stö­ren, er wand­te sich brüsk um – und da be­merk­te er Äsch­ba­chers Star­ren. Der Ge­mein­de­prä­si­dent wink­te mit dem Kar­ten­päck­li. Ar­min stand ge­hor­sam auf, trat an den Tisch der Her­ren. Der Ge­mein­de­prä­si­dent flüs­ter­te Ar­min eif­ri­ge Wor­te zu. Und da be­merk­te Stu­der plötz­lich, dass ihn Äsch­ba­chers Au­gen nicht loslie­ßen. Der Wacht­meis­ter stand al­lein in der Tür, die Wir­tin war fort­ge­gan­gen, er sah deut­lich den Wink, mit dem Äsch­ba­cher den Ar­min Wit­schi auf ihn auf­merk­sam mach­te. Nun schiel­te auch Ar­min zum Wacht­meis­ter. Stu­der fühl­te sich un­be­hag­lich, am liebs­ten hät­te er jetzt sei­nen Grog ge­trun­ken, der wur­de si­cher kal­t… Aber er woll­te noch das Ende der Pan­to­mi­me be­trach­ten.

      Aber es ge­sch­ah nichts mehr.

      »Äsch­ba­cher, du machst Trumpf«, sag­te der Mann, der einen Schwamm statt ei­nes Kop­fes zu tra­gen schi­en, der Mann, dem ein Cou­plet im Hal­se sang, der Leh­rer Schwom­m…

      »Ja, ja«, sag­te der Prä­si­dent är­ger­lich. Äsch­ba­cher wink­te Ar­min, er kön­ne nun ge­hen. Mit ei­nem ein­zi­gen Griff brei­te­te er das Kar­ten­päck­li fä­cher­för­mig aus­ein­an­der: »Ge­scho­ben!« schnauz­te er. Und zur Saal­toch­ter:

      »Ber­ti,


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