Bettina Fahrenbach Staffel 5 – Liebesroman. Michaela Dornberg
lag noch immer unbeweglich da.
»Was machen wir denn jetzt mit ihr?«, fragte Bettina mit ganz kläglicher Miene.
»Liegen lassen können wir sie hier nicht, wenn der Arno gleich wieder reinkommt, muss er sie hochtragen.«
»Wie schrecklich, wie schrecklich«, jammerte Bettina. Sie war vollkommen fertig.
»Hör auf zu jammern«, herrschte Leni sie an. »Dadurch änderst du auch nichts.«
Arno war wieder hereingekommen.
»Also, wenn ihr der schnittige rote Sportwagen gehört, und das wird ja wohl der Fall sein, dann hat sie den, soweit man das im Licht der Laternen erkennen kann, schadlos hier heraufgefahren. Verflixte Hacke, deine Schwester muss mehr als nur einen Schutzengel gehabt haben.«
In diesem Zustand war Grit Auto gefahren?
»Ich frag mich bloß, wo sie sich so die Kante gegeben hat«, fuhr Arno fort. »Also, was machen wir mit ihr? Soll ich sie hinauftragen?«
»Ja, bitte.«
Arno bückte sich, nahm ächzend Grit auf den Arm und schleppte sie die Treppe hinauf.
»Und wohin jetzt?«
»In ihr altes Zimmer, es ist hergerichtet. Wir müssen sie nur noch ausziehen, und ich muss ihr mit einem Waschlappen übers Gesicht fahren, die verlaufene Schminke sieht ja furchtbar aus.«
Bettina hatte die Tür geöffnet, Licht gemacht, Arno ließ Grit, die noch immer keinen Ton von sich gab, aufs Bett gleiten. »Jetzt braucht ihr mich ja wohl nicht mehr, oder?«, wollte er wissen.
»Nein, danke, Arno, den Rest schaffen Leni und ich allein.«
Er blieb unschlüssig stehen, erst als Leni sagte: »Das schaffen wir wirklich«, warf er einen letzten Blick auf Grit, schüttelte den Kopf und sagte, ehe er sich entfernte: »Die hochnäsige Grit zugelötet wie ein Heckenpenner und stinkend wie ein Clochard …«
Bettina stand wie angewurzelt da und starrte auf ihre Schwester, während Leni anfing, sie auszuziehen.
»Hol mir mal eines deiner Nachthemden, das können wir ihr leichter überziehen als einen Schlafanzug, und steh nicht mit dieser Leichenbittermiene herum.«
»Ich bin einfach fertig … Grit in einem solchen Zustand ..., das ist ...«
»Herrgott, es ist, wie es ist, wir können dem Himmel danken, dass sie heile hier angekommen ist. Das ist doch besser als der Anruf der Polizei, dass man sie von einem Baum gekratzt hat, das hätte durchaus passieren können … Los, bring mir ein Nachthemd, und dann hol mir einen Waschlappen, damit ich ihr Gesicht von der Schminke befreien kann.«
Bettina gehorchte wie eine Marionette. Es passte alles nicht, es war wie ein Puzzle, das man nicht richtig zusammengefügt hatte.
Eine Viertelstunde später sah Grit einigermaßen manierlich aus.
Leni faltete die Sachen zusammen, die sie ihr ausgezogen hatte und legte sie auf einen Stuhl, dann warf sie einen letzten Blick auf Grit und zog Bettina mit sich aus dem Zimmer.
»Um deine Schwester müssen wir uns jetzt keine Sorgen mehr machen, die schläft ihren Rausch aus. Ich lass die Zimmertür offen, und du schließ deine am besten auch nicht, dann kannst du hören, wenn sie wach wird oder Geräusche von sich gibt … und jetzt, ab, ab ins Bett. Versuche zu schlafen.«
Bettina warf sich schluchzend in Lenis Arme. Sie brauchte das jetzt einfach.
»Danke, Leni«, flüsterte sie, »ich weiß nicht, was ich ohne dich und Arno getan hätte. Was glaubst du, ist geschehen? Was hat Grit so sehr aus der Bahn gebracht? Und, vor allem, warum ist sie hierher auf den Hof gekommen? Das hat sie doch noch niemals zuvor gemacht. Der Fahrenbach-Hof als Zufluchtsort …, unvorstellbar.«
»Darüber solltest du dir den Kopf nicht zerbrechen, entweder sie erzählt es dir morgen, oder sie wird, wenn sie nüchtern ist, so schnippisch und arrogant wie immer sein, ihre Klamotten zusammenraffen und einen Abflug machen, als sei nichts geschehen. Du kennst deine Schwester doch, sie ist nicht besser als dein Bruder Frieder, die sind beide aus einem Holz geschnitzt und kommen total auf eure Mutter … und deswegen«, sie fuhr Bettina beruhigend über das Haar, »mach dir jetzt ihretwegen keinen Kopf. Denk an dich, die interessiert nicht, was mit dir ist, die haben dich immer im Stich gelassen und stets nur benutzt, wenn sie etwas von dir wollten. Jetzt …, diese Showeinlage …, ist doch im Grunde genommen ebenfalls eine Dreistigkeit, hier mitten in der Nacht hacke-knacke-zu aufzutauchen … Die pennt jetzt, aber du bist voller Sorge. Mensch, Bettina, komm zu dir. Wenn sie morgen wieder bei Verstand ist, dann mache sie rund, rede Tacheles mit ihr.«
»Das kann ich nicht …, sie ist meine Schwester …, und, Leni, warum auch immer …, sie hat sich zu mir geflüchtet.«
»Anderswo hätte man sie in diesem Zustand auch gar nicht reingelassen, also, komm, geh jetzt ins Bett, ich will sehen, dass du das wirklich tust, damit auch ich nach Hause gehen kann.«
»Ich lasse besser im Flur das Licht brennen«, sagte Bettina, dann ließ sie sich wie ein kleines Kind in ihr Schlafzimmer führen, ins Bett bringen, zudecken.
»Danke, liebe, liebe Leni, tausend Dank«, flüsterte sie und umarmte ihre Getreue, die immer für sie da war.
»Schon gut«, wehrte Leni ab. »Dann versuch jetzt zu schlafen, bis morgen dann. Ich komm morgen früh beizeiten her und bring frische Croissants mit, einverstanden?«
»Ja, das hört sich herrlich an, danke.«
Leni ging hinaus, löschte das Licht, ließ die Tür offen, der sanfte Schein der Flurbeleuchtung fiel ins Zimmer, und Leni polterte die Treppe hinunter.
Bettina atmete tief durch, versuchte sich zu beruhigen und zwang sich, nicht nach nebenan zu gehen und nochmals nach Grit zu sehen. Die hatte angefangen ganz fürchterlich zu schnarchen, so wie sich das anhörte, zerlegte sie gerade ganze Wälder, aber vermutlich hing das mit dem Alkoholkonsum zusammen. Dass eine Frau so schnarchen konnte, hätte Bettina niemals für möglich gehalten.
Weswegen war Grit gekommen?
Weswegen hatte sie sich so betrunken?
Sie kannte auf diese Fragen die Antwort nicht, und sie konnte sich den Kopf noch so sehr zerbrechen, sie würde sie auch nicht finden. Sie musste bis zum nächsten Morgen warten, wenn Grit wieder ausgenüchtert sein würde.
Bettina schloss die Augen, versuchte an Jan zu denken, an Veronika und die kleine Bettina, die jetzt die erste Nacht in einem fremden Bettchen an einem anderen Ort schlief. Doch sosehr sie sich auch bemühte, immer wieder schob Grits Gesicht sich vor alle anderen Bilder, und alle unbeantworteten Fragen geisterten wieder in ihr herum.
Es war schrecklich.
Bettina begann sich hin und her zu wälzen, stand auf, um sich eine heiße Milch mit Honig zu machen, sie ging nach nebenan und schaute nach Grit, die noch immer unverändert in Rückenlage im Bett lag. Aber das grässliche Schnarchen hatte aufgehört. Jetzt pustete sie nur noch vor sich hin, was ein Zittern ihrer Oberlippe auslöste und irgendwie so komisch wirkte, dass Bettina sich eines leichten Lächelns nicht erwehren konnte.
Auf Zehenspitzen verließ sie das Zimmer. Aber wahrscheinlich hätte sie auch laut herauspoltern können, ohne dass Grit davon wach geworden wäre. In ihr musste noch so viel Restalkohol sein, dass es Stunden brauchen würde, um sie aufzuwecken.
Bettina legte sich wieder in ihr Bett. Die Milch mit dem Honig hätte sie sich – weiß Gott – ersparen können. Sie hatte das Gefühl, nur noch wacher geworden zu sein durch das Heruntertalpen in die Küche, das Erhitzen der Milch, das Einrühren des Honigs.
Irgendwo in der Ferne krähte bereits ein Hahn, das erste Morgenlicht kam durch die halb geöffneten Vorhänge ins Zimmer, als Bettina endlich in einen unruhigen Schlummer fiel, geplagt von wirren Träumen.
*
Nach nur knapp drei Stunden wurde Bettina wach, erinnerte sich schlagartig